Marsberg. Ecki Schrader aus Marsberg baut eine Maschine nach einer Skizze von Leonardo da Vinci. Er ist sicher, dass es der Prototyp eines Ur-Uhrwerks ist.

Leonardo da Vinci gilt als das Universalgenie. Er war Maler, Bildhauer, Architekt, Musiker, Mechaniker, Ingenieur, Philosoph und Naturwissenschaftler. Leonardo da Vinci lebte von 1452 bis 1519. Er ist berühmt für die Mona Lisa, das letzte Abendmahl und seine anatomischen Zeichnungen. Neben der Kunst trugen diverse Erfindungen zu seinem Ruhm bei. Deshalb galt er als Tüftler, weit seiner Zeit voraus. Ein Tüftler ist Ecki Schrader aus Marsberg auch. Er hat die wiederverschließbare Getränkedose erfunden und das Salzbergwerk Volpriehausen maßstabgetreu nachgebaut. Weil er, wie berichtet, dem Geheimnis um das verschollene Bernsteinzimmer auf die Spur kommen wollte. Denn er glaubt nicht, dass es bloße Theorie ist, wonach dort das verschollene Bernsteinzimmer unter Schutt begraben liegen soll. Und er bewundert Leonardo da Vinci aus tiefstem Herzen.

Faible für verrückte Technik

Alle Einzelteile seiner Maschine hat Ecki Schrader sorgfältig aus Metall gearbeitet.
Alle Einzelteile seiner Maschine hat Ecki Schrader sorgfältig aus Metall gearbeitet. © Ecki Schrader | Ecki Schrader

Dann kommt Corona und beschert dem gelernten Elektroinstallateur und Musiker Ecki Schrader viel, viel Zeit. Er leitet freiberuflich den Singekreis im DRK-Seniorenheim. Ab Anfang März hatte der 58-jährige Familienvater von drei Kindern keine berufliche Beschäftigung mehr aber seinen Faible für verrückte technische Sachen und mechanische Uhrwerke.

Schon als junger Mann hat er die Taschenuhr seines Opas repariert und die Kirchturmuhr seines Heimatdorfes in Brandenburg auch. Da fiel ihm ein Bekannter ein, der ein mechanischen Uhrwerk nach einer Skizze von Leonardo da Vinci nachbauen wollte.. Das wollte Ecki Schrader eigentlich auch schon immer.

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Er durchforstete im Internet alle Skizzen von da Vinci und blieb an der kleinen Konstruktion hängen, die der berühmte Mailänder Erfinder 1493 auf einem Skizzenblatt neben einem von ihm entworfenen Flugkörper gezeichnet hatte. Ecki Schrader: „Man nahm an, es sollte der Motor sein, der das Fluggerät antreibt.“ Deshalb hätte man ihm wohl keine weitere Aufmerksamkeit geschenkt.

Die Talente von Leonardo da Vinci

Das Allround-Talent Leonardo da Vinci war nicht nur ein großer Maler. Er hat den ersten Fallschirm, einen Taucheranzug und einen Panzer skizziert. Und er träumte vom Fliegen. Der Maler aus Italien beobachtete Vögel und entwickelte Flughilfen, die den Flügeln nachempfunden waren.

Da Vinci setzte aber nicht allein auf die Muskeln als Antriebskraft. Er entwickelte u. a. ein Fluggerät mit Luftschraube, einen Vorläufer des modernen Helikopters. Auch ein Gleitfluggerät entwarf der Tüftler.

Viele Entwürfe da Vincis sind später nachgebaut worden, so wie der spitz zulaufende Fallschirm nach der Originalzeichnung aus dem Jahr 1483. 500 Jahre später im Jahr 2000 bestätigte sich die Praxistauglichkeit von da Vincis Idee. Der Fallschirm funktionierte.

Unscheinbare Skizze

Mit der Handsäge bearbeitet Ecki Schrader das Zahnrad aus Metall an der Werkbank
Mit der Handsäge bearbeitet Ecki Schrader das Zahnrad aus Metall an der Werkbank © Ecki Schrader | Ecki Schrader

Ihn erinnert die kleine unscheinbare Handzeichnung neben dem im Vordergrund stehenden Flugkörper aber eher an etwas ganz anderes: „Die Skizze beschreibt hier offensichtlich erstmalig ein gleichmäßig ablaufendes Räderwerk, dass mit Federkraft angetrieben wird.“ Das Grundprinzip jeder mechanischen Uhr. „Also kein Motor für das Fluggerät“, widerlegt Schrader damit die These. Mechanische Uhren seien zu der Zeit bereits bekannt, erklärt Schrader und ist in seinem Technik-Element. Diese seien bis dahin aber nur durch Gewichte angetrieben worden. Hierfür hätte man entweder Steine oder Gewichte aus Eisen verwendet, die, so Schrader weiter: „durch ihre Schwerkraft dann ein gehemmtes Räderwerk in Gang setzten.“ Die Spindelhemmung sei zu dem Zeitpunkt ebenfalls bekannt gewesen.

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Ecki Schrader ist von der Handzeichnung fasziniert. „Ich wollte sie unbedingt originalgetreu nachbauen.“ Und ergründen, ob und wie sie funktioniert. Dazu erstellt er als erstes von jedem Einzelteil eine technische Zeichnung, schmiedet Zahnräder maßstabgetreu aus Eisen nach, so wie man es vor 500 Jahren zu Zeiten da Vincis gemacht hat, sowie Haken für die Federkränze. Er fertigt Schneckenräder aus Holz, berechnet Triebe und Antriebe. Montiert alles zusammen und findet etwas heraus: „Auf der Zeichnung sieht die Antriebswelle auf den ersten Blick aus, wie eine einteilige Welle.“ Aber damit hätte das Räderwerk nicht lange funktioniert. Er baut eine zweiteilige Welle mit einer besonders genialen Funktion. Diese erkennt er auch mit dem zweiten Blick auf der Skizze. Und tatsächlich. Es funktioniert perfekt. „Um diese Funktion aus da Vincis recht grob gezeichneter Originalskizze herauszulesen, muss man schon dreimal um die Ecke denken“, so Schrader weiter.

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„Und da Vinci hat von vornherein gewusst, das es funktioniert. Unglaublich der Mann.“ Unzählige Experimentierstunden verbringt er in seiner zur Werkstatt umfunktionierten Garage.

Selbstgebautes Räderwerk

Ein Räderwerk, das mittels einer ebenfalls selbstgebauten Kurbel auf beiden Seiten aufgezogen wird, bringt weit über drei Stunden das eiserne Pendel (in Fachkreisen als Waag bezeichnet) gleichmäßig tickend zum Schwingen. Ecki Schrader ist stolz, dass ihm der Nachbau gelungen ist und dass er hinter das Geheimnis der Skizze gekommen ist, das, wie er sagt, 527 Jahre unerkannt geblieben sei.

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„Leonardo da Vinci hat als erster die Idee gehabt, derartige Räderwerke mittels Federkraft anzutreiben.“ Hierbei gebe es aber gewisse technische Probleme. „Eine Feder hat eine so genannte Kraftkurve, was bedeutet, dass mit steigender Federspannung ein immer größer werdendes Kraftmoment auf das Räderwerk übertragen wird, während durch ein herabhängendes Gewicht in etwa immer dieselbe Kraft auf das Räderwerk einwirkt.“ Dieses Problem habe da Vinci nun durch ein konisches Schneckenrad gelöst. Mit steigender Federspannung werde das Antriebsseil auf einen immer dünner werdenden Radius gewickelt. Dadurch ändere sich ständig das Übersetzungsverhältnis und somit bleibe die auf das Räderwerk übertragene Federkraft in etwa gleich. „Dies ist das erste stufenlose Getriebe“, bewundert Schrader den schier unerschöpflichen Einfallsreichtum da Vincis. „Einfach genial.“