Marsberg/Meschede. DRK, Caritas und AWo fühlen sich vor den Kopf gestoßen: Die Stadt Marsberg redet ihr angebotenes Kita-Grundstück herunter - mit schweren Folgen.

Hat die Stadt Marsberg das DRK, den Caritasverband und die Arbeiterwohlfahrt mit dem am Diemelbogen für die neue Kindertagesstätte angebotenen Grundstück um die Fichte geführt? So jedenfalls haben die drei Verbände die Stellungnahme der Stadt an den Kreisjugendwohlfahrtsausschuss interpretiert - und als Konsequenz ihre Bewerbung um die Trägerschaft am Dienstag drei Stunden vor der Sitzung per Mail zurückgezogen und so „ihrem Groll Luft gemacht“, wie HSK-Fachbereichsleiter Ulrich Müller-Thüsing sagte.

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Übrig blieb somit lediglich das vom Ev. Kirchenkreis Arnsberg-Soest auf dem LWL-Gelände geplante Projekt. Und an den vergab der Ausschuss die Trägerschaft bei einer Gegenstimme. Die kam von dem Marsberger Kreistagsmitglied Christian Böttcher (Bündnis 90/Grüne). Böttcher bezeichnete das Konzept des kirchlichen Träger zwar als „gut“, er habe aber für seine Ablehnung andere - allerdings nicht näher erläuterte - Gründe.

LWL strukturiert für 65 Millionen Euro seine Einrichtungen um

Für Verärgerung bei den drei Verbänden hatte gesorgt, dass die Stadt in ihrer Stellungnahme zu den vier Bewerbungen die Eignung des Grundstücks am Diemelbogen mit etlichen Fragezeichen versehen hat, obwohl - so Caritas-Vorstand Heinz-Georg Eirund - die Stadt es den Bewerbern „ohne jede Einschränkung“ als Standort genannt habe.

Fördergelder entfallen

Bauträger und Investor ist die AL Kitabau aus Brilon-Madfeld, ein auf dem Gebiet des Baus
sozialer Projekte erfahrenem Unternehmen mit zahlreichen
Referenzen.

Das Erd- und erste Obergeschoss des Backsteingebäudes soll für die Gruppenarbeit umgebaut werden.

Im Dachgeschoss sollen Räume für Personal und die Elternarbeit sowie drei Appartements - z. B. für LWL-Mitarbeiter - eingerichtet werden.

Sorgen macht allen Bauträgern die Ende Januar verkündete sofortige Einstellung der KfW-Förderung für energieeffizientes Bauen.

In der am 25. Februar und damit auf den letzten Drücker vor der Sitzung versandten Stellungnahme hatte die Stadt den HSK darauf hingewiesen, dass sich das Grundstück „in zweiter Reihe“ befinde, es nur von einem - und das unterstrichen - „einspurig befahrbarem Weg“ erschlossen sei, dass erst noch Planungsrecht geschaffen werden müsse und dass mit nachbarschaftlichen Einwendungen zu rechnen sei, die das ganze Verfahren verzögern könnten.

Zwei Standorte standen für die neue Kita in Marsberg zur Wahl: hier das städtische Grundstück am Diemelbogen, das die Stadt in ihrer Stellungnahme ziemlich niedermachte.
Zwei Standorte standen für die neue Kita in Marsberg zur Wahl: hier das städtische Grundstück am Diemelbogen, das die Stadt in ihrer Stellungnahme ziemlich niedermachte. © Hans Blossey

Dagegen hatte die Stadt den Standort auf dem LWL-Gelände in höchsten Tönen gelobt. So entstehe die Kita „auf einer Liegenschaft, die sich in den kommenden Jahren einem Strukturwandel unterzogen“ sehe. Bekanntlich plant der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) den umfassenden Umbau seines Psychiatrie-Standortes Marsberg mit einer weitgehenden Konzentration der Einrichtungen in der Weist für - Stand heute - rund 65 Millionen Euro.

Diesem Wandel, so die Stadt Marsberg, soll auch die städtebauliche Entwicklung Rechnung tragen. So sei mittelfristig am Dütlingstalweg, ein Baugebiet für 40 bis 50 Häuser geplant. Mit dem Standort an der Bredelarer Straße erhielte zudem erstmals auch der nördliche Bereich der Kernstadt eine Kindertageseinrichtung.

Quartiers-Entwicklung

Der Ev. Kirchenkreis will seine Kita, wie berichtet, in einem seit einigen Jahren nicht mehr genutzten Backsteingebäude am westlichen Rand des LWL-Geländes einrichten. Die Stadt in ihrer Stellungnahme: „Umbau und Sanierung eines ungenutzten Gebäudes, das von seiner Eigenart und seinem Alter her als quartiersprägend und denkmalwürdig bezeichnet werden muss, ist einem Neubau an anderer Stelle vorzuziehen.“

Caritasverband, DRK und AWo halten der Stadt vor, ihnen den Standort auf dem LWL-Gelände nicht als Option vorgestellt zu haben. Das hat Bürgermeister Thomas Schröder anders in Erinnerung, wie er gegenüber der WP sagte. Zunächst sei der HSK mit der Frage an die Stadt herangetreten, ob sie potentiellen Trägern ein für die Kita geeignetes, etwa 2500 qm großes Grundstück zur Verfügung stellen könne. Da die Ritzenhoff-Brache wegen Altlasten nicht infrage gekommen sei, habe man die Fläche am Diemelbogen genannt - „Wir wollten den Bau für den Fall möglich machen, dass ein Träger kein eigenes Grundstück verfügt.“

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In einem zweiten Schritt habe man mit dem LWL Kontakt aufgenommen, um abzuklären, ob der LWL angesichts seiner Umstrukturierungsabsichten eine Fläche für die Kita zur Verfügung stellen könne. Nachdem dies mit dem Verweis auf das leerstehende Gebäude bejaht worden sei, habe er die Telefonnummer der beim LWL zuständigen Ansprechpartners „an alle weitergegeben“, so Thomas Schröder weiter zur WP.

Für Caritasverband, AWo und DRK war der Standort jedoch wegen der keine 150 Meter entfernten Jugend-Forensik „nicht verantwortbar“. Das hätten auch Fachärzte der Klinik bestätigt, und dem DRK, so Geschäftsführer Rene Teich im Ausschuss, habe der LWL sogar auf eine frühere diesbezügliche Anfrage hin mit dieser Begründung eine Absage erteilt.

„Bei manchen schrillen die Alarmglocken“

„Bei manchen schrillen wohl die Alarmglocken“, sagte Ausschussmitglied Hans-Werner Schwens. Der Direktor des Briloner Amtsgerichts kennt sich auch mit dem Maßregelvollzug in Marsberg aus. Die in den Raum gestellte potentielle Gefährdung der Kinder durch die in der Forensik untergebrachten Jugendlichen sei „Nonsens“. Der Bereich der Forensik sei hoch gesichert. Dort seien „keine Pädophilen und keine Mörder, sonder kranke Menschen“ untergebracht. In der Stadt werde man jede Menge Freigänger aus der Psychiatrie antreffen. Man müsse es den Marsbergern hoch anrechnen, dass sie mit der Psychiatrie leben - und auch von ihr.

Sowohl von Seiten der Kreisverwaltung wie auch im Ausschuss fand die Kritik der drei sich ausgebootet fühlenden Bewerber Verständnis. Ludger Böddecker (SPD, Brilon) meinte, dass der Ausschuss die Situation akzeptieren solle, denn: „Wir müssen weiter kommen. Wir stehen bei den Kita-Plätzen erheblich unter Druck.“

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Marcel Tillmann (CDU, Meschede), sagte, dass dies „hier wie auch schon in Brilon nicht sauber gelaufen“ sei. Das griff auch Fachbereichsleiter Ulrich Müller-Thüsing auf. Man müsse „generell klären“, wie man mit der Vergabe von Trägerschaften in Zukunft umgehen soll.