Hochsauerlandkreis/Paderborn. Der Kreistag entscheidet, ob der HSK Gesellschafter des Flughafens Paderborn bleibt. Die WP fragte alle Fraktionen vorab, wie sie abstimmen.
Es gebe, sagt Reinhard Brüggemann, Vorsitzender der SPD-Kreistagsfraktion im HSK, für die Region wichtigere Themen als das Sanierungskonzept für den Flughafen Paderborn-Lippstadt. Stimmt sicher. Gleichwohl betrifft die Zukunft des Haus-Airports des Hochsauerlandes viele Menschen in der Region. Nicht nur jene, die von dort bequem ihre Urlaubs- und Geschäftsreisen antreten. Denn es sind weit mehr als jene rund 165 Beschäftigten der Betreibergesellschaft von der Schieflage betroffen, von denen etwa 100 ihren Arbeitsplatz verlieren sollen. Rund 1000 Menschen arbeiten, so die Geschäftsführung, unmittelbar auf dem Flughafen-Areal -bei Catering- und Gastronomiebetrieben, bei Sicherheitsdiensten, bei Reinigungsunternehmen und Reisebüros, bei Fluggesellschaften und Flugschulen und in anderen Bereichen. Derzeit sei nicht absehbar, wie sich der im Rahmen des Sanierungskonzeptes geplante reduzierte Flugbetrieb auf diese Bereiche auswirken könnte. Morgen, Freitag (9. Oktober), befasst sich der Kreistag mit der Positionierung des HSK als Gesellschafter der Flughafen GmbH. Die Sitzung beginnt um 15 Uhr in der Konzerthalle Olsberg. Vorab hat die WP die sechs im Kreistag vertretenen Fraktionen um ihre Standpunkte gebeten.
Die Varianten
Diese drei Varianten zur weiteren Beteiligung des HSK an der Flughafengesellschaft stehen im Kreistag zur Wahl:
1. Verbleib in der Flughafengesellschaft ohne weitere Einschränkung. Dazu müsste der HSK für dieses Jahr im Rahmen des Sanierungskonzeptes vorläufig 968.000 Euro außerplanmäßig zur Verfügung stellen.
2. Ausstieg aus der Gesellschaft und Übertragung des Geschäftsanteils unter Zahlung des siebenfachen Jahresbeitrags seiner bisherigen Verlustabdeckungspflicht. Dazu müsste der HSK neben seinem o.e. Beitrag zum Sanierungskonzept weitere 700.000 Euro bereit stellen.
3. Verbleib in der Gesellschaft mit der Maßgabe, für sieben Jahren jeweils Verluste von bis zu 100.000 Euro zu übernehmen und danach ohne weitere Verpflichtungen auszuscheiden, wenn die Verluste den Betrag von 2,5 Millionen Euro im siebten Jahr nicht unterschreiten. Der Kostenaufwand beträgt wie bei Variante 2 ebenfalls bei 1.668.000 Euro.
CDU: Variante 3
Die CDU-Fraktion spricht sich nach fraktionsinterner Beratung für die Alternative 3 aus. Damit, so Fraktionssprecher Ludwig Schulte, wolle die CDU „ein Zeichen an die Geschäftsführung zum weiteren Verbleib in der Gesellschaft“ mit der „klaren Erwartung an die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens in den kommenden Jahren“ setzen.
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Schulte: „Der Flughafen ist ein wichtiger Standortfaktor, der auch mit einem reduziertem Flugangebot eine wichtige Funktion für die Region und besonders für die heimische Wirtschaft erfüllt.“ Der Beschlussvorschlag der Alternative 3 habe den Vorteil einer begrenzten Zahlungsverpflichtung, die den sofortigen Ausstieg aus der Gesellschaft nicht übersteige. Zudem gebe diese Variante dem HSK „weiterhin die Möglichkeit der aktiven Mitgestaltung bei der Überwindung der in den letzten Jahren dramatisch veränderten Marktverhältnisse im Luftverkehr“.
FDP: Variante 3
Die FDP sieht „eher ein Ausstiegs- als ein Bleibeszenario“, so Fraktionssprecher Friedhelm Walter. Die Fraktion habe sich in ihrer jüngsten Treffen sehr intensiv mit der Thematik befasst und sich einstimmig für das Ausstiegs-Szenario nach Variante 3 entschieden. Walter will aber nicht ausschließen, dass es durchaus schon „zu einem früheren Zeitpunkt notwendig werden“ könnte, den Flughafen in der jetzt gefundenen Form nicht mehr weiterzuführen, dann nämlich „wenn die bereitgestellten und in der Höhe begrenzten Mittel der Gesellschafter nicht ausreichen“. Sollten „wider Erwarten“ nach Ablauf der sieben Jahren wieder günstigere Rahmenbedingungen für Regionalflughäfen eintreten, könnte die Beteiligung sogar weitergeführt werden.
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Während die Variante 3 also durchaus Möglichkeiten für eine künftige Mitwirkung biete, lägen ihre Nachteile darin, dass es „bisher nur Absichtserklärungen dazu gibt“. Dazu müssten konkrete Verträge abgeschlossen werden. Walter: „Interessanter Weise hat sich in der Sitzung des Wirtschafts- und Strukturausschusses keiner mit der Variante 1 - im Grunde genommen einfach nur weiterfinanzieren - auch nur befasst, so unwahrscheinlich ist sie. Die Variante 2 löst nach Ansicht des FDP-Sprechers „einen Ausstiegsmechanismus aus, der zu einer sofort fälligen hohen Ausstiegssumme führt“ und keine Mitwirkungsmöglichkeit mehr biete. Eigentlich, findet Friedhelm Walter, „müsste auch eine Variante 4 genannt werden“, nämlich der von den Kreisen Gütersloh und Lippe gewählte sofortige Ausstieg. Darüber, sagt Walter, würden jedoch die Gerichte zu entscheiden haben, und das würde „der langjährigen Zusammenarbeit in der Vertretergemeinschaft nicht gerecht“.
SBL: Variante 2
Die Sauerländer Bürgerliste (SBL) erfüllt es zunächst mit Genugtuung, dass auf ihre Forderung hin das Thema jetzt auf Kreisebene öffentlich behandelt wird. SBL-Sprecher Reinhard Loos weist zudem darauf hin, dass die Variante 2, der sofortige Ausstieg durch Vereinbarung mit dem Kreis Paderborn, ebenfalls auf einen Antrag der SBL hin zur Diskussion gestellt werde. Die SBL habe sich dabei an dem Beispiel der Stadt Bielefeld orientiert, die diese Möglichkeit auf Beschluss des Rates hin mit dem Kreis Paderborn ausgehandelt habe. Der Paderborner Kreistag habe dieses Szenario bestätigt. Loos: „Damit ist klar, dass eine Übertragung der Anteile an der Flughafengesellschaft vom HSK an den Kreis Paderborn als Hauptgesellschafter zu diesen Bedingungen möglich ist.“ Die sich daraus ergebende Zahlungsverpflichtung von rund 1,67 Millionen Euro sei gegenüber den anderen kommunalen Gesellschaftern „fair“.
Die beiden anderen bisher vorgeschlagenen Alternativen führten dazu, dass der HSK für wenigstens sieben weitere Jahre Mitgesellschafter des Flughafens bleiben würde. Loos: „Mit etwa vier Prozent Anteil hätte der HSK keinen nennenswerten Einfluss, müsste aber weiter erhebliche Finanzmittel für den Flughafen aufwenden.“
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Generell schätzt die SBL angesichts des zurzeit rudimentären Flugplanes mit seinen beiden täglichen touristischen Flügen nach Griechenland und in die Türkei die ökonomische Perspektive des Flughafens als „sehr ungünstig“ ein. Der Flugverkehr werde weiterhin abnehmen, mit dem Stundentakt ab Paderborn stehe ein attraktive umsteigefreie Bahnverbindung zu den Flughäfen Hannover und Düsseldorf zur Verfügung.
Die SBL bringt als vierte und kostengünstigste Variante den einseitig zu erklärenden Ausstieg des HSK zum Jahresende 2021 ins Spiel. Da der Landrat den SBL-Antrag als „zu teuer“ bezeichnet habe, müsste er, so Loos, „eigentlich konsequenterweise dem Kreistag diese vierte Variante vorschlagen“.
SPD: ?
Die SPD-Fraktion will sich erst in der morgigen Kreistagssitzung positionieren. Erst dann könne man,so Fraktionssprecher Reinhard Brüggemann, alle Daten und Fakten und auch etwaige neue Aspekte berücksichtigen, die sich erst im Verlauf der Diskussion ergäben. Die SPD werde das Kosten-Nutzen-Verhältnis der verschiedenen Varianten für den HSK „in verantwortlicher Weise beurteilen“ und ihrer „Verantwortung für die Region als auch den Flughafen Paderborn in gewohnter Weise nachkommen“.
Dabei gebe es derzeit in der Kreispolitik „weitaus wichtigere Themen als das Sanierungskonzept des Flughafens Paderborn“. Die Bereiche Digitalisierung, Bildung, Pflege, Umwelt und Wald mit seiner Borkenkäfer-Kalamität seien für die Zukunft des Sauerlandes weitaus wichtiger als die Frage, ob und wie sich der Flughafen Paderborn weiterentwickelt.
Die Linke: Variante 2
Die Linke fordere, so ihr Fraktionssprecher Dietmar Schwalm, „schon seit Beginn der aktuellen Wahlperiode den schnellstmöglichen Ausstieg aus der Gesellschaft.“
Der Gesellschaftsvertrag würde dieses aktuell ermöglichen, da eine Insolvenz eine dort beschriebene besondere Situation sei. Schwalm: „Das hätte eigentlich als Variante 4 mit zur Abstimmung gestellt werden müssen.“
Die Linke sei „aber eine solidarische Fraktion“ und wolle die anderen Kreise nicht im Regen stehen lassen. Seine Fraktion favorisiere deshalb die Alternative 2 und die Zustimmung zur Mitfinanzierung des Restrukturierungskonzeptes im Zuge des Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung verbunden mit dem sofortigen Ausstieg aus der Gesellschaft.
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In Variante 1, so Schwalm, gebe es „weiter die Ungewissheit, wie hoch der HSK jährlich tatsächlich zur Kasse gebeten“ werde. Dafür würde dann das Geld für wichtigere soziale Projekte fehlen. Seine Fraktion stehe „Gutachten und Bilanzen immer kritisch gegenüber, da man diese beschönigen“ könne. Bei Variante 3 würden im sechsten Jahr die Zahlen „bestimmt so lauten, dass der Ausstieg dann nicht möglich wäre“.
Bündnis 90/Die Grünen: Variante 2
Die Faktion Bündnis 90/Die Grünen präferiert den Ausstieg aus der Gesellschaft gemäß Variante 2 mit ihrem „für die Zukunft sichren und einschätzbaren Kostenrahmen ohne etwaige Risiken“. Diese Alternative gleiche, so Fraktionsmitglied Matthias Scheidt, der langjährigen Grünen-Forderung zum Ausstieg aus dem Flughafen „auch wenn für uns bisher ökologisch Aspekte noch vor den ökonomischen lagen“. Auch Scheidt verweist auf das Beispiel Bielefeld und dem Ausstieg der Kreise Gütersloh und Lippe: „Die Solidarität unter den Gesellschaftern ist zerbrochen, der Zuschussbedarf sowohl aus ökonomischen, als auch aus ökologischen Gründen nicht zu rechtfertigen.“ Eine weitere Unterstützung des Flughafens im bisherigen Umfang kommt für die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen „nicht in Frage“. Die Variante 3 berge das Risiko, dass der Flughafen nach Ablauf der sieben Jahre zwar weniger, aber immer noch Verluste von bis zu 2,5 Millionen Euro einfahre, was für den Kreis jährlich bis zu 100.000 Euro kosten könne. Zudem sei völlig unklar, ob der Kreistag des Kreises Paderborn dieser Lösung tatsächlich zustimme.