Winterberg. Weniger Jugendliche landen im HSK wegen Alkoholmissbrauch im Krankenhaus. Was das mit Corona zu tun hat und warum eine Expertin trotzdem warnt:
Immer weniger Jugendliche müssen wegen einer Alkoholvergiftung in Krankenhäusern in Nordrhein-Westfalen behandelt werden. Das hat das Statistische Landesamt NRW mitgeteilt. Im HSK seien die Fälle zurückgegangen. Auch die Situation in Winterberg sei entspannt, sagt ein Chefarzt aus Winterberg. Dagegen sieht eine Suchtexpertin die Zahlen keinesfalls als Entwarnung. Ganz im Gegenteil.
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Expertin warnt
Laut den Statistikern wurden 2020 2689 junge Menschen aus Nordrhein-Westfalen im Alter von zehn bis 19 Jahren wegen Alkohol stationär im Krankenhaus behandelt. 38,7 Prozent weniger Behandlungsfälle als 2019 (damals: 4 387 Fälle) und 54,9 Prozent weniger als zehn Jahre zuvor (2010: 5 957 Fälle). Im HSK mussten 2020 insgesamt 57 Jugendliche im Alter zwischen 10 bis 19 Jahren in einem Krankenhaus behandelt werden. 2019 waren es noch 90 Heranwachsende, die zu tief ins Glas geschaut hatten. Zwischen 2010 bis 2018 lag dieser Wert immer stabil über 100.
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Dass diese Zahlen nun rückläufig sind, habe einen Grund, sagt die Leiterin der Sucht- und Drogenberatung des Caritasverbandes in Brilon, Liliane Schafiyha-Canisius. Sie ist unter anderem auch für den Bereich Winterberg zuständig. Dieser Rückgang stehe sehr wahrscheinlich im Zusammenhang mit der Coronapandemie, die es Jugendlichen eine lange Zeit lang unmöglich gemacht habe, sich gemeinsam zu treffen. Das habe viele Minderjährige davon abgehalten, sich bis zur Besinnungslosigkeit zu betrinken, so Schafiyha-Canisius. „Manche Jugendliche wollen sich in der Gruppe beweisen und hervortun“, sagt sie.
Eltern sollten aktiv werden
Mit dem Wegfall fast aller Corona-Restriktionen könnten diese Probleme nun wieder verschärft werden, warnt die Diplom-Sozialpädagogin und Suchttherapeutin. Niemand wisse genau, ob jetzt bei einigen Jugendlichen Nachholbedarf in Sachen Alkohol bestünde. „Ich schaue nun mit Sorge auf die Schützenfestsaison und welche Bilanz es nach den Osterfeuern gegeben hat“, sagt Schafiyha-Canisius. In jedem Fall rate sie allen Eltern, die sich wegen dem Alkoholkonsum ihrer Kinder Sorgen machten, zu einem Beratungsgespräch. Die Caritas habe auch für den Bereich des Hochsauerlandkreises eine gesteigerte Nachfrage nach Hilfe registriert. Entgegen dem sinkenden Trend alkoholisierter Jugendlicher in den Krankenhäusern.
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In jedem Fall sollten Eltern aktiv werden, wenn sie ihr alkoholisiertes Kind von der Intensivstation abholen müssten. „In diesem Fall sollte man in jedem Fall besorgt sein und das Gespräch mit dem Jugendlichen suchen. Da stimmt in der Regel etwas nicht. Besonders nicht, wenn die Alkoholexzesse häufiger vorgekommen“, sagt die Expertin. Eltern müssten sich aber auch selbst die Frage stellen, wie sie es mit dem eigenen Alkoholkonsum so halten und dem eigenen Nachwuchs vorleben, sagt Schafiyha-Canisius.
Dann sollte man ins Krankenhaus
Wenn ein Jugendlicher aus der Region Winterberg dann doch deutlich zu viel getrunken hat, wird er häufig in das St. Franziskus-Hospital Winterberg gebracht. Dessen Chefarzt Dr. Jacek Jablonka sagt, dass dies in der Region aber noch nie so häufig vorkam wie beispielsweise in Ballungsräumen und Großstädten, in denen er früher tätig war. In manchen Monaten müsste man manchmal niemanden behandeln, sagt Jablonka. Während der Schützenfestsaison könnten es dann aber schon mal zwei bis drei Jugendliche pro Monat sein, die im Winterberger Krankenhaus versorgt würden. Laut dem Geschäftsführer des Krankenhauses, Dennis Figlus, komme man so auf jährlich bis zu zehn Jugendliche, die in der Klinik behandelt werden müssten. Das seien 2019 zehn, 2020 sechs und 2021 neun Jugendliche gewesen.
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„Unsere Aufgabe ist es, die Lebensfunktionen der Patienten zu überwachen“, sagt der Chefarzt. Besonders in der kalten Jahreszeit sei es wichtig, stark alkoholisierte Menschen vor Erfrierungen zu schützen. Ausfallerscheinungen, Bewusstlosigkeit, Bewusstseinseinschränkungen und Erbrechen, dass zu Erstickungen führen könnten, seien die großen Gefahren.
Deshalb sei es sehr wichtig, die Patienten unter Beobachtung zu stellen. Bei den alkoholisierten Jugendlichen handele es sich um keine spezifische Gruppe. „Die Patienten kommen aus den unterschiedlichsten Schichten“, sagt er.