Wetter/Hagen/Land‘s End. „JoGLE“ klingt nach Joggen, ist aber ein Etappenrennen über 1369 km. So gehört Vize-Weltmeister Adrian Rewig zum Trio im Ziel:

Der nächste sportliche Wettkampf erscheint geruhsamer für Adrian Rewig. Mit der zweiten Mannschaft des SC Königsspringer Hagen/Wetter tritt er am Samstag bei Turm Hohenlimburg II an, zum Saisonabschluss in der Bezirksliga des Schachbezirks Iserlohn. „Das kann auch schon mal ein paar Stunden dauern“, widerspricht der Hagener etwas. Aber was sind „ein paar“ im Gegensatz zu 192 Stunden, in Worten einhundertzweiundneunzig. So lange war Rewig zuletzt unterwegs, hat deshalb auch zwei Liga-Partien seiner Königsspringer verpasst, die ihre Spielabende in der Villa Vorsteher in Wetters Kaiserstraße austragen. Harmlos „JoGLE“ nennt sich der Wettkampf, den der Ultraläufer im Großteil des März absolviert hat. Und bei dem er nach 17 Tagen als einer von nur drei Finishern in Land‘s End in der Südwest-Ecke Englands ins Ziel gelaufen ist. „Ein anderer Läufer hat gesagt, das ist das härteste Rennen der Welt. Dem kann ich nur zustimmen“, sagt Rewig. Und der 41-Jährige hat mit etlichen Ultralauf-Abenteuern - zuletzt wurde er Vizeweltmeister im 6-Tage-Lauf - eine gewisse Expertise.

Adrian Rewig (links) im Ziel mit den anderen beiden Finishern und den ausgeschiedenen Teilnehmern.
Adrian Rewig (links) im Ziel mit den anderen beiden Finishern und den ausgeschiedenen Teilnehmern. © Ultra Running Limited | Ultra Running Limited
Im kalten Schottland lief Adrian Rewig noch in warmer Kleidung mit Mütze.
Im kalten Schottland lief Adrian Rewig noch in warmer Kleidung mit Mütze. © Ultra Running Limited | Ultra Running Limited

Was ein bisschen nach Joggen klingt, ist ein Langstrecken-Ultralauf, den selbst der langen Rennen ausgesprochen zugeneigte Adrian Rewig als „wahnwitzig“ bezeichnet. „Bevor ich den JoGLE gelaufen bin, habe ich gedacht, der Sechs-Tage-Lauf sei das härteste“, sagt er, „aber das wurde noch einmal getoppt.“ Während der Hagener vor Jahresfrist im italienischen Policoro in knapp einer Woche 800 Kilometer lief, um Vizeweltmeister zu werden und da vor allem mit dem Schlafentzug zu kämpfen hatte, zog sich der Lauf quer durch Großbritannien - von „John O‘ Groats“ im Nordosten Schottlands nach „Land‘s End“ (JoGLE) - über die Dauer eines Jahresurlaubs hin. „Einmal komplett quer über die Insel“, beschreibt Rewig, „über eine berühmte Route, die viel von Radfahrern genutzt wird.“

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In geplanten 17 Tagesetappen von etwa 80 Kilometern liefen die nur sieben Teilnehmer - neben fünf Briten und einem Chinesen war Rewig der einzige Deutsche im Feld - insgesamt 1369 Kilometer. Immer im Rhythmus Aufstehen, Frühstücken, Start um sechs Uhr in der Frühe, Laufen bis zu 13 Stunden, Abendessen, Körperpflege, Schlaf im Teamhotel. „Gerade am Anfang sind wir im Dunkeln losgelaufen und im Dunkeln wieder angekommen“, sagt Rewig: „Das ist die längste Strecke, die ich jemals zu Fuß zurückgelegt habe.“ Und eine Strecke, bei der es häufig nur ein oder zwei Ultraläufer bis ins Ziel schaffen, manchmal aber auch gar keiner. Diesmal war das Rennen schnell wie nie, der britische Sieger Justin Montague kam nach 146:44 Stunden ins Ziel, satte 40 Stunden schneller als der bisheriger Rekordinhaber. „Justin war eine Rakete, hat den bisherigen Rekord pulverisiert“, sagt Rewig, der knapp hinter dem Chinesen Lucong Geng (190:56) als Dritter Land‘s End erreichte. Schneller als die Sieger von 2019 und 2022 belegt der Hagener mit seiner Zeit von 192:15 Stunden nun Platz vier der JoGLE-“Hall of Fame“.

