Biedenkopf. . Über einen geretteten Punkt freuen oder über eine vergebene Siegchance ärgern? Eine klare Antwort auf diese Frage gab es im Lager der KTV Obere Lahn nach dem 34:34 zum Start der Kunstturn-Bundesliga gegen den MTV Stuttgart nicht. Die Gesichter der Turner und die Reaktion des Publikum sprachen aber in der Mehrheit von Enttäuschung

Über einen geretteten Punkt freuen oder über eine vergebene Siegchance ärgern? Eine klare Antwort auf diese Frage gab es im Lager der KTV Obere Lahn nach dem 34:34 zum Start der Kunstturn-Bundesliga gegen den MTV Stuttgart nicht. Die Gesichter der Turner und die Reaktion des Publikum sprachen aber in der Mehrheit von Enttäuschung

„Am Ende fühlt es sich an wie eine Niederlage“, machte Star-Neuzugang Lukas Dauser aus seinem Herzen keine Mördergrube. Zu dieser Ansicht dürfte beigetragen haben, dass die KTV als leicht favorisiert in den Wettkampf gegen die nur zu sechst turnenden Schwaben ging. Aber auch, dass Dauser die Lahntaler vor dem letzten Reck-Duell erstmals mit einem Punkt in Führung gebracht hatte und es dann doch „nur“ zum Remis reichte, weil auf eine tolle Vorstellung von Fabian Lotz eine um einen Hauch bessere Übung des Stuttgarters Philipp Sorrer folgte.

Das Kampfgericht musste sogar – das gibt es selten – einige Pfiffe über sich ergehen lassen, doch dem mochten sich die KTV-Macher nicht anschließen. „Das Ergebnis ging schon in Ordnung. Im Verlauf des Abends hätten wir uns umgekehrt zwei Mal über eine schlechtere Wertung nicht beklagen können“, wiegelte Sportwart Albert Wiemers ab und kam auf die positiven Erkenntnisse zu sprechen. Die Wichtigste: Die KTV Obere Lahn ist nicht mit einer Niederlage gestartet.

„Dumm wäre gewesen, wenn wir verloren hätten“, wies Wiemers darauf hin, dass man die komplette Saison über einem Rückstand gegenüber dem Bronze-Sieger der Vorsaison hätte hinterherlaufen müssen. So ist es nur der 5:7-Rückstand in der Gerätwertung, doch das ist kompensierbar.

Selbstverständlich war es keineswegs, dass die Obere Lahn mit einem blauen Auge davon kam, denn die Riege erwischte keinen guten Tag, verturnte ungewohnt viele Übungen – das kleine, aber bärenstarke Stuttgarter Team lag deshalb zur Pause mit sattem Vorsprung von 26:14 vorne. „Ein Riesenkompliment an die Mannschaft, dass sie sich mental noch mal am Schopf gepackt und rausgezogen hat. Das war eine irre Leistung“, sagte Albert Wiemers, während ihm Gästetrainer Valeri Belenki zu einem guten Wettkampf gratulierte

Der bekam diese Gratulation umgehend zurück. Denn trotz allem Ärger über Fehler darf auch die Tatsache nicht unter den Tisch fallen, dass Liga-übergreifend in Biedenkopf die meisten Turnpunkte erzielt wurden – auch Straubenhardt und die TG Saar blieben hinter den 317,90 (MTV) und 316,05 Zählern (KTV) zurück. „Wir haben gezeigt, welches Potenzial wir haben“, sagte Dauser, der gestern „nur“ in der zweiten Hälfte des Wettkampfs sein Leistungsvermögen voll abrief.

Besonders an den ersten drei Geräten lief es nicht nach Plan. Am Boden kamen mit Thao Hoang, Dauser und Colin van Wicklen drei „Neue“ zum Einsatz, die jeweils überzeugten. Doch dann fand sich Nick Klessing zweimal auf dem Hosenboden wieder – 8:6-Führung für Stuttgart. Am Pferd, dem stärksten Gerät der Stuttgarter, wurde es noch deutlicher, weil einzig Spezialist Sebastian Quensell punktete.

Hier „erwischte“ es Andrey Likhovitskiy mit einem Absteiger, dem nach einer Fußverletzung und Trainingsrückstand eine Verlagerung misslang – das gab es in 32 Bundesliga-Einsätzen bisher nur einmal.

Unerwartet war indes, dass sich der 10:19-Rückstan an den Ringen noch einmal vergrößerte – hier war vor allem ein Sturz von Lukas Dauser („Ich habe die Orientierung verloren“) ein Schlag ins Kontor. Am Sprung und am Barren blies die KTV zur Aufholjagd, verzeichnete durch einen nicht gestandenen Überschlagdoppelsalto von Klessing nur noch einen Patzer und glich zum 30:30 aus (siehe Ergebnis-Übersicht).

Am Reck kam es zur Nervenschlacht – und es spricht für das Niveau des Wettkampfs, dass alle acht Turner ihre jeweils hochwertigen Übungen sauber durchbrachten. Überragender Mann des Abends war Stuttgarts Neuzugang Artur Dalaloyan, der nur knapp hinter dem Ergebnis beim Gewinn der Silbermedaille bei der Mehrkampf-EM zurückblieb und einen Mehrkampf mit 84,55 Punkten turnte – absolute Weltklasse.