Hagen. .

Grandiose Stimmung auf den Rängen kennt er vom eigenen Arbeitsplatz bestens, ohrenbetäubenden Jubel inklusive. Ausgesprochen beeindruckt zeigte sich Sebastian Kehl aber auch vom Spektakel einige Nummern kleiner in der Nachbarstadt. „Einfach geile Stimmung hier“, staunte der Kapitän des deutschen Fußballmeisters Borussia Dortmund, „wir haben ein super Spiel erlebt.“ Kehl hatte aber auch den idealen Zeitpunkt für seinen ersten Besuch bei den Bundesliga-Basketballern von Phoenix Hagen erwischt. Mit BVB-Teamkollege Patrick Owomoyela sah er den 94:87 (46:36)-Triumph des Außenseiters gegen Alba Berlin. Nach Vize Ulm und Meister Bamberg schockten die Hagener den nächsten Branchenriesen in der mit 3145 Zuschauern erneut ausverkauften Enervie Arena, in der die Berliner weiter sieglos sind.

Der Countdown war bei vier angelangt, als Ingo Freyer triumphierend die Arme in die Höhe reckte. Hallensprecher Uwe Schröer zählte die letzten zehn Spielsekunden herunter, diesmal drohte dem Phoenix-Trainer und seinem Team aber nicht mehr - wie gegen Bamberg - eine Verlängerung. Zeit für pure Freude auf Parkett und Tribünen war schon nach der regulären Schlusssirene, inmitten seiner ausgelassen tanzenden Spieler wurde auch Freyers immer länger werdende Lockenpracht wieder etwas derangiert. Wieder geordnet, aber immer noch reichlich stolz auf seine Schützlinge bekannte der Coach etwas später: „Nach dem Sieg gegen Bamberg wollten wir unbedingt das emotionale Niveau halten. So sind wir rausgegangen, haben Berlin zu Beginn überrannt und gemerkt, dass wir heute eine Chance haben.“

Hagens Defensive steht

In der Tat ließen die Gastgeber dem Euroleague-Teilnehmer, der noch am Freitag in Athen aktiv war, mit intensivster Defensivarbeit und stetem Doppeln kaum Luft zum Atmen. Nach dem 9:7 (3. Minute) brauchten die Hagener ganze zwei Minuten für den Zwischenspurt bis zum 21:7, beim 28:11 (8.) durch Davin White saß auch der fünfte von fünf Dreiern. Alba wirkte völlig verunsichert ob dieser Energie, ihre körperliche Überlegenheit an den Brettern konnten die Berliner nur selten ausnutzen.

Dass es so kaum weitergehen würde, war abzusehen, bis zum 37:18 durch den gewohnt bissig gegen DaShaun Wood und Heiko Schaffartzik verteidigenden Ole Wendt (13.) blieb der Abstand dennoch konstant. Und nur einige unnötige Flüchtigkeitsfehler verhinderten eine noch höhere Führung. Fast folgerichtig fand der Favorit besser ins Spiel, vier Phoenix-Minuten ohne Korb nutzte Deon Thompson zu zehn Punkten in Serie (37:28, 17.).

Nun agierte Alba auf Augenhöhe, zumal die Gastgeber in der Verteidigung an Intensität verloren. Und weil auch die Trefferquote aus der Distanz nachließ, schlossen die Berliner ganz zügig auf. Beim 48:49 (14.) durch Yassin Idbihi führten sie erstmals, hier konnten Adam Hess und White noch kontern (53:49). Um die letzte Viertelpause aber schien sich die Cleverness des Titelaspiranten doch durchzusetzen. Schaffartzik ärgerte Phoenix mit seinen Dreiern gehörig, Nihad Djedovic sorgte für die höchste Führung (59:65, 31.).

Freyers Schachzug zieht

Ein Signal für die Hagener, den Alba-Aufbau wieder verstärkt unter Druck zu setzen. Was gerade Wendt nachhaltig gelang, mit etlichen Ballverlusten zeigten die nach strapaziösem Wochenprogramm ermüdeten Berliner Wirkung. Nur bis zum 70:74 (35.) hielt Wood die Gäste vorn, auch beim 77:76 (37.) durften sie dank ihm noch hoffen. Dann zog Freyers Schachzug - kurz mit kleiner Aufstellung ohne Center-, der Dreier des nun traumhaft sicheren Hess und David Bell nach schnellem Ballgewinn besorgten die entscheidende Führung (82:76) 150 Sekunden vor dem Ende.

Zwar verkürzte Alba noch einmal auf 88:85, doch 28 Sekunden vor der Sirene verlor Sasa Obradovic die Nerven zur Unzeit. Nach einem Foulpfiff gegen sein Team zeterte der Berliner Coach nach Kräften, kassierte ein technisches Foul - und der starke Larry Gordon beantwortete mit vier verwandelten Freiwürfen alle Fragen nach dem Sieger. „Hagen hat taktisch einen guten Job gemacht“, attestierte Obradovic später. Das freute auch die Prominenz auf der Vip-Tribüne. „Wir hatten mit der kompletten Familie viel Spaß“, bekannte Sebastian Kehl: „Das wird sicher nicht das letzte Mal gewesen sein, dass ich hier war.“

  • Statistik: Phoenix Hagen - Alba Berlin 94:87 (46:36)
  • Phoenix Hagen: Bell (14, 2/6 Dreier, 3 Ballverluste), Hess (17, 5/7 Dreier), Dorris (11), Kruel (2), Wendt (7), Gordon (19, 5 Rebounds, 5 Assists, 3 Ballverluste), Lodwick, Gregory (8, 6 Rebounds, 4 Blocks), White (16, 1/3 Dreier, 4 Assists).
  • Alba Berlin: Schaffartzik (13, 3/6 Dreier), Thompson (18, 5 Ballverluste), Fülle, Djedovic (13, 6 Assists, 6 Ballverluste), Wood (21, 4/6 Dreier), Traore (14, 3 Blocks), Foster (1), Idbihi (4, 8 Rebounds), Morley (3).
  • Viertel: 28:16, 18:20, 13:27, 35:24.
  • Teamstatistik: 50:52 % Wurfquote, 10/17:8/18 Dreier, 22/24: 21/24 Freiwürfe, 24:34 Rebounds, 14:23 Ballverluste, 15:22 Assists, 13:6 Ballgewinne, 4:3 Blocks.
  • Zuschauer: 3145 (ausverkauft)