Hagen. Die US-Guards Kyron Cartwright und Jermaine Bishop kämpfen sich mit Basketball-Zweitligist Phoenix Hagen durch die Saison. Was ihnen Halt gibt.
Nach dem Ende dieses Kräfte zehrenden und so wohltuenden Sieges gegen Nürnberg saßen Kyron Cartwright (24) und Jermaine Bishop (23) noch lange auf dem Hallenboden der Krollmann Arena. Die US-Guards von ProA-Ligist Phoenix Hagen dehnten ihre geschundenen Muskeln, studierten den Statistikbogen und witzelten herum. Das Leben auf dem Basketballfeld kann so einfach und so schön sein. Jedenfalls dann, wenn der Körper mitmacht, und man so leidenschaftlich spielen kann, wie man sich das eben vorstellt.
Für Cartwright und Bishop ging es nach dem bitter nötigen Erfolgserlebnis gegen die Falcons wieder zurück in ihre Spieler-WG in der Hagener Innenstadt. Dem Ort, an dem sie sich viel mehr aufhalten, als es ihnen lieb ist. Gewissermaßen leben die Guards in einer „Bubble“, verlassen die eigenen vier Wände eigentlich nur, um zur Halle zu fahren oder um Einkäufe zu erledigen. Gut vier Wochen musste das Phoenix-Team wegen Covid-19-Fällen in den eigenen Reihen bereits in Quarantäne. Vier Wochen Spielpause. Vier Wochen Hausarrest.
Corona-Saison eine mentale Herausforderung
Für die Spieler eine mentale Herausforderung, und das ganz besonders für die, deren Familie und Freunde zig tausend Kilometer entfernt leben. „Es ist auf jeden Fall eine verrückte Saison. Wir sind fast nur in unserer Wohnung, schauen Filme, spielen Videospiele, telefonieren mit unserer Familie oder machen Heimtraining“, erzählt Jermaine Bishop, der in Hagen seine erste Saison überhaupt als Profibasketballer bestreitet.
Und sein WG-Nachbar Cartwright, immerhin schon in seinem dritten Profijahr, räumt ein: „Natürlich fragt man sich schon mal, ob man nicht lieber zu Hause bei seiner Familie wäre, anstatt immer in der Wohnung zu sitzen. Aber Heimweh gehört zu unserem Job dazu. Basketball ist unsere Profession, und am Ende des Tages ist es das, was wir lieben.“
Weihnachten sinnlos ohne die Familie
Was den beiden schnellen und flinken Basketballern dabei den Halt gibt, um diese Saison auch mental durchzustehen: Videoanrufe mit der Familie. Und zwar jeden Tag. „Ich spreche täglich mit meinen Eltern, gehe sicher, dass es ihnen auch gut geht“, erzählt Cartwright, der aus Compton in Kalifornien stammt. Und Bishop, dessen Familie in Queens/New York lebt, nickt zustimmend: „Es ist definitiv hart, in diesen Zeiten so weit von den Menschen weg zu sein, die man liebt. Aber ich bin erleichtert, dass meine Eltern gerade nur von zu Hause arbeiten und es ihnen gut geht.“
Wie groß das Heimweh ist, wurde besonders in diesen Tagen deutlich: Weihnachten haben Bishop und Cartwright nicht gefeiert, in ihrer Wohnung sind auch kein Weihnachtsbaum oder sonstige festliche Dekorationen zu finden. „Weihnachten ist das Fest der Familie, Geschenke sind mir ehrlich gesagt egal“, betont Cartwright, „wenn ich nicht bei meiner Familie sein kann, dann feiere ich auch kein Weihnachten.“
Konstanz ist Herausforderung für Phoenix
Immerhin ist das Phoenix-Team seit rund einem Monat wieder voll im Trainings- und Spielbetrieb, hat aber weiterhin mit den Folgen der coronabedingten Spielpause zu kämpfen. Konstanz ist die große Herausforderung für die Hagener ProA-Basketballer, die nach ihrem Re-Start Trier deutlich besiegten, sich dann aber gegen Paderborn und Schwenningen zwei empfindliche Klatschen einfingen. Die lange Saisonvorbereitung war quasi futsch, die Mannschaft von Cheftrainer Chris Harris läuft ihrer Form hinterher.
„Unsere Teamchemie ist noch nicht da, wo sie sein sollte. Wir müssen erst noch zueinander finden“, findet Cartwright. Die körperliche Form der Mannschaft ist heterogen – und die beiden WG-Partner sind das beste Beispiel dafür. „Ich fühle mich aktuell ziemlich gut“, sagt Jermaine Bishop, während Kyron Cartwright ein paar Sekunden überlegt und tief Luft holt: „Es ist schwierig zu sagen, an manchen Tagen fühle ich mich bei 90 Prozent, an anderen nur bei 60 Prozent.“
Kyron Cartwright gegen Nürnberg umgeknickt
Cartwright knickte zudem