Ein anderer Läufer hat gesagt, das ist das härteste Rennen der Welt. Dem kann ich nur zustimmen.
Adrian Rewig - Ultraläufer und Schachspieler

Für die zweite Mannschaft des SC Königsspringer Hagen/Wetter spielt Adrian Rewig Schach.
Für die zweite Mannschaft des SC Königsspringer Hagen/Wetter spielt Adrian Rewig Schach. © Verein | Verein

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Dass Rewig bei dieser Parforce-Tour aber überhaupt bis zum Ende durchhielt und nicht wie die vier anderen Teilnehmer zwischenzeitlich ausstieg, war zwischenzeitlich keineswegs gewiss. „An Tag sieben habe ich überlegt, ob ich überhaupt weitermachen soll“, sagt er. Ab Renntag drei im „richtig kalten“ Schottland bekam er Probleme mit einer Entzündung unterhalb des Schienbeins, an Tag sieben, an dem es auch noch heftig regnete, nahmen die Schmerzen zu: „Jeder Schritt mit rechts tat richtig weh.“ Tags darauf nach Regeneration und Körperpflege probierte er es trotz des Schienbein-Kantensyndroms weiter - und konnte laufen, weitere zehn Tage. „Für mich war es gut, dass meine Freundin mich begleitet hat, sie hat mir viel abgenommen“, sagt er, „ich bin mir nicht sicher, ob ich es sonst geschafft hätte.“

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TorTour de Ruhr

Der nächste Ultralauf, den Adrian Rewig plant, falls es seine Schienbeinverletzung zulässt, führt ihn durch die Heimatregion. Am Pfingstwochenende (18./19. Mai) ist er für den Lauf TorTour de Ruhr gemeldet, der seit 2008 alle zwei Jahre über die Gesamtstrecke des Ruhrtalradwegs führt. Die Läufer haben maximal 38 Stunden Zeit, die 230 Kilometer lange Strecke von der Ruhrquelle bis zur Mündung in Duisburg am Rheinorange zu bewältigen. Es gibt auch Strecken über 160 und 100 km, letztere startet in Herdecke.

Allmählich wurden danach auch die Etappen, die vorwiegend über Landstraßen ohne Seitenstreifen, manchmal aber auch durch Nationalparks führten, kürzer. Und in England das Wetter besser. Gesellschaft gab es im Rennen der nur noch drei weit auseinanderliegenden Ultraläufer zudem. „Ich war darauf eingestellt, dass es ein ziemlich einsames Rennen wird“, sagt er, „aber wir wurden immer wieder von ehemaligen Siegern begleitet.“ Auf der letzten, nur 31 Kilometer langen Etappe waren dann auch die schon Tage zuvor ausgeschiedenen Teilnehmer wieder dabei. Und in Land‘s End erwarteten den Hagener dann neben seiner Freundin auch der in Cornwall lebende Brasilianer Rodrigo Freeman, mit dem er bei der 6-Tage-WM den Bungalow geteilt hatte. „Es macht mir einfach Spaß, mit anderen auf lange Reisen zu gehen“, erklärt Adrian Rewig seine Motivation für Extrem-Läufe: „Das war die Reise hin zu einem Freund.“ Die nächsten hat der schachspielende Ultraläufer schon in Planung, eine besonders lange lockt im nächsten Jahr: Eine abgespeckte Variante des Transeuropa-Laufs soll dann 41 Tage dauern. Dann wird er den Königsspringern länger fehlen.