Brilon. Für den Leiter im Stadtforst Brilon, Dr. Bub, ist es „ein Horror-Szenario“: Der Wald schrumpft und schrumpft. „Wir müssen uns Sorgen machen.“

Für Forstamts-Chef Dr. Gerrit Bub ist es „ein Horror-Szenario“: Mittelfristig werde es im Briloner Stadtwald keine über 40 Jahre alten Fichten mehr geben. „Eine solche Aggressivität haben unsere Förster noch nicht erlebt.“

Mittlerweile hat sich der Borkenkäfer bereits bis zu den alten Fichtenbeständen auf 700 Metern hochgearbeitet. Und, auch das gehört zum Klimadrama im Wald, wo er keine Nadelbäume mehr findet, greift er auf die Buche und andere Laubholzbestände über. Dr. Bub in der jüngsten Ratssitzung: „Wir müssen uns Sorgen machen.“ Wohl wahr. Die Ertragsverluste summieren sich mittlerweile auf 19 Millionen Euro.

Schon 45 Prozent des Fichtenbestandes verloren

In den vergangenen zwei Jahren hat der Stadtwald rund 45 Prozent seines Fichtenvorrats verloren. Und die bewaldete Fläche schrumpft. Rund 1280 der insgesamt 7750 Hektar sind seit 2018 bereits verloren gegangen. Allein in diesem Jahr lässt der Stadtforst 165.000 Festmeter Holz einschlagen - das ist das Fünffache eines normalen, auf Nachhaltigkeit angelegten Hiebsatzes. Der kalamitätsbedingte Not-Einschlag beläuft sich mittlerweile auf 450.000 Festmeter.

Brilon: Stadt des Waldes gibt Kampf gegen Borkenkäfer auf

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Angesichts des aussichtslosen Kampfes gegen die Käfer hat der Stadtforst seine Strategie geändert, wie Dr. Bub jüngst im Rat auf eine Anfrage der Briloner Bürgerliste (BBL) zur Situation des Stadtforstes erläutert.

Stand lange der Waldschutz durch phytosanitäre Maßnahmen im Vordergrund, das heißt, die gezielte großzügige Herausnahme infektiöser Bäume, um so den Befall weiterer Bestände nach Kräften zu verhindern, so geht es jetzt nur noch um die Begrenzung des finanziellen Schadens. Deshalb, so Dr. Bub, werfe der Stadtforst „möglichst viel Holz in den Markt“.

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Den Einschlag übernehmen dabei die Käufer größtenteils selbst. So entstehen dem Stadtforst keine Kosten. Derzeit sind neun Unternehmer dabei, in sogenannter Selbstwerbung dabei, sich ihre Kontingente aus dem Wald zu holen. Zwischen zwei bis fünf Euro bekommt der Stadtforst dabei noch für den Festmeter „vom Stock“. Und selbst das rechnet sich.

Selbst einschlagen rechnet sich nicht

Denn die rund 18 Euro Aufbereitungskosten sind auf dem Markt nur schwer wieder hereinzuholen. Das lohnt sich noch bei den Top-Sortimenten. Aber auch dafür gebe es derzeit maximal 50 Euro pro Festmeter; vor drei Jahren seien es noch 90 Euro gewesen. Deshalb beträgt der eigene Einschlag nur noch 15 Prozent.

Erst gar nicht mehr aufbereitet wird das sogenannte Industrieholz. Das sind Äste oder besonders astreiche oder durch Wildverbiss geschädigte Stämme oder Stammteile, die sich nicht für die Säge eignen. Vor der Borkenkäfer- und Klimakrise wurde dieses Holz von der Spanplattenindustrie mitverwertet.

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Ein Euro sei pro Festmeter zu erzielen, sagt Dr. Bub. Lediglich der eine oder andere Selbstwerber nehme diese Reste mit.

Das meiste des von den Selbstwerbern eingeschlagene Holz, bisher und 100.000 Festmeter, geht nach Süddeutschland. Dort spielt der Käfer keine Rolle. Diesbezüglich, sagt der Briloner Forstbetriebs-Leiter, sei Deutschland zweigeteilt. Besonders betroffen sei der Norden.

Süddeutschland spart sich sein Holz

Grund: Südlich der Main-Linie habe es in den vergangenen Jahren deutlich mehr geregnet und vor allem sei der Süden von „Friederike“ verschont geblieben. Damit stand den Nadelhölzern dort mehr Wasser zur Harzbildung zur Verfügung, und sie konnten somit den Käfern ihre eigenen Abwehrkräfte entgegensetzen. Und es gab nicht die riesigen Windwurf-Flächen, die der Orkan am 18. Januar 2018 von den Niederlanden her quer durch Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Nordhessen über den Harz bis nach Polen hinterließe - ein ideales Biotop für die Borkenkäfer.

Angesichts des Preisverfalls lohne es sich im Süden derzeit nicht mehr, das eigene Holz einzuschlagen. Deshalb seien derzeit auch mehrere Waldarbeiter aus Süddeutschland im Hochsauerland, weil sie zuhause nichts mehr zu tun hatten. Dr. Bub: „Das kann sich bei einem Orkan oder bei Schneebruch ganz schnell wieder ändern.“

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Zweiter Großabnehmer ist Fernost, und da nach wie vor China der Hauptabnehmer. Wenn mal wieder in Antwerpen oder anderswo ein Frachtschiff beladen wird, rollt die Lkw-Kolonne mit ihren Überseecontainern an. Zeit ist Geld, das gilt vor allem für die Liegezeiten in den Häfen. Am Kahlen Hohl in Petersborn oder am Prinzknapp bei Madfeld kam es zu Klagen über nächtlichen Lärm und verdreckte und beschädigte Straßen. Derzeit eine wichtige Rolle für die zügige Holzabfuhr spielt die Bahn. In Rüthen und Arnsberg stehen Verlademöglichkeiten zur Verfügung.

Bis zur Verladung türmen sich die Stämme entlang der Waldwege. Wie Dr. Bub im Rat sagte, würden jetzt alle diese Polter begiftet.

Aufforstung 10 Millionen Euro

Parallel zu den Waldverlusten betreibt der Stadtforst die Wiederaufforstung. 110.000 Douglasien sind in diesem Jahr bereits gepflanzt worden, hinzu kommen 28.500 Setzlinge sonstiger Nadel- und Laubholzarten. Auf acht bis zehn Millionen Euro schätzt der Forstbetriebschef die Aufforstungskosten, die Maßnahmen gegen Wildverbiss inklusive.

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Wie Dr. Bub sagte, soll ein Runder Tisch eine Zukunftsstrategie für den Briloner Stadtwald erarbeiten. Ein erstes Treffen fand Anfang Juli statt. Fachliche Kompetenz sollen das Holzzentrum Arnsberg und die Hochschule Göttingen beisteuern. Wie wirbt die Uni doch noch für ihren Bachelor-Studiengang Forstwirtschaft: „Der Wald ist ein Multitalent und wir bilden Multitalente für ihn aus.“

Interview. 3 Fragen an Dr. Gerrit Bub, Leiter des Stadtforstbetriebs Brilon

1. Wo sehen Sie den Wald im Sauerland in zehn Jahren?

Nach allem, was wir in den letzten Jahren im Wald erfahren mussten, dürfte sich die Waldlandschaft im vorderen Sauerland dramatisch verändern. Da geht Heimat verloren. Ich sehe aber auch Chancen und bin hoffnungsvoll, dass wir unser Waldvermögen zukunftsfähig gestalten und einen Ausgleich schaffen zwischen den unterschiedlichen Ansprüchen an unseren Stadtwald.

Dr. Gerrit Bub, Leiter des Stadtforstbetriebs Brilon
Dr. Gerrit Bub, Leiter des Stadtforstbetriebs Brilon © Jürgen Hendrichs

2. Ist ein Ende des Käferdramas überhaupt absehbar?

Bezogen auf den Briloner Stadtwald ist leider noch kein Ende absehbar. Die Experten von Wald und Holz NRW gehen davon aus, dass der Gipfelpunkt der Käferkalamität erst 2023 erreicht sein dürfte. Diese Aussage trifft jedoch nur dann zu, wenn zukünftige Orkane ausbleiben und sich die Waldsituation stabilisiert.

3. Welche Auswirkungen haben die Flächenverluste im Briloner Stadtwald eigentlich auf Wild und Jagd?

Unser Wild verliert durch die notwendigen massiven Käferholzeinschläge seine vertrauten Einstände. Langfristig dürften sich jedoch die Äsungsverhältnisse auf den Freiflächen verbessern und es entstehen große Dickungskomplexe. Wir möchten gemeinsam mit unseren Jägern die Situation im Wald besprechen und ein zukunftsfähiges Konzept für Wald und Wild ausarbeiten.