Brilon. Die Zahl der Minijobber im Hochsauerlandkreis nimmt rapide ab. Gastronomen machen sich sorgen und erklären, was sie sich wünschen würden.

Nach Ansicht der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) seien Minijobs nicht krisenfest. Das habe zuletzt die Corona-Krise gezeigt. 450-Euro-Kräfte zählten zu den Hauptverlierern der Pandemie. Das zeigt sich auch auf Nachfrage bei der Agentur für Arbeit. Dort stehen derzeit Zahlen zur Beschäftigung im Gastgewerbe bis Juni 2021 zur Verfügung. Trotzdem lässt sich hier der Trend erkennen und die Zahlen bestätigen die Annahme: Zu diesem Zeitpunkt hat die Anzahl der Minijobber im HSK um Vergleich zum Jahr davor um sieben Prozent abgenommen. Im Vergleich zwischen März 2020 und März 2021 gibt es sogar ein Minus von 18,3 Prozent. 726 Minijobber fielen weg. Das ist ein besonderer Schlag für Gastronomiebetriebe. Drei aus Brilon erklären die Wichtigkeit der Arbeitskräfte und wie schwer es ist, an sie heranzukommen.

Ratsschänke in Brilon

Auch Jan Mittmann setzt in seiner Ratsschänke auf Minijobber. „Drei bis fünf habe ich hier angestellt. Es ist vor allem wichtig vernünftige Leute zu finden. Man muss sehr viel zeigen und erklären. Ich habe hier nur junge Leute bis 25 Jahren. Da fehlt die Erfahrung“, sagt er. Personal finden ist auch für ihn schwierig. Freunde helfen schon mal aus. Wenn Partys stattfinden, könnte er noch ein bis zwei Leute zusätzlich gebrauchen.

Jan Mittmann leitet die Ratsschänke in Brilon und würde sich über mehr Personal freuen. Besonders mit Blick auf die Lockerungen der coronaregeln.
Jan Mittmann leitet die Ratsschänke in Brilon und würde sich über mehr Personal freuen. Besonders mit Blick auf die Lockerungen der coronaregeln. © Fabian Vogel

Mittmann nahm zusammen mit anderen Gastronomiebetrieben in Brilon im vergangenem Jahr an einem Speed-Dating teil. In einem zehn Minütigen Zeitfenster konnten sich Interessierte vergangenen Oktober im Bürgerzentrum in Brilon bei zehn Betrieben vorstellen. Der Gastronom wurde dort nicht fündig. „Es ist schwierig Leute zu finden, die den Job auch ernst nehmen. Viele glauben, dass es damit getan ist, sich fünf Stunden hier hinzustellen. Aber das ist schon Arbeit.“ Von vier Interessenten blieb am Ende nur eine übrig, die wirklich geeignet war und ihr fehlte dann die Zeit neben der Schule.

Mit Blick auf die kommenden Monate geht Mittmann davon aus, dass es personell noch enger werden könnte. Besseres Wetter, gestiegenes Interesse an der Außengastronomie und dazu noch die potenziell fallenden Corona-Regeln könnten noch mehr Gäste in die Ratsschänke bringen. Der Briloner möchte vermehrt auf Partys setzen, aber auch dafür sind helfende Hände gefragt.

Jägerhof in Brilon setzt vermehrt auf Minijobber

Für Andreas Piorek spielen Minijobber in seinem Jägerhof eine sehr große Rolle. Sie machen circa 50 Prozent der Belegschaft aus. Besonders im Service werden sie eingesetzt. Auch er merkt an, dass es sehr schwierig sei die richtigen Leute zu finden. „Es dauert circa sechs Monate, um alles zu zeigen und die Lernkurve ist bei jedem unterschiedlich. Genauso die Einstellung.“ Bei ihm arbeiten nicht nur Schüler, sondern auch Rentner, die sich noch etwas dazuverdienen möchten.

Der Inhaber des Jägerhofs in Brilon, Andreas Piorek, hat derzeit Probleme Personal zu finden. Ein Problem, dass Gastronome in Brilon seit der Pandemie gut kennen..
Der Inhaber des Jägerhofs in Brilon, Andreas Piorek, hat derzeit Probleme Personal zu finden. Ein Problem, dass Gastronome in Brilon seit der Pandemie gut kennen.. © WP | Benedikt Schülter

Der Gastronom würde sich freuen, wenn er noch jemanden einstellen könnte. Dann hätte er genug Personal, um wieder sieben Tage in der Woche zu öffnen. Derzeit hat er noch immer den aus der Winterzeit geltenden Ruhetag, weil Zahl der Angestellten mehr nicht zulässt. Er merkt noch die „Nachwehen von Corona“. Die Gäste würden lieber draußen sitzen, wo sie sich sicherer fühlen und besser entspannen können. Er rechnet mit noch mehr Kundschaft, wenn die Coronaregeln zum Großteil ab dem 2. April fallen sollten. „Die Leute haben viel nachzuholen und sie empfinden die Kontrollen stellenweise als lästig. Das merken wir hier auch verstärkt. Das war auch im vergangenen Jahr so, als die Lockerungen beschlossen wurden. Dann hätte ich aber auch wieder Personalbedarf.“

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Nochmals zwei weitere Leute könnte Andreas Piorek dann gebrauchen. „Ich kann meine Aushilfen auch nicht drangsalieren hier jeden Abend zu arbeiten. Es soll schließlich eine Aushilfe sein und keine Dauerschleife.“ Aber auch für ihn liegt genau dort das Problem, denn „das Speed Dating war grausam. Das war werblich gut gemacht und es wurde deutlich, dass wir einen Personalmangel haben, aber bei der Stellenbörse war kaum jemand.“ Die Werbetrommel habe zumindest so geholfen, dass ich im Vorfeld und danach Interessenten bei ihm gemeldet hatten. Zwei von ihnen stellte er auch ein. „Das ist besonders für Schüler attraktiv, um sich in zwei oder drei Wochen den Sommerurlaub zu finanzieren. Wer gut ist, kann auch gerne mehr arbeiten“, sagt er. Aber auch beim jungen Publikum merkt er, dass das Interesse mit der Zeit gesunken ist, das Taschengeld in der Gastronomie aufzubessern.

Tommys im Kolpinghaus Brilon

Den Eindruck hat auch Thomas Hillebrand, der das „Tommys“ im Kolpinghaus betreibt. „Vor fünf bis sechs Jahren war das noch ganz anders. Regelmäßig haben sich Schüler beworben. Heute geht ohne Vitamin B gar nichts mehr, wenn es darum geht, Personal zu finden.“ Weder Minijobber noch Vollzeitkräfte. Eine Erklärung für den Mangel an jungen Aushilfen fällt ihm nicht ein.

Thomas Hillebrand betreibt das „Tommys“ im Kolpinghaus in Brilon. Er würde sich freuen, wenn auch wieder mehr Schüler den Weg in die Gastronomie finden würden.
Thomas Hillebrand betreibt das „Tommys“ im Kolpinghaus in Brilon. Er würde sich freuen, wenn auch wieder mehr Schüler den Weg in die Gastronomie finden würden. © Jana Naima Schopper

Für ihn sind sie dafür da um zu Spitzenzeiten einzuspringen, wenn das Personal den Ansturm nicht mehr alleinen auffangen kann. Das Tagesgeschäft sei kein Problem. Circa zehn Minijobber beschäftigt er, manche von ihnen schon seit über zehn Jahren. Daran änderte sich auch in der Pandemie nichts. Beim Speeddating ging er leer aus. „Es geht so gut wie gar nicht Leute zu finden. Wenn jemand jemanden kennt, dann vielleicht. Auch Aufrufe sind sinnlos. Da meldet sich niemand.“

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Er hofft, dass mehr Schüler den Weg in die Gastronomie finden. Sie könnten einfach anrufen, vorbeikommen und Probearbeiten. „Wir werden uns jetzt von den Gästezahlen her steigern und brauchen die Leute, aber der Staat legt uns da auch Steine in den Weg mit festen Stundenkonten für die Aushilfen und fest vorgeschriebenen Arbeitszeiten. Das macht es uns nur noch schwieriger und ist totaler Humbug.“

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In der Pandemie ist die Zahl der Minijobs im Hochsauerlandkreis deutlich zurückgegangen. Mitte vergangenen Jahres gab es im Kreis rund 31.200 Stellen auf 450-Euro-Basis – das sind 1.800 weniger als zwei Jahre zuvor (minus 5 Prozent). Nach den Plänen der Berliner Ampel-Koalition sollen Minijobber künftig 520 statt wie bislang 450 Euro im Monat verdienen können – ohne dafür beispielsweise automatisch arbeitslosenversichert zu sein.