Brilon. Es geht um musikalische Höchstleistung. Trotz erhöhten Adrenalinspiegels steht der Spaß im Vordergrund. So läuft ein Brass-Wertungsspiel ab:
Drei schwere Pokale stehen am Samstagnachmittag am Eingang der Aula. Wer sie wohl mit nach Hause nehmen darf? Das Geheimnis wird einen Tag später gelüftet. Die Favoriten aus Süddeutschland dürfen jubeln. Der deutsche Serienmeister, die 3BA Brass Concert Band, war als einziger in der Oberklasse A angetreten und hat mit dem Sieg das Ticket für die Europameisterschaften gelöst. Aber auch alle anderen sieben Formationen haben am Wochenende bei den „German Open“ gezeigt, wie viel Dampf nach der monatelangen Corona-Zwangspause unter den Deckeln sitzt und endlich aus den Ventilen raus muss. Der Deutsche Brass Band Verband (DBBV) hatte zum ersten Mal sein Wertungsspiel in den Rahmen des Blechblasfestivals „Sauerland Herbst“ gelegt. Und besser hätten die „German Open“ nicht platziert sein können.
Lesen Sie auch: Sauerländer Loipenvereine wollen wieder in die Spur finden
Samstagnachmittag, Gymnasium Petrinum in Brilon. In Scharen schleppen die Musiker und Musikerinnen ihre mitunter schweren Instrumente über den Schulhof. Eingangskontrolle. Hier gilt 3G. Alle haben mindestens 6G: Geimpf, genesen, getestet, gespannt, gewillt und gern hier, um eine bestmögliche Leistung abzuliefern. Dann geht es mit den Instrumenten ins Kofferlager. Auspacken. Warten. Ein Klassenraum wird zum Einspielzimmer, wo die Brass-Leute ihre Instrumente schon mal vorglühen können. Draußen im Foyer hat Meinolf Kahrig von der musicworld Brilon hochglanzpoliertes Blech und einiges an Schlagwerken aufgebaut. Das Schlagwerk für den Wettbewerb stellt ein namhafter Instrumentenhersteller zusammen mit der musicworld zur Verfügung. Die Musiker/innen aus ganz Deutschland staunen nicht schlecht, was hier alles geboten wird.
Hochkarätig besetzte Jury
Um 14.30 Uhr geht es los. Die Reihen sind noch sehr lückenhaft, als der Vorsitzende des DBBV, Arnd Bolten, die „German Open“ eröffnet. Vor drei Jahren sei die Kooperation mit dem Sauerland Herbst schon besiegelt worden. Er sei froh, dass man nun starten könne und dass dieser hochklassige Wettbewerb in regelmäßigen Abständen im Sauerland Halt machen werde. „Die Bands haben sich viel vorgenommen, um hier ihre Klasse unter Beweis zu stellen. Musik schafft Freude und Freunde – und die soll nicht zu kurz kommen“, sagt Bolten.
Lesen Sie auch:Hallenberg: Die Freilichtbühnen im Land brauchen Planungssicherheit
Dann klingelte auch schon das erste Glöckchen und die Brass Band „Woodshockers“ aus Augsburg formiert sich auf der Bühne. Der Name „Holz-Schocker“ sei eine Art augenzwinkernde Kampfansage der Blechbläser an die Spieler von Holzblasinstrumenten, erklärt Moderator Tobias Buntjer, der die einzelnen Gruppen und ihre Wahlstücke souverän vorstellt.
Die Sieger
Überraschung: Spontan hat der Hochsauerlandkreis gestern zwei mit jeweils 500 Euro dotierte Förderpreise an die beiden teilnehmenden Nachwuchs-Brass-Bands vergeben, die beide in der C-Sektion angetreten waren. Das sind Evolution Brass Regensburg und die 3BA-Academy Band. Gewinner in der Klasse C war 3BA. Die Zweitplatzierte Evolution Brass Regensburg (184 Punkte) sichert sich den Sonderpreis für die beste Programmzusammenstellung.
In der B-Sektion bekam die Brass Band Regensburg die meiste Punktzahl und einen 500 Euro-Gutschein. Die Wertung in der B-Sektion:
1. Brass Band Regensburg (187 Punkte; 2. Woodshockers (184,6 Punkte); 3. Nordbayerische Brass Band (181 Punkte); 4. Brass Band BlechKLANG (178,3 Punkte); 5. Brass Band Westfalen (174 Punkte). Der Sonderpreis für den besten Choral/ Marsch geht an die Woodshockers.
Sieger in der A-Sektion wurde 3BA Concert Brass mit 193,3 von 200 möglichen Punkten. Sie haben sich damit die Teilnahme an der EM in Birmingham gesichert. Außerdem bekamen sie einen Sonderpreis (1000 Euro) der Eibach-Stiftung. Bernd Geser erhält für sein Solo außerdem den Sonderpreis für die beste solistische Leistung.
Alle Teilnehmer bekommen eine schriftliche Beurteilung der Jury.
Erneut erklingt das Glöckchen und die drei Juroren spitzen die Ohren. Durch gelbe Trennwänden voneinander separiert, entgeht Katrina Marzella, Tim de Maesener und Thomas Clamor nichts. Die Dame im Trio ist eine der führenden Baritonhornspielerinnen und ist aktuell Solistin bei der legendären Black Dyke Band. Der Belgier ist Hochschulprofessor und mischt bei der Brassband Willebroek mit. Und die musikalische Vita von Prof. Thomas Clamor - mit 23 Jahren damals jüngster Trompeter der Berliner Philharmoniker und hier künstlerischer Leiter des Festivals - würde den Rahmen sprengen. Also zurück auf die Bühne.
Die Schwaben sind schon lange im Geschäft. Sie sind am Donnerstag von Augsburg ins Sauerland gereist, haben sich alle Urlaub genommen und nutzen die „German Open“ als Betriebsausflug mit Proben-Charakter und Leistungs-Check. Die Anreise hat sich gelohnt. Wums! Mit dem anspruchsvollen, unglaublich voluminösen und sehr tempogeladenen Stück „Match-Rhythm“ legen die „Woodshocker“ die Messlatte gleich ganz hoch. Und eh man sich versieht, drehen sie den Schalter um und lassen Trompeten und Hörner mit viel Tschingderassabum im Marsch miteinander turteln. Hier etwas Bufftata in Perfektion, da feine Soli, sattes Schlagwerk und ein gutes Gespür für Rhythmik - all das macht den Aufritt zu großem Kino für die Ohren.
Szene wächst schnell
„Hat Spaß gemacht und der Schub Adrenalin war mehr Ansporn als Stress“, sagt Dirigent Benjamin Markl im Anschluss. Man sei unsäglich froh, endlich wieder spielen zu können. „Uns war während des Auftritts schon klar, dass das hier ein Wettbewerb ist. Aber wir haben alle so einen Spaß dabei gehabt, dass die Freude am Musizieren den Wettbewerbsgedanken verdrängt hat.“ Er sei froh, dass die Szene so schnell wachse und dass so eine Veranstaltung die Gelegenheit biete, seine eigene Klasse zu checken und andere Formationen zu beobachten. „Klar, wir kennen das Festival; es ist schön, dass uns Brass Bands hier so eine Plattform geboten wird.“ Für den Abend haben die Schwaben einen Raum in einer Briloner Kneipe gebucht. Musiker sind gesellige Leute.
Eine gute halbe Stunde ist Pause; dann wird die Bühne umgebaut, spielt sich die nächste Band ein. Die Zuschauer haben Gelegenheit sich die Beine zu vertreten, bevor die Brass-Band Westfalen loslegt. Der gleiche Ablauf, andere Stücke, mit viel Temperament und Euphorie vorgetragen - so geht es bis zum Abend. Am Sonntag treten dann noch zwei Nachwuchsband an.
„So ein Wettbewerb ist wichtig, um von seinem Leistungsstand her voran zu kommen. Man probt fokussiert auf ein Ziel hin. Aber diesmal hat nach der langen Corona-Pause trotz Wettbewerbscharakter die Freude im Vordergrund gestanden“, sagt Dirigent Tobias Schütte. Im Vorbeigehen klopft ein anderer Musiker einem Kollgen anerkennend auf die Schultern: „Geiler Vortrag!“ Musiker können gönnen.