Finnentrop/Bamenohl/Erndtebrück. Die „Rückkehr“ mit dem TuS Erndtebrück zu seinem Heimatverein SG Finnntrop/Bamenohl am kommenden Sonntag wäre um ein Haar geplatzt.

Tim Schrage entging dem Malheur nur um Haaresbreite. Im Spiel gegen den ASC Dortmund am Sonntag leistete sich der 31-jährige Oberliga-Fußballer des TuS Erndtebrück ein Foul.

Gesicht und Gestik des Unparteiischen schalteten schon auf Gelb. Schrage bat den Schiedsrichter: „Bitte nicht! Am nächsten Sonntag möchte ich gegen meinen ehemaligen Verein spielen.“ Der dramatische Dialog hatte einen Hintergrund. Tim Schrage: „Es wäre meine fünfte Gelbe gewesen. Da hätte ich am Sonntag beim Spiel in Bamenohl gefehlt. Ich war schon das ganze Spiel über vorsichtig.“

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Der Schiri beließ es bei einer Ermahnung. Wie sehr Tim Schrage eine Sperre ausgerechnet am 28. November ins Herz getroffen hätte, wird bei der sportlichen Vergangenheit des 31-Jährigen klar. Ehe er im Sommer zum TuS Erndtebrück wechselte, war er ein Gesicht der SG Finnentrop/Bamenohl und ihrer atemberaubenden Erfolgsgeschichte. Er war es, der die Mannschaft 2015 in die Westfalenliga schoss. Der Schuh, mit dem er seinerzeit in der 87. Minute das entscheidende 3:2 gegen Werdohl erzielte und 800 Zuschauer in Ekstase versetzte, ist im Klubhaus in einer Vitrine ausgestellt.

Vor sicherlich großer Kulisse

Und dann sollte die Rückkehr an die Stätte seiner größten Erfolge scheitern? Wegen einer Gelben Karte? Das hätte noch gefehlt. „Ich freue mich drauf“, antwortete Tim Schrage auf die obligatorische Frage nach dem kommenden Sonntag. 2G ist kein Hindernis. Hat er. Die wahre „Booster-Impfung“ für die Motivation ist sein Blick auf das Spiel in Finnentrop/Bamenohl. „Das wird sicher vor einer großen Kulisse stattfinden“, schätzt er. Wann immer er Zeit findet, ist er dort am Sportplatz. Die Kontakte zu den Ex-Kameraden sind noch da, auch nach seinem Vereinswechsel ins ferne Wittgensteiner Land gibt es wie früher gemeinsame Unternehmungen. Überwiegend mit Hasan Dogrusöz, mit dem Tim Schrage auch beim SV 04 Attendorn zusammen gespielt hat. „Aber auch zu vielen anderen habe ich noch Kontakt.“

Auch von den Fans der SG Finnentrop/Bamenohl wird Tim Schrage bei seinen Besuchen in der alten Fußballheimat freundlich empfangen. Es ist kein Geheimnis, dass einige im Umfeld den Offensivspieler, diesen besonderen Typen, noch gerne im schwarz-grünen Trikot sehen würden. Er selbst fühlt sich beim TuS Erndtebrück wohl, „und ich werde sicherlich auch in der nächsten Saison dort spielen“, blickt er jetzt schon in die Zukunft bis 2023.

Von 10 bis 19 Uhr unterwegs

Die Fahrten machen ihm nichts aus. „40 Minuten von Helden“, sagt er. Andererseits liegt Erndtebrück am südlichen Rand Westfalens, mancher Gegner am nördlichen. Da kommen jede Menge Kilometer zusammen. Vreden sei die längste Tour gewesen, erinnerte sich Tim Schrage. „Da waren wir von 10 Uhr bis 18, 19 Uhr unterwegs.“

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Sportlich läuft es gut für ihn. Während er in seiner ersten, dann abgebrochenen Saison, in den acht Spielen nicht allzu viele Einsätze hatte, ist er 2021/22 richtig auf Touren gekommen, hat die komplette Vorbereitung beim TuS Erndtebrück mitgemacht und in allen Partien bislang von Anfang an gespielt. Nur ein einziges Mal ist er ausgewechselt worden – aber da stand es auch schon 4:0 für seine Elf.

Am Sonntag kann Tim Schrage seinem ehemaligen Verein richtig weh tun. Finnentrop/Bamenohl steckt tief im Abstiegskampf, braucht jeden Punkt. Sollte er wirklich treffen, wird er dann jubeln? Die Frage ist nicht abwegig. Denn im Fußball hat es sich ja mittlerweile eingebürgert, aus Respekt vor seinem Herzensverein ein Tor dezent oder gar nicht zu feiern. „Ich freue mich dann auf jeden Fall“, mochte Tim Schrage auch nicht irgendetwas schönreden, „man ist Fußballspieler, und dann gibt man alles dafür, dass die Mannschaft die Punkte holt. Auch wenn es mir dann ein bisschen leid tut für die Bamenohler Jungs.“

Kompliziert gestaltet sich das Ereignis, das ja noch gar nicht eingetreten ist. Komplizierter als ein Tor gegen Clarholz, Rheine oder Vreden. Die Verbindung zur H&R-Arena in Bamenohl ist ein ganz anderes Kaliber. „Ich freue mich natürlich, wenn Finnentrop/Bamenohl in der Liga bleibt“, sagt er und man glaubt es ihm. Umso schwieriger ist es, ein Wunsch-Ergebnis zu benennen. „Ein Unentschieden wäre am Sonntag wahrscheinlich für beide Seiten das Beste.“ Ob Ralf Behle da zustimmt?

Kein Favorit

Tim Schrage rechnet auf jeden Fall mit einem schweren Spiel. „In Bamenohl gewinnt man nicht so eben, das hat auch eine Mannschaft wie Gütersloh zuletzt erfahren.“ Er glaubt auch nicht, dass der TuS Erndtebrück favorisiert in das Spiel reingeht. „Vor allen Dingen, wenn man sieht, wie sie ihre Spiele verloren haben, oft in den letzten Minuten. Das sind auch vier, fünf Punkte, die man dazu zählen kann. Dazu kommt noch das Nachholspiel.“ Das ist beim TuS Haltern.

Tim Schrages Vorteil ist, dass er den Gegner in- und auswendig kennt. Mit welchem Gegenspieler rechnet er? „Da ich jetzt eine andere Position spiele, nicht mehr Linksaußen wie in Bamenohl oft oder vorn im Spiel, bin ich in Erndtebrück eher auf der Zehn. Ich kann mir gut vorstellen, dass ich da mit Moritz Kümhof zu tun haben werde. Ich weiß nicht, ob er vielleicht einen offensiveren Part übernimmt. Oder ich mit Jerome König.“Mit wem er es aber auf jeden Fall zu tun haben will, bezieht sich auf die dritte Halbzeit. Da möchte er gern ein Bier trinken. „Mit Berthold, Friedhelm und Walter“, sagt er. Wie bitte? Tim Schrage lacht: „Sie wissen, wer gemeint ist.“

Nicht minder heiß auf die Rückkehr nach Finnentrop/Bamenohl ist Robin Entrup, ebenfalls eine langjährige Größe bei der SG, aber ebenfalls nun beim TuS Erndtebrück aktiv. „Noch dreimal schlafen“, lachte er am Donnerstag bei unserem Telefonat. Fußballerisch ist dann Weihnachten für den Ex-Bamenohler. Wie die Bescherung ausfallen wird? Abwarten.

Mit wem er es am Sonntag zu tun haben wird, ist eine brisante Frage. „Je nachdem wo ich spiele, könnte das Hasan Dogrusöz sein.“ Unangenehm. „Wir kennen uns gut, ich war auf seiner Hochzeit, sind gut befreundet“, sagt er, „und gegen einen guten Kumpel zu spielen, wo man vielleicht auch mal zulangen muss, gehört dazu. Ich kenne keinen Freund und keinen Feind beim Fußball. Ich will mit meiner Mannschaft gewinnen.“

Der eine oder andere Spruch

Robin Entrup rechnet mit einem freundlichen Empfang in der H&R-Arena. „Ich habe ein relativ gutes Verhältnis zum gesamten Verein“, so der schussstarke Spieler, „mit den Spielern bin ich im Reinen. Auch mit den Fans. Was natürlich während des Spiels ist, kann ich nicht voraussagen. Da könnte vielleicht der eine oder andere Spruch kommen. Das kann ich ab. Nach dem Spiel ist alles gegessen.“

Ob Robin Entrup und Tim Schrage die beiden einzigen Ex-Bamenohler sind, die mit Erndtebrück auflaufen, ist noch nicht sicher. Denn Burhan Tuncdemir, bislang nicht allzu oft zum Einsatz am Erndtebrücker Pulverwald gekommen, hat ganz gute Karten, am Sonntag dabei zu sein. Entrup: „Könnte sogar sein, dass er spielt, weil wir durch die 2G-Regel ein paar Ausfälle haben.“