Herdecke. Einen prominenten Gast im Online-Treffen hatten die Handballer der HSG Herdecke/Ende. Es ging um Schiedsrichter, von denen es zu wenige gibt.
Es gibt zu wenig Handball-Schiedsrichter, das Problem kennt auch die HSG Herdecke/Ende. Mittlerweile hat es der aktuelle Landesligist gelöst, deutschlandweit fehlen jedoch weiter 10.000 Unparteiische. Das bekannte Wolfgang Jamelle, Schiedsrichterchef des Deutschen Handball-Bundes (DHB), der virtuell zu Wochenbeginn bei den Herdeckern zu Gast war. Und plauderte im Online-Treffen mit Nachwuchs-Referees und Trainern der HSG aus dem Nähkästchen. Der Abend mit prominentem Gast hinterließ bleibenden Eindruck.
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Auch die HSG Herdecke/Ende hatte vor einigen Jahren noch das Problem, zu wenig junge Leute animieren zu können, im Namen des Vereins Meisterschaftsspiele zu pfeifen. Die Sanktionen waren drastisch: Neben Geldstrafen, die der Klub zahlen musste, durfte man sogar in einer Saison keine Vorbereitungsspiele ausrichten. „Wir haben Jahre gelitten, weil wir zu wenige Schiedsrichter hatten“, sagt HSG-Vize Werner Kreft. Bis man intern Strategien entwickelte und den Job des Schiedsrichters für den Nachwuchs attraktiv gemacht hat. Ein Vereinsverantwortlicher, der sich um die gesamte Schiedsrichterthematik kümmert, wurde mit Daniel Dolleck etabliert. Inzwischen kann man sogar mehr Unparteiische als nötig stellen. „Das ist super. Wir müssen dahin kommen, viele junge Leute für den Schiedsrichterjob zu begeistern“, sagt Kreft: „Es braucht einen Generationswechsel.“
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16 Jahre Bundesliga-Referee
Von diesem positiven Beispiel ist auch Wolfgang Jamelle, Chef aller Unparteiischen des deutschen Handballs, angetan, der den Herdeckern Rede und Antwort stand. Der Kamener war über Jahrzehnte einer der besten deutschen Referees und 16 Jahre in der Bundesliga aktiv, seit 2016 ist er DHB-Schiedsrichterwart. Und erklärte sich sofort bereit, sich mit den Herdeckern zu treffen. „Ich fand den Austausch sehr interessant“, hob Daniel Dolleck später hervor: „Ein so prominenter Gast hat bestimmt auch für die Trainer einen interessanten Einblick geben können.“
Zur Person: Wolfgang Jamelle
Wolfgang Jamelle war über Jahrzehnte lang einer der besten deutschen Handball-Schiedsrichter. Von 1982 bis 1998 pfiff der Kamener in der Bundesliga. Unendlich viele strittige Sachverhalte in wichtigen Spielen hat er in seiner mehr als 30-jährigen aktiven Schiedsrichter-Karriere entschieden. Auch nach seiner aktiven Zeit ist der ehemalige Polizist dem Handball und dem Regelwesen treugeblieben. Nach einigen anderen hohen Funktionen ist er seit 2016 der Schiedsrichterwart des Deutschen Handball-Bundes.
Zu Jamelles Aufgaben gehört die Ausbildung neuer Profi-Schiedsrichter für die Bundesliga, die Konzeption der Lehrgänge und die Organisation der verschiedenen Schiedsrichterkader im DHB. Der Handball habe sich in den letzten Jahren verändert, sagt er im virtuellen Gesprächszimmer, alles sei schneller und körperbetonter geworden: „Als ich gepfiffen habe, konnten wir nach einem Tor ganz entspannt zur Mittellinie gehen. Heute ist da viel mehr Tempo drin.“ Ein großer Baustein seiner Arbeit sei die Etablierung neuer Medien in den Sport. Das Regelwerk ist inzwischen online abrufbar und über Video- und Schulungsplattformen können heute die theoretischen Teile der Schiedsrichterprüfung von zuhause erledigt werden. Für die Praxis geht es dann aber wie gewohnt in die Halle.
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Riesen-Problem bei Schiedsrichtern
All das sind auch Methoden, um die Schiedsrichter-Ausbildung attraktiver zu machen. „Im Moment fehlen in Deutschland 10.000 Schiedsrichter. Wir bräuchten eigentlich 30.000, haben aber nur 20.000“. sagt Jamelle: „Das ist ein Riesen-Problem für uns.“ Helfen soll demnächst ein hauptamtlicher Beschäftigter beim DHB für die Schiedsrichter, der sich federführend um die Gewinnung neuer Unparteiischer kümmern soll. Die Personalie ist ein Meilenstein: Noch nie gab es einen Hauptamtlichen, der sich in Vollzeit um Schiedsrichter-Angelegenheiten kümmerte - Jamelle und sein Stab arbeiten ehrenamtlich. Zum Vergleich: Beim großen Bruder, dem Deutschen Fußball-Bund, gebe es mehr als 20 Hauptamtliche im Schiedsrichterwesen, berichtet Jamelle.
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Am Ende wurde noch fleißig diskutiert, Jamelle nahm sich viel Zeit für die Fragen der Teilnehmer. Und Werner Kreft berichtete von einer längst vergangenen Bundesliga-Partie, in der Jamelle - in den Augen des HSG-Vizes - eine Fehlentscheidung unterlaufen sei. „An das eine Spiel kann ich mich nicht mehr erinnern“, schmunzelte Jamelle: „Aber klar ist: Wir Schiedsrichter sind keine Roboter und machen auch Fehler.“ Auch fachliche Fragen wurden detailliert erläutert, die Definition von Stürmerfouls und der Videobeweis waren ebenso Themen wie mögliche Regeländerungen, die gerade in einer Kommission verhandelt werden. Nach gut eineinhalb Stunden ging aufschlussreicher Abend vorbei. „Wir machen viel für Trainer und Spieler“, sagte Kreft: „Dieser Abend sollte eine Wertschätzung für unsere Schiedsrichter sein.“