Ludwigsburg. . Gegen den MTV Stuttgart lief es lange Zeit einseitig. Am Ende siegt die KTV Obere Lahn mit 54:28 und gewinnt die Bronzemedaille.
Die „Titans“ haben ihre Medaille: Im Bronze-Wettkampf der Deutschen Turnliga wurde der Verein aus Wittgenstein und dem Hinterland seiner Favoritenrolle vollauf gerecht und setzte sich gegen den MTV Stuttgart mit 54:28 durch. Zwischenzeitlich sah es sogar nach einer handfesten Blamage für die Schwaben aus, da die KTV nach vier von sechs Geräten mit sage und schreibe 48:4 führte.
Zur Halbzeit kam beim KTV-Vorsitzenden Philipp Wiemers ein Anflug von Mitleid auf: „Stuttgart hat bisher so viel verturnt, das ist Wahnsinn. Ich hoffe, die geben sich nicht auf.“ So kam es dann auch: Im letzten Drittel leistete sich die Obere Lahn viele Fehler, die personell gebeutelten Stuttgarter fingen sich am Pauschenpferd und an den Ringen, diesmal die abschließenden Geräte – dadurch war es am Ende nicht mehr ganz so deutlich.
Die frühe Vorentscheidung war natürlich in erster Linie ein Ausdruck der Klasse der KTV Obere Lahn. „Die ersten drei Geräte waren irre. Ich bin sprachlos und fasziniert von dieser Geschichte“, staunte KTV-Sportwart Albert Wiemers und nannte zwei Faktoren: „Stuttgart fehlte natürlich Sebastian Krimmer, aber uns hat auch die veränderte Geräte-Reihenfolge in die Karten gespielt.“
Wettkampf mit Eigendynamik
Los ging es am Sprung, wo Stuttgart gut war, die Lahntaler aber noch besser – dank höherer Ausgangswerte stand eine 8:4-Führung. An Barren, Reck und Boden lief es dann wie am Schnürchen, Stuttgart reihte Fehler an Fehler. In Summe gingen diese Geräte 40:0 aus.
Für Wiemers ein Beleg dafür, wie sich eine Eigendynamik entwickeln kann: „Auf der einen Seite hast du Adrenalin ohne Ende, alle pushen sich. Und umgekehrt kannst du eingeschläfert und verunsichert werden, wenn man sieht, dass man wie gegen Windmühlen kämpft.“
Die Psyche ist ein Faktor, entscheidend ist aber in erster Linie das Können – und an Boden, Sprung, Barren und vor allem am Reck hätte die heimische Riege auch eine Teilnahme am großen Finale nicht scheuen müssen.
Vor allem Fabian Hambüchen, Fabian Lotz, Jakob Paulicks, der weit gereist Thao Hoang und Andrey Likhovitskiy überzeugten auf ganzer Linie mit hohen bzw. höchsten Schwierigkeiten. „Unsere vier Reck-Übungen waren allerfeinster Sport“, formulierte es Albert Wiemers.
Störrisches Pferd
Erst als Sebastian Quensell am Pferd aus dem Rhythmus geriet und absteigen musste, endete der sagenhafte Lauf, auch Fabian Lotz (Pferd) und Moritz Müller (Ringe) verzeichneten im weiteren Verlauf Stürze, während die Stuttgarter zeigten, was eigentlich in ihnen steckt. Doch da war alles längst entschieden.
„Moritz hat einen neuen Abgang probiert, der nicht geklappt hat und am Pferd passieren schon mal Abgänge. Aber vielleicht war die Konzentration auch schon ein bisschen runter“, meinte Lotz, der „froh“ war, noch Bronze geholt zu haben.
Fabian Lotz blickt auf wechselhafte Saison
Der Bickener sieht im Rückblick eine komische Saison, die einer Achterbahnfahrt geglichen habe: „Wir hatten das Ziel, um die Meisterschaft kämpfen. Gegen Stuttgart ging es nicht so gut los, aber dann kam der Sieg gegen Straubenhardt.“
Die Euphorie erhielt im Sommer durch die Verletzungen von Lukas Dauser und Nick Klessing aber bekanntlich zwei ganz schwere Dämpfer. Lotz: „Da haben wir eigentlich nicht gedacht, dass wir noch eine Medaille holen können, waren dann aber doch überraschend konkurrenzfähig. Dass es dann nicht für das große Finale gereicht hat, war blöd und unglücklich.“ Bronze war am Ende vor allem für die jungen Turner wie Moritz Müller, Lasse Gauch und Karim Rida eine Riesensache. Albert Wiemers: „Dafür haben sich alle wahnsinnig ins Zeug gelegt. Ein Riesenkompliment an diese Mannschaft.“
Traumhafter Abschied für Jasper Vennemann
Eigentlich ging es um nichts mehr, denn die Entscheidung war längst gefallen. Und doch war die Ringe-Übung von Jasper Vennemann noch mal ein Stimmungsmacher im Lager der KTV Obere Lahn. Der 36-Jährige, ältester Turner der ersten Liga, beendete den Wettkampf um Bronze als letzter Ringe-Turner und damit zugleich seine Zeit als Leistungssportler.
Einziger Wermutstropfen war, dass er vier Punkte an Stuttgarts Alexey Rostov abgeben musste. „Ich dachte, das kann doch nicht wahr sein, dass es wieder mich erwischt hat“, schmunzelte er darüber, dass er in seinem sechsten Saisonwettkampf zum vierten Mal gegen den Ausländer des Gegners ran musste.
KTV Obere Lahn gewinnt Bronze beim Hambüchen-Abschied
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Punkte-System der Deutschen Turnliga ein Volltreffer
Zufrieden ist der Hamburger dennoch, denn keines dieser Duelle gab er mit 0:5 ab, schlug sich also jedes Mal achtbar – auch diesmal. Winkelstütz, Grätschwinkelstütz, Krafthandstand und diverse Schwünge meisterte Vennemann problemlos und erzielte 12,70 Punkte. Grund genug für ihn, ausgelassen zu jubeln – über Bronze und einen gelungenen persönlichen Abschluss. „Ich habe mein Zeug gemacht, auch wenn es komisch war, vorher drei Stunden nur rumzuhängen.“
Vennemann macht Schluss, weil er Papa wird und sich auf Dauer chancenlos sieht: „Wir sind so viele Jungs, dass wir heute kaum in unsere Box gepasst haben. Wenn Nick und Lukas wieder dabei sind, bin ich nur noch Nummer fünf oder sechs. Das ist eine gute Truppe, die kommen auch ohne mich zurecht.“
Vennemann: „Die Liga hat sich extrem entwickelt“
Vennemann, der nach dem Wettkampf den Vorsänger am Megaphon gab, blickt zurück auf zehn Jahre an der Lahn, trug zum Aufstieg in die Erste Liga bei und war beim Gewinn der Silbermedaille im Jahr 2013 dabei. „Die Mannschaft hat sich mittlerweile extrem verändert“, spielt er darauf an, dass von „damals“ in der kommenden Saison nur vier Turner übrig sein werden: Andrey Likhovitskiy, Sebastian Quensell, Fabian Lotz und Thore Gauch.
In der Deutschen Turnliga war Jasper Vennemann 20 Jahre aktiv und staunt, was sich getan hat. Die Einführung des Score-Punkt-Systems und der Finals seien eine große Erfolgsgeschichte: „Die Liga hat sich extrem entwickelt. Es ist alles viel größer geworden. Die Zuschauerzahlen, das Medieninteresse, die Namen“, erzählt Vennemann: „Damals haben die Top-Leute die Bundesliga höchstens nebenbei mal mitgenommen, heute lässt sich das keiner nehmen, weil es lukrativ ist. Es ist ein Wahnsinn, wie viele Weltklasse-Leute hier heute dabei waren.“
Andrey Likhovitskiy ist jetzt ein „500er“
Kaum einer kann am Pauschenpferd so lange: 44 Sekunden lang reihte Andrey Likhovitskiy eine Kehre an die andere – und verzog wie immer keine Miene. Mit seinen 14,20 Punkten lieferte „Mister Zuverlässig“ eine Übung auf Weltklasse-Niveau und verhinderte mit vier Punkten gegen Alexander Maier für die KTV ein völliges Debakel an diesem Gerät.
Zugleich überschritt er in seiner persönlichen Bilanz damit die Marke von 500 Score-Punkten in der Bundesliga (502 Punkte in 40 Wettkämpfen) – vielleicht vergleichbar mit der 100-Tore-Marke in der Fußball-Bundesliga. Eine „ewige“ Scorer-Statistik führt die DTL nicht – bisher dürfte aber nur eine handvoll Turner diesen Wert erreicht haben.
„Jeder Punkt ist gut für den Verein, jeder Wettkampf und jede Übung muss man gut vorbereiten. Es ist nie leicht“, ist der 30-Jährige aus Biedenkopf stolz auf seine Langzeit-Leistung. Dem Jugendtrainer der KTV ist ein persönlich gutes Abschneiden wichtig: „Ich bin jedes Mal zufrieden, wenn ich das T-Shirt [des Top-Scorers; Anm. d. Red.] bekomme.“
Lukas Dauser als Turner des Jahres geehrt
KTV-Star Lukas Dauser ist nach seinem Kreuzbandriss zwar noch im Aufbautraining und war am Samstag nur zum Coachen und Anfeuern dabei, kam aber noch zu einer Einzelehrung. Als Vize-Europameister am Barren und Deutscher Mehrkampfmeister wurde er als Deutscher Turner des Jahres ausgezeichnet. Platz 2 ging an Philipp Herder (Siegerländer KV). Bei den Frauen wurde Schwebebalken-Weltmeisterin Pauline Schäfer von der Fachjury zur Turnerin des Jahres gewählt worden. Auf den Plätzen folgten Tabea Alt und Elisabeth Seitz.
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