Winterberg. . Winterbergs Tourismusdirektor Michael Beckmann hat eine Vision: Er möchte die Olympischen Winterspiele 2026 oder 2030 nach Nordrhein-Westfalen holen.
Michael Beckmann blickt in die Ferne. Auf Winterberg, auf die umliegende Landschaft. Er ist Geschäftsführer der Touristik und Wirtschaft GmbH Winterberg, ein absolut seriöser Mann. Wenn dieser von Olympischen Winterspielen in Nordrhein-Westfalen mit Schwerpunkt im Hochsauerland spricht, ist das nur ein Hirngespinst? Oder ein Marketing-Gag? Mitnichten. Es ist Beckmanns Vision. Im Gespräch mit dieser Zeitung wirft er öffentlich den Hut in den Ring und erklärt sein Vorhaben.
Herr Beckmann, Ihr Brief an die Staatskanzlei nach Düsseldorf, in dem Sie dafür plädieren, dass sich Nordrhein-Westfalen für Olympische Winterspiele bewerben soll, dürfte angekommen sein. Mit welcher Reaktion rechnen Sie?
Michael Beckmann: Ich gehe davon aus, dass Frau Kraft sagt: Super Idee, lassen Sie uns gemeinsam an der Umsetzung arbeiten. (grinst)
Erklären Sie doch bitte, wie Sie auf diese Idee gekommen sind.
Beckmann: Die Idee geistert mir seit Jahren durch den Kopf, aber ich hätte das Thema nicht erneut aufgegriffen, wenn unsere Ministerpräsidentin Frau Kraft nicht von selbst damit angefangen wäre. Bei der Debatte um Olympische Sommerspiele an Rhein und Ruhr habe ich gedacht: Das ist nicht das, was ich mir vorstelle – also habe ich den Brief verfasst.
Sie stellen sich Olympische Winterspiele im Hochsauerland vor.
Beckmann: Das ist kein Winterberger Hirngespinst. Ich denke schon an das gesamte Land Nordrhein-Westfalen, zum Beispiel an Köln oder an Dortmund. Schauen Sie doch auf die Sportarten, die bei Olympischen Winterspielen ausgetragen werden: In NRW fand bereits eine Eishockey-WM statt, ebenso eine Eiskunstlauf-WM. In Grefrath gibt es das Eisschnelllauf-Leistungszentrum. Wir bilden im flachen Eis bereits heute alles ab. Über Bob, Skeleton und Rennrodeln, oder den Bereich Ski nordisch, müssen wir als Winterberger – auch mit Blick auf unsere Nachbarn im hessischen Willingen – gar nicht sprechen. Wir trauen uns das zu.
Welchen Berg erhöhen Sie für die alpinen Ski-Wettbewerbe?
Beckmann: (lacht) Gar keinen. Für diese Wettbewerbe benötigten wir einen Kooperationspartner in Bayern – oder in Österreich.
In Österreich?
Beckmann: Wenn die Kollegen in Bayern nicht wollen, schauen wir halt nach Österreich. Das ist etwas, was bei mir nicht außerhalb der Reichweite liegt. Das Sauerland ist eine Art Brutkasten für den Wintersport. Wer hier nicht Ski fährt, wird sich auch im Hochgebirge schwer tun. Insofern glaube ich, dass die Destination Österreich so einem Thema sehr aufgeschlossen gegenüber steht. Außerdem wäre das nochmal ein neuer Ansatz, Olympische Winterspiele über Grenzen hinweg zu veranstalten.
Herr Beckmann, Hand aufs Herz: Ist diese Idee nicht einzig und allein ein Marketing-Gag, um das Sauerland als Wintersport-Region ins Gespräch zu bringen?
Beckmann: (schmunzelt) Natürlich geht es auch um Marketing. Und ich weiß auch, vor welchen Herausforderungen das Land Nordrhein-Westfalen steht, angefangen bei den Schulen bis zur Integration von Flüchtlingen. Ich habe den Ball nur aufgenommen, was daraus wird, muss man sehen. Dass das eine Vision ist, ist auch klar. Aber ich glaube, dass es trotz aller Probleme, die wir in Deutschland haben, wichtig ist, Visionen zu haben und gemeinsam solche Ziele zu verfolgen.
Mit welcher Reaktion aus Düsseldorf rechnen Sie ernsthaft?
Beckmann: Wenn Frau Kraft sagen würde, wir können das weiterdenken, wäre das ein Riesenthema. Ich hoffe, dass wir zumindest ins Gespräch kommen.
Die Unterstützung vom Land ist die eine Seite. In Garmisch zum Beispiel scheiterte eine Bewerbung jedoch an den Bürgern. Warum sollte das im Hochsauerland anders sein?
Beckmann: Wenn man so ein Thema angeht, muss man das sehr offen und transparent machen. Man darf es nicht über das Knie brechen und muss die Menschen nicht nur davon überzeugen, sondern sie dafür begeistern. Ich glaube, dass unsere ländlichen Regionen so einem Thema eher aufgeschlossen sind als die großstädtischen. Dort gibt es ganz andere Probleme.
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Die Region um Garmisch nennt sich wohl auch eher ländlich.
Beckmann: Garmisch ist zwar ländlich, hat aber eine sehr starke touristische Prägung, die mittlerweile dazu führt, dass sich die Menschen in Teilen vom Tourismus abwenden. Das ist hier nicht der Fall. Im Sauerland sehen die Menschen, welche Erträge der Tourismus mit sich bringt. Sie akzeptieren und honorieren das. Ohne den Tourismus sähen Winterberg oder Willingen anders aus. Das wissen die Menschen.
Alle?
Beckmann: Wir haben diese Erfahrung bei der Bob- und Skeleton-WM 2015 gemacht, wir machen sie bei den jährlichen Weltcups. Natürlich gibt es immer wieder Menschen, die sagen, dass alles zu viel sei, die Verkehrsbelastung und dergleichen. Aber der große Teil der Menschen honoriert die internationalen Sport-Veranstaltungen.
Dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) eilt allerdings der Ruf voraus, von Veranstaltern und Bewohnern viel zu verlangen, den finanziellen Gewinn aber ausschließlich für sich zu reklamieren.
Beckmann: Ohne IOC geht es nicht, das steht fest. Das wäre sicherlich so ein Thema, mit dem man sich beschäftigen müsste, wenn eine grundsätzliche Bereitschaft des Landes Nordrhein-Westfalen vorhanden ist, diese Idee zu unterstützen. Ohne das Land und später den Bund wird eine Umsetzung finanziell ohnehin nicht funktionieren. Insofern sind das jetzt zaghafte Versuche, das Land davon zu überzeugen, dass es neben dem Sommer auch einen Winter in NRW gibt. Und zwar in einer Qualität, die sonst im deutschen Mittelgebirge nicht zu finden ist.
Sind tatsächlich alle Wettkampfstätten bereits vorhanden?
Beckmann:Die einzige Sportstätte in dieser Dimension, die uns fehlt, das muss man fairerweise sagen, ist ein Biathlon-Stadion. Alle anderen sind herzustellen.
Und wo bringen Sie die Athleten, Verantwortlichen und Zuschauer unter?
Beckmann: Wenn Sie sich die Sportstätten-Verteilung anschauen, wird es an Rhein und Ruhr keine Probleme geben. Das Sauerland ist ja eigentlich auch Ruhr-Gebiet, nur ein anderes. (grinst) In der Kernregion im Hochsauerland haben wir eine Bettenkapazität von 27000 Betten. Das ist ausreichend. Zudem würden die Kernsportarten in einem Umkreis von 20 Kilometern stattfinden - das ist in anderen olympischen Orten so nicht der Fall.
Wie schultern Sie die Logistik?
Beckmann: Das wird schwierig und ist natürlich noch nicht geklärt. Darüber würde ich mir Gedanken machen, wenn ein positiver Anruf aus der Staatskanzlei käme. Allerdings: Winterberg und Willingen sind mit der Bahn zu erreichen, wir haben leistungsfähige Transportunternehmer. Bei den Weltcups erfüllen wir bereits etliche logistische Anforderungen. Olympische Winterspiele wären nur eine oder zwei Dimensionen größer.
Für welches Jahr streben Sie eine Bewerbung an?
Beckmann: Ich würde die Spiele ja gerne noch im Job erleben wollen. (lacht) Peking ist 2022 Austragungsort - also für 2026 oder 2030.
Herr Beckmann, haben Sie bereits mit irgendwelchen Experten, mit den Sportvereinen oder den Sportfachverbänden über Ihre Vision gesprochen? Gibt es vielleicht sogar schon prominente Unterstützer?
Beckmann: Intensive Gespräche gab es noch nicht. Aber vor kurzem waren zum Beispiel Karin Orgeldinger, Sportdirektorin für den Bereich Nordisch/Biathlon, und Wolfgang Maier, Disziplin-Trainer Ski alpin, vom Deutschen Skiverband bei uns. Es ging unter anderem um dieses Thema. Ich habe ihnen gesagt, sie sollten sich nicht wundern, wenn wir unseren Hut für Olympische Winterspiele in den Ring schmeißen würden.
Wie war die Reaktion?
Beckmann: Sie sind nicht vom Stuhl gefallen und haben sich vor Lachen gekugelt - weil der DSV das Potenzial der Region längst erkannt hat.
Also liegen derzeit zwei Hüte mit der Aufschrift Bewerbung für Olympische Spiele im nordrhein-westfälischen Ring.
Beckmann: Sommer oder Winter - das ist jetzt die Entscheidung von Frau Kraft. (grinst)