Hochsauerlandkreis. Keine Reisen sind möglich, Kunden stornieren Buchungen. Das hat auf zwei Weisen finanzielle Belastungen zur Folge, wie Reisebüro-Inhaber erklären

Sie gehören zu den großen Verlierern der Corona-Krise: Reisebüros. Während Händler noch froh über alles sind, was sie vor den Ladenschließungen noch verkaufen konnten, sieht es bei den Reisebüros im Altkreis Brilon ganz anders aus.

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Im Ticker berichtet die Westfalenpost im Altkreis Brilon täglich über Neuigkeiten zum Coronavirus im östlichen HSK.
Von Jürgen Hendrichs, Jana Naima Schopper, Thomas Winterberg, Jutta Klute, Kevin Kretzler, Annette Dülme, Stefanie Bald, Laura Marie Dicke und Boris Schopper

Denn die meisten gebuchten Reisen können nicht angetreten werden. Einreiseverbote, Flugzeuge heben nicht ab, Reiseveranstalter canceln ihre Angebote und in der Folge müssen die meisten gebuchten Reisen storniert werden. Die Arbeit und der Umsatz vieler Monate sind damit von einem Moment zum anderen verpufft. So reagieren Reisebüro-Inhaber im Altkreis Brilon:

Ute Leisse spürt Corona-Folgen in Winterberg

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„Unsere Arbeit wird nicht honoriert. Es sollte einen gerechten Ausgleich geben von den Veranstaltern, aber mit denen können wir das nicht aushandeln“, sagt Ute Leisse, Inhaberin vom Reisebüro Leisse in Winterberg. Denn die Veranstalter sind kaum zu erreichen. Zu viele Anfragen gehen bei ihnen ein. Auch bei Ute Leisse. Kunden buchen ihre Urlaube auf später im Jahr oder das nächste Jahr um. Hoffnungsvoll, dass bis dahin wieder Normalität in den Reiseverkehr einkehrt.

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„Die Umsätze für die Arbeit aus dem Jahr 2019 fließt jetzt weg. Das Geld müssen wir zurückhalten, falls der Veranstalter es sich holt. Das ist eine starke Belastung“, erklärt sie. Ihr Geschäftsräume sind geschlossen, sie arbeitet die Kundenanfragen und die Stornierungen im Homeoffice ab. Eine Arbeit, die sie nicht glücklich macht und für sie umsonst ist. Da sie nur eine Mitarbeiterin auf 450 Euro Basis hat, musste sie noch keine Kurzarbeit anmelden.

Kunden bleiben ruhig in Gesprächen

Die Kunden reagieren ihrer Meinung nach gefasst auf die derzeitige Situation und die Folgen für ihre Urlaubspläne. „Die Wertstellung der Reisebüros wird den Kunden jetzt mehr bewusst, weil per Mail kein Reiseveranstalter mehr zu erreichen ist. Wenn man einen direkten Partner hat, ist eine andere Basis vorhanden“, beschreibt die Inhaberin den Vorteil der Reisebüros. So führt sie entspannte Gespräche und versucht die Anrufer so gut es geht zu beraten und über ihre Optionen aufzuklären.

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Für solche Fälle hat die Bundesregierung Anfang April beschlossen, dass Veranstalter Kunden Gutscheine ausstellen dürfen und diese bis Ende 2021 gelten. Wenn Verbraucher sie bis dahin nicht einlösen, müssen Veranstalter das Geld auszahlen. Die Zustimmung des Bundestags steht noch aus. Nach den bisherigen Regeln mussten Veranstalter zwei Wochen nach einer Absage das Geld erstatten. Alternativ wird die Reise direkt storniert oder umgebucht.

Provisionen fehlen Reisebüros in jedem Fall

Aber für die Reisebüros verschiebt sich damit das Problem nur. Stornieren Kunden die Reise, ist die Provision aus dem vergangenen Jahr für den Auftrag futsch. Nehmen die Kunden einen Gutschein ab, behalten die Büros die Provision, erhalten aber im nächsten Jahr keine, wenn der Kunde den Gutschein einlöst, denn für den Auftrag gab es ja bereits eine Provision.

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Das sieht Ute Leisse aber nicht so schwarz. „Es ist kurzsichtig, wenn Gutscheine als miserable Lösung dargestellt werden. Das schürt nur mehr Angst. Man darf nicht alles kaputt reden.“ Sie findet es gut, wenn Kunde ihre Reisen zunächst umbuchen. „Wer Reisen liebt, verschiebt“, sagt sie.

Dennoch sieht sie die Auswirkungen von Corona auch kritisch: „Für den Fall einer Krise hätte etwas geregelt sein müssen. Aber das war unser Versäumnis. Wir müssen zusammen für so etwas kämpfen.“

Andreas Kimmlinger, Brilon

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„Wir sind einer der Wirtschaftszweige, der besonders betroffen ist und wir wissen nicht, wie lange uns das noch beschäftigen wird“, sagt Andreas Kimmlinger, Inhaber vom Reisebüro Kimmlinger in Brilon, „Denn wir sind nicht nur abhängig von den Entscheidungen in Deutschland, sondern auch von denen in den Zielländern.“ Jetzt sitzt er in seinem abgeschlossenen Büro. Kurzarbeit musste er bereits anmelden. Während er zu Beginn noch Kontakt zu Kunden hatte, die gestrandet waren, dreht sich auch sein Geschäft mittlerweile nur noch um Stornierungen.

Andreas Kimmlinger ist Inhaber eines Reisebüros in Brilon.
Andreas Kimmlinger ist Inhaber eines Reisebüros in Brilon. © Privat

Viele besorgte Anfragen gehen bei ihm ein, wie es denn mit den Reisen im Sommer sei. Einige Unternehmungen hat er schon auf Herbst, Winter und das kommende Jahr umgebucht sofern das möglich war, wie zum Beispiel bei Kreuzfahrten. „Aber wir erhalten keine Provision, davon leben wir. Das ist richtig übel, daher gucken wir, dass wir die Kosten möglichst gering halten mit verkürzten Öffnungszeiten und Kurzarbeit“, erklärt Kimmlinger. Wer vorbeikommen möchte, kann dies nämlich noch immer machen.

Rücklagen sind notwendig in der Krise

Seit zehn Jahren ist er selbstständig, mit Rücklagen hält er sich über Wasser. Eine Situation wie diese hat er aber noch nicht erlebt. „Der 11. September 2001 war schon schlimm, aber so stark wie jetzt? Das gab es noch nicht. Nicht nur die Fernreise ist jetzt betroffen, sondern sogar der Ostseeurlaub.“

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Interesse an neuen Buchungen ist seiner Erfahrung nach bisher überschaubar. Dennoch merkt er in den Interaktionen mit den Kunden, dass ein Nachholbedarf vorhanden ist. Auch wenn noch unklar ist, wann es dazu kommen wird.

Doreen Wienand, Olsberg

Doreen Wienand ist Inhaberin von Flamingo-Reisen in Olsberg.
Doreen Wienand ist Inhaberin von Flamingo-Reisen in Olsberg. © Privat

„Der Kunde wird gerade zum Kreditgeber mit dem Risiko, dass der Veranstalter dann doch Pleite geht. Wenn sie einen Gutschein bekommen, dann müssen sie ihn auch bei dem Veranstalter einlösen. Wir möchten die Kunden aber gerne unabhängig beraten, daher halte ich nichts von der Lösung“, sagt Doreen Wienand, Inhaberin von Flamingo-Reisen in Olsberg.

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Für sie ist es schwer abzuwiegen, welche Lösung besser ist, aber sie empfiehlt der Kundschaft, dass sie ihr Geld zurückfordern. Auch wenn der ein oder andere Veranstalter das nicht überstehen würde. Auch sie hat Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken müssen und nutzt die Soforthilfe zur Überbrückung der Krise, um „mit Hängen und Würgen im Geschäft bleiben zu können“, wie Wienand sagt.

Doch hundertprozentige Kurzarbeit kann sie sich auch nicht erlauben. Dafür ist zu viel zu tun. Immer wieder vertrauen sich Kunden ihr an mit Problemen und suchen Rat für ihr Urlaubsproblem. „Alleine ließe sich das gar nicht bewältigen“, erklärt die Tourismusfachwirtin.

Gisbert Gerlach, Marsberg

Jegliche Planung ist für Gisbert Gerlach, Inhaber von Holiday Land Reisebüro Gerlach in Marsberg, unmöglich geworden. „Es würde uns schon weiterhelfen, wenn wir wüssten, dass in diesem Jahr keine Reisen mehr möglich sind. Dann könnte ich planen“, sagt er. Seine Arbeit bringt ihm derzeit nichts Positives. Keine Aufträge und kein Feedback von Kunden, das er immer sehr zu schätzen weiß. Stattdessen hofft er, dass der freundliche Service bei zahlreichen Stornierungen dazu führt, dass die Kunden für ihre nächsten Urlaube wieder Vertrauen in sein Reisebüro haben.

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Auch er findet es bitter, dass ihm der Verdienst der vergangenen Monate plötzlich wegbricht. „Wir vernichten hier rückwirkend unsere Arbeit. Da brauchen wir die Hilfe der Politik, aber wir haben eine schlechte Lobby und die Problematik scheint noch gar nicht so bekannt zu sein. Auch den Kunden ist das oft nicht klar“, sagt Gerlach.