Hochsauerlandkreis. Dem Wald im Sauerland geht es trotz leichter Entspannung nicht gut. Ein Forstexperte erklärt, warum er sich feuchte, kühle Sommer wünscht.

Klimawandel, Kahlschläge und Käfer: Der Wald im Sauerland erlebt gerade einen gravierenden Struktur-Wandel. Wir haben Edgar Rüther, den Leiter des Regionalforstamtes Soest/Sauerland, zur aktuellen Situation befragt.

WP: Wie würden Sie die aktuelle Situation des Sauerländer Waldes beschreiben?

Rüther: Dem Wald im Hochsauerlandkreis geht es trotz einer leichten Entspannung in den letzten Monaten noch nicht wieder gut und die Lage bleibt ernst. Bislang ist es noch nicht gelungen, den Borkenkäfer zu stoppen. Waldbesitzende und Forstleute erwarten deshalb mit deutlicher Anspannung, was in den nächsten Wochen passieren wird. Die Schäden durch Windwurf, Hitze, Dürre und Borkenkäfer belaufen sich seit 2018 auf rund 4 Mio. Festmeter, was eine Schadfläche von gut 10.000 Hektar bedeutet.

Edgar Rüther, Leiter des Regionalforstamtes Soest-Sauerland.
Edgar Rüther, Leiter des Regionalforstamtes Soest-Sauerland. © Photographer:Ulla Giesen/Wald und Holz NRW

Welche Einfluss hat das Wetter auf die Entwicklung der Borkenkäfer-Plage?

Der kühlere und feuchtere Sommer 2020 hatte zur Folge, dass sich der Borkenkäfer nur in zwei statt drei Generationen fortgepflanzt hat. Außerdem sind bei dem strengen Frost der vergangenen Wochen viele Käferlarven erfroren. Dennoch wartet eine immens große Restpopulation auf anhaltende Frühjahrswärme, um auszuschwärmen und wieder gesunde Fichten zu befallen. Insofern hat der Frost zwar geholfen, aber den Wald nicht gerettet. Entscheidend wird sein, wie der kommende Sommer ausfallen wird. Forstleute sind wahrscheinlich die einzigen Menschen, die sich für die nächsten Jahre kühle und nasse Sommer wünschen.

Gibt es mit Blick auf die Käfer-Schäden im HSK regionale Unterschiede?

Ja, es gibt innerhalb des HSK deutlich Unterschiede. Besonders stark sind bereits die Kommunen Arnsberg, Brilon und Marsberg, aber auch die nördlichen Bereiche von Sundern und Bestwig betroffen. Gleiches gilt für Medebach im Regenschatten des Rothaargebirges. In den Hochlagen um Winterberg und Schmallenberg sieht es dagegen zum jetzigen Zeitpunkt noch vergleichsweise gut aus.

Das Regionalforstamt Soest-Sauerland

Das Regionalforstamt Soest-Sauerland mit Sitz in Rüthen ist eines von 16 Forstämtern von Wald und Holz NRW. Der Zuständigkeitsbereich des Regionalforstamtes erstreckt sich über den gesamten Kreis Soest und Teile des Hochsauerlandkreises mit den Kommunen Arnsberg, Bestwig, Brilon, Marsberg und Olsberg. Dabei sind die landschaftlichen Strukturen sehr vielfältig. Die Höhenlage erstreckt sich von 60 m ü. NN in der Lippetalung bis hin zu 843 m ü. NN auf dem Langenberg bei Olsberg.

Was tut die Forstwirtschaft, um das Problem in den Griff zu bekommen?

Alle arbeiten mit Hochdruck daran, Befallsherde zu finden und Käferbäume aus dem Wald zu schaffen. Eine große Hilfe dabei sind Satelliten-Daten, die den Vitalitätszustand der Bäume erkennen lassen. So kann man gezielt die gefährdeten Waldbereiche absuchen. In den Hochlagen sollen jetzt die Kräfte nochmals gebündelt werden, um die weitere Ausbreitung des Käfers zu stoppen.

Entscheidend bei der Bekämpfung des Borkenkäfers ist es, befallenes Holz schnell einzuschlagen und mitsamt den Käfern aus dem Wald zu schaffen, bevor diese wieder ausfliegen. Dies ist nicht einfach und in den tiefen Lagen wegen der Windwurfmengen in 2018 leider nicht gelungen. Alternativ kann man das lagernde Holz auch mit einem zugelassenen Insektizid begiften. Von dieser Möglichkeit haben aber auch längst nicht alle Waldbesitzenden Gebrauch gemacht. Man sieht gelegentlich entsprechend beschriftete Holzpolter.

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Ist der Einsatz von Insektiziden nicht für Mensch und Umwelt gefährlich?

Die verwendeten Insektizide, die in flüssiger Form auf das am Weg liegende Holz gespritzt werden, sind leider nicht nur für den Borkenkäfer, sondern auch für andere Insekten gefährlich. Deshalb werden sie auch nur als letztes Mittel eingesetzt. Zudem sind sie sehr giftig für Wasserorganismen und dürfen deshalb nicht in der Nähe von Gewässern ausgebracht werden. Für den Menschen geht von ihnen vor allem eine Gefahr bei der Ausbringung aus, z. B. durch Einatmen oder Hautkontakt. Daher ist das Tragen einer Schutzausrüstung vorgeschrieben. Nach dem Abtrocknen des Holzes besteht keine Gefahr mehr. Allerdings sollte man sich bei einer Wanderung zur Pause nicht unbedingt auf gepoltertem Holz niederlassen, dieses anfassen und anschließend sein Brot essen.

Trotz großer Holzmengen steigen zurzeit die Holzpreise und einige Branchen klagen, dass Holz knapp wird. Wie kommt das?

Holz ist international ein sehr gefragter Rohstoff. Insbesondere China und die USA fragen aktuell wegen der wiederbelebten allgemeinen Wirtschaft und der boomenden Bautätigkeit große Mengen zu sehr guten Preisen nach. Daher wird viel exportiert und Schnittholz ist derzeit in Deutschland knapp, obwohl die Sägewerke unter Vollauslastung schneiden. Diese Entwicklung kann durchaus noch längere Zeit andauern.

Wie sieht der Wald der Zukunft im Sauerland aus?

Der Wald der Zukunft im Sauerland wird auf jeden Fall gemischter und bunter aussehen. Die Fichte wird nicht mehr in großen Reinbeständen, sondern in Mischung mit anderen Baumarten auftreten. Neben besser an den Klimawandel angepasste heimische Laub- und Nadelbäumen, also zum Beispiel Traubeneiche, Rotbuche und Weißtanne, werden Baumarten aus anderen biogeografischen Regionen wie Douglasie, Große Küstentanne, Schwarzkiefer, Hemlocktanne, Roteiche, etc. die Palette ergänzen.