Finnentrop/Bamenohl.. Um 16.49 Uhr schlug der SG Finnentrop/Bamenohl am Sonntag die größte Stunde in ihren 103 Jahren Vereinsgeschichte.
Mit dem Schlusspfiff des Spiels gegen die FSV Werdohl und dem nun amtlichen 3:2 (0:0)-Sieg wurde gestern Wirklichkeit, was vor der Saison niemand, aber auch niemand für möglich gehalten hatte: Die SG Finnentrop/Bamenohl ist Fußball-Westfalenligist.
Ein Jubel-Orkan in grün und schwarz fegte über den Kunstrasen. Entfesselt von den 800 Zuschauern drumherum und den Spielern, Ersatzspielern und Betreuern, die den Platz stürmten, sich untereinander begruben und eine Freude ausstrahlten, die nur der nachvollziehen kann, der dieses irre Spiel live miterlebt hat.
Zwei Doppelschläge
Denn: Auf einen Doppelschlag zur 2:0-Führung der SG antwortete Werdohl ebenfalls mit einem Doppelschlag zum 2:2, ehe Tim Schrage in der 79. Minute den 3:2-Siegtreffer markierte. Ein Krimi? Mehr. Eine Achterbahnfahrt, ein Schleuder-Waschgang, eine emotionale Tortur.
Einer fehlte im allgemeinen Jubel: Trainer Frank Rottstock. „Ich musste mich erstmal fünf Minuten in eine Ecke zurückziehen,“ sagte er still.
An was hat er gedacht in diesen fünf Minuten? „An nichts,“ antwortete er. Es war eine Zeit zum Runterfahren. Der Versuch, das zu fassen, was eigentlich so kurz nach der Vollendung noch nicht fassbar war. „Uns haben einige vor der Saison als Absteiger gehandelt,“ sagte Rottstock, „aber das war nie ein Thema.“
Ein Aufstieg wohl auch kaum. „Nein. Der auch nicht. Ich brauche zwei, drei Tage, um das zu begreifen,“ brachte Kapitän Phillip Hennes heraus, „es ist ein Traum.“
Volksfeststimmung - Totenstille
Vor allem war es eine ungeheure mentale Stärke der Mannschaft, die diesen Triumph ermöglicht hat. Man muss sich das vorstellen: Da wartet alles auf das erlösende Führungstor, endlich fällt es durch einen Kopfball von Tobias Kleppel. Und das 2:0 durch Phillip Hennes gleich hinterher. Der Zug war im Gleis und brauchte nur noch weiterzufahren. Der Station Westfalenliga entgegen.
Doch zum Entsetzen aller sprang er kurz vor dem Ziel aus den Schienen. Werdohl glich durch zwei Tore in 180 Sekunden aus. „Wir sind bescheuert,“ so kommentierte Spielertrainer Mike Schrage diesen Verlauf, „ich dachte ehrlich nach dem 2:2: Das war’s“. Dort, wo gerade noch Volksfest-Stimmung herrschte, war es plötzlich totenstill.
Kippt das Ganze jetzt? Immerhin hatten die Finnentrop/Bamenohler deutlich mehr Körner gelassen als Werdohl. Von der ersten Minute an hatten die Gastgeber auf das 1:0 gedrängt. Und dann, als es galt, nach dem 2:2 zurückzukommen und sich mit aller Macht die verspielte Führung wiederzuholen, musste man befürchten, dass die Kräfte schwinden könnten bei diesen hohen Temperaturen.
„2:0 hat uns zu sicher gemacht“
Es kam ganz anders. Dank Tim Schrage. Es war es, der den Treffer setzte, auf den Werdohl dann keine Antwort mehr fand. Kühl schob er die Kugel an FSV-Torwart Simon Felbick flach vorbei ins Netz und stürzte die ganze Szenerie in einen Freudentaumel.
„Wir haben es wieder einmal spannend gemacht. Die beiden Tore von Tobias Kleppel und Philipp Hennes machten uns zu sicher. Wie schnell ein Ausgleich fallen kann, mussten wir erleben,“ so Siegtorschütze Tim Schrage nachher, „der Pass in die Gasse ließ mir keine andere Möglichkeit als zu verwandeln. Jetzt wollen wir feiern, wir haben uns das verdient.“
Diese Rückkehr ins Spiel war eine Energieleistung, die höchsten Respekt abnötigt, zumal die Mannschaft mit einem Schnitt von 21,7 Jahren sehr jung ist. „Eine große Teamleistung,“ war Torwart Alexander Klur stolz auf seine Kameraden. Klur freut sich auf die neue Liga und auf alte Bekannte: „Mit Langscheid/Enkhausen habe ich schon mal gegen die SpVg Olpe gespielt. Jetzt treffe ich sie wieder.“
Die Feiern auf dem Rasen wollten kein Ende nehmen, die Überglücklichen holten das ganze Repertoire an Tänzen und Gesängen raus.
Mittendrin auch Mathes Kremer, der die Mannschaft bis 2014 trainiert hatte. Ihn verbindet eine Freundschaft zu seinem Nachfolger Frank Rottstock. Wer es nicht glaubt, wäre spätestens beim Anblick der Gratulation des einen an den anderen eines Besseren belehrt worden. Sie verlief tränenreich.
2005 der Aufstieg in die Bezirksliga, 2011 in die Landesliga, jetzt Westfalenliga. Eine phänomenale Entwicklung, die dieser Verein da hingelegt hat. Das neueste Kapitel will jetzt erstmal verarbeitet sein. Und begossen. Frank Rottstock: „Wir feiern, bis hier abgeschlossen wird. Und den Schlüssel, den habe ich!“