Berlin. . Die Verletzung von Lukas Dauser war ein Stimmungs-Killer bei den Deutschen Meisterschaften. Bei der KTV Obere Lahn müssen sich nun andere zeigen.
Die Stimmung in der Berliner Max-Schmeling-Halle war prächtig, doch plötzlich war es beklemmend still unter den 6000 Zuschauern. Grund war ein Sturz von Lukas Dauser, der bei den Deutschen Meisterschaften im Geräteturnen nach spektakulärem Abgang an den Ringen mit dem rechten Knie wegknickte, mehrere Sekunden auf der Matte liegen blieb und aus der Halle getragen werden musste. Dabei gab es aufmunternden Applaus für den Bundesliga-Turner der KTV Obere Lahn, der in einer Trikot-Sonderanfertigung angetreten war – vorne mit dem Berliner Bär für seine Wahlheimat, auf dem Rücken mit dem Logo der TSV Unterhaching, seinem Stammverein.
Die erste Diagnose von Nationalmannschafts-Arzt Hans-Peter Boschert bestätigte sich gestern. „Das vordere Kreuzband ist ab“, berichtete Albert Wiemers, Sportwart der KTV Obere Lahn, was die Magnetresonanztomographie ergab. Er ergänzte: „Das ist eine Katastrophe.“
Für Dauser und den Deutschen Turnerbund ist es eine, weil er die Weltmeisterschaften im Oktober in Montreal verpasst. Für die KTV ist es eine, weil der frischgebackene Deutsche Mehrkampfmeister die zweite Hälfte der Bundesliga-Saison verpassen wird. Der 23-Jährige muss sich auf sechs bis acht Monate Pause einstellen. Kommende Woche wird Dauser in München operiert, der geplante zweiwöchige Sardinien-Urlaub mit Freundin Viktoria fällt aus. „Bis er wieder voll da ist, dauert es mindestens ein Dreivierteljahr. Schade, er war gerade so gut drauf.“
„Eine Verletzung kommt immer zum falschen Zeitpunkt, aber dieses Jahr ist das wahrscheinlich unwichtigste in diesem Olympia-Zyklus. Ich komme wieder“, erklärte Dauser gegenüber dem SID. Was sein Saison-Aus für die KTV Obere Lahn bedeutet, mochte Wiemers gestern noch nicht in letzter Konsequenz abschätzen. Klar ist, dass die Chancen der Lahntaler erheblich geschmälert sind. Und dies gerade mal zwei Wochen nach dem furiosen Sieg über Titelverteidiger Straubenhardt, der die Träume vom erstmaligen Gewinn der Deutschen Meisterschaft genährt hatte.
KTV Obere Lahn droht kein Absturz wie Wetzgau
Für einen ausländischen Turner ist meist hochkarätiger Ersatz zu bekommen, der Ausfall des besten Deutschen hingegen ist in der DTL ein Albtraum. Beispiel TV Schwäbisch Gmünd-Wetzgau: Nach Bronze im Jahr 2015 stürzte der Klub im vergangenen November in die 2. Bundesliga ab, nachdem sich Andreas Toba verletzt hatte – ebenfalls als Deutscher Mehrkampfmeister, ebenfalls am Kreuzband.
Dergleichen droht den Turnern aus Wittgenstein und dem Hinterland natürlich nicht – mit den bisher erzielten fünf Punkten ist noch nie jemand abgestiegen. Und auch für die „Quali“ zum DTL-Finale (erste vier) stehen die Chancen noch gut.
Hoffen auf Rückkehr von Fabian Hambüchen
Um Siege gegen die KTT Heilbronn, den SC Cottbus und die Siegerländer KV zu holen, steckt noch genügend Substanz im Kader – doch vor allem gegen letztere wird sich das Wiemers-Team nicht viele Fehler erlauben dürfen. Einzig gegen Spitzenreiter TG Saar wäre die KTV ohne Dauser Außenseiter, an einem guten Tag und mit Heimvorteil jedoch nicht chancenlos.
Vier bis acht Turnpunkte – je nach Tagesform – dürften ohne den Spitzenmann pro Wettkampf fehlen. Viel wird auch davon abhängen, ob Reck-Olympiasieger Fabian Hambüchen bis zum Neustart wieder fit sein wird, da er Dauser an Sprung und Ringen in Summe gleichwertig ersetzen könnte – ansonsten ist dies nicht möglich.
„Vor allem nicht am Barren“, stellt Wiemers fest, betont aber: „Auch ohne Lukas können wir an jedem Gerät sechs gute Männer aufbieten.“ Im Herbst werden sich also die bisher weniger gefragten Lasse Gauch (Boden, Pferd, Sprung), Thore Gauch (Barren, Reck), Moritz Müller (Boden, Ringe, Reck), Jasper Vennemann (Sprung, Ringe) sowie Karim Rida (Boden, Pferd) wieder häufiger zeigen dürfen.
Jugend-DM macht Albert Wiemers Freude
Letzterer wurde am Mittwoch übrigens Deutscher Jugend-Mehrkampfmeisters der höchsten Altersklasse (M17-18). „Dort zuzusehen, hat richtig Spaß gemacht“, freute sich Wiemers, nachdem bei den „Großen“ neben dem Sieg von Dauser auch Nick Klessing (Platz vier) sowie Fabian Lotz, Lasse Gauch und Jakob Paulicks mit den Plätzen 18 bis 20 ordentliche Mehrkampf-Leistungen zeigten. Wiemers: „Da war nicht alles gut, aber es waren an einzelnen Geräten auch geniale Geschichten dabei.“