Hochsauerlandkreis/Brilon. Im HSK sind die Corona-Fallzahlen aktuell gering. Gibt es Gründe?Gesundheitsamtsleiter Dr. Peter Kleeschulte erklärt seine Sicht auf die Pandemie
Dr. Peter Kleeschulte ist Leiter der HSK-Gesundheitsamts. Er schildert seine Sicht auf Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Corona-Pandemie im Hochsauerlandkreis und sagt, was getan werden kann, um SARS-CoV-2 einzudämmen.
Im Hochsauerlandkreis bleibt die Zahl der neuen Corona-Fälle seit langem noch auf einem recht geringen Niveau. In anderen Regionen ist die Entwicklung dynamischer. Ist das Glück oder machen wir mehr richtig als andere?
Dr. Peter Kleeschulte: Wenn man in Nordrhein-Westfalen die Entwicklung der Fallzahlen verfolgt, sieht man in der Tat, dass es vielerorts einen deutlichen Anstieg gibt. Häufig sind es größere Städte, aber auch in immer mehr ländlichen Gebiete und Kreisen entwickelt sich die 7-Tage-Inzidenz deutlich nach oben. NRW-weit liegen wir bei einem Durchschnitt von 25,4 und es gibt aktuell nur wenige Regionen, die im einstelligen Bereich liegen. Der Hochsauerlandkreis gehört seit etwa 1,5 Monaten dazu. Das ist natürlich auch eine Frage von Glück oder Zufall. Prinzipiell kann es jederzeit und überall zu einem Infektions-Cluster größeren Ausmaßes kommen. Man sieht das ja auch am Beispiel Hamm. Davor ist auch der HSK nicht gefeit. Aber, wir beziehungsweise meine Mitarbeiter, machen auch einen guten Job. Uns ist es zuletzt gelungen, Infektionsketten schnell und effektiv zu unterbrechen. Ich möchte aber auch betonen, dass die Kollegen in anderen Regionen nicht schlechter arbeiten. Wie schnell auch bei uns Infektionszahlen steigen können, hat man Mitte Juli gesehen, als parallel im Raum Hallenberg/Medebach und in Bestwig in Familienverbünden das Coronavirus die Chance zu Ausbreitung bekam.
Befürchten Sie hinsichtlich der pandemischen Entwicklung einen „heißen Herbst“?
Die Wortkreation „heißer Herbst“ würde ich persönlich nicht nutzen. Wir haben nachweislich steigende Infektionszahlen. Im Vergleich zu vielen Nachbarländern sind die Fallzahlen aber noch recht moderat. Ich denke, wir haben eine andere Situation als im Frühjahr. Wir haben sehr viel mehr Routine im Umgang mit dem Virus. Wir wissen sehr viel besser, welche Maßnahmen wir ergreifen können, um eine Ausbreitung einzudämmen. Aber niemand kann seriös die weitere Entwicklung dieser Pandemie vorhersagen. Wir müssen derzeit weiter lernen mit dem Virus zu leben. Wir haben schon eine lange Strecke hinter uns, aber es liegt auch noch eine lange Strecke vor uns.
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Wir haben derzeit keine Überlastung in der stationären Versorgung und auch eine verhältnismäßig geringe Sterberate. Natürlich ist die Situation derzeit nicht einfach, aber ich denke, wir sollten insgesamt etwas gelassener sein.
Am Gymnasium Winterberg musste das Fallmanagement 130 Kontaktpersonen ermitteln und telefonisch kontaktieren, bei Fällen an anderen Schulen oder Kitas sind die Zahlen ähnlich hoch. Droht bei höheren Fallzahlen und dem Auftreten von Corona parallel an mehreren Bildungseinrichtungen oder bei großen Feiern eine Überlastung des Fallmanagements?
Ein klares nein. Derzeit haben wir zum Bespiel fünf Schulen, die betroffen sind. An einem Tag hatten wir parallel drei Schulen, an denen es Corona-Fälle gab. Wir haben es auch da geschafft, zeitnah alle Kontaktpersonen zu identifizieren und in Quarantäne zu schicken. Wir haben den sicherlich hohen Anspruch dies innerhalb eines Werktages abzuarbeiten. Dafür haben wir ein ausgefeiltes dreistufiges Personalkonzept entwickelt mit Mitarbeitern, die sich vor Ort auch auskennen. Corona rückt im Herbst wieder mehr in den Fokus. Registriert das Gesundheitsamt wieder mehr Anfragen und Beratungsbedarf?Ja, es gibt mehr Bedarf - und zwar verstärkt nach Wochenenden.
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Bei der Hotline rufen insbesondere Reiserückkehrer an, deren Urlaubsort während ihres Aufenthalts zum Risikogebiet wurde. Diese Menschen wollen wissen, was sie jetzt tun müssen. Es gibt aber auch immer wieder Menschen, die ohne zwingenden Grund in eine Region fahren, obwohl sie wissen, dass sie schon Risikogebiet ist. So ein Verhalten kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Da fehlen mir die Worte.
Im Sommer sagten Sie, dass Sie derzeit persönlich nicht ins Ausland fahren würden, da die Corona-Dynamik unvorhersehbar sei und man sich schnell in einem Risikogebiet wiederfinden könne. Diese Einschätzung gilt weiterhin?
Daran hat sich nichts geändert. Sie können zum jetzigen Zeitpunkt innerhalb Europas kaum irgendwo hinreisen, ohne dass es die Gefahr gibt, dass dort innerhalb kürzester Zeit die Fallzahlen stark steigen und das Land oder die Region zum Risikogebiet wird.
Was ist mit Feiern mit 100 oder 150 Menschen? Große Familienfeiern waren zuletzt häufig die „Treiber“ von lokalen Infektionsschwerpunkten. Sehen Sie die Durchführung große Feiern ähnlich kritisch wie Auslandsreisen?
Wir haben in den vergangenen Wochen ja gelernt, dass gerade diese Superspreader-Events Probleme bereiten. Von daher sehe ich das kritisch. Ich gehe aber auch davon aus, dass die Landesregierung die Coronaschutzverordnung auch dahingehend anpasst, sofern die Fallzahlen weiter steigen.
Was wünschen Sie sich für die nächste Zeit im Hinblick auf die Pandemie von Bürgern und Politikern?
Mein Wunsch ist, dass Bürger und Politiker aus den letzten Monaten gelernt haben und die richtigen Schlüsse ziehen. Wichtig ist und bleibt, dass wir uns alle an die Regeln halten, von denen wir wissen, dass sie die Zahlen positiv beeinflussen. Ich wünsche mir aber auch einen unaufgeregteren Umgang mit dieser Pandemie. Wir sollten uns einfach an die Fakten halten und danach handeln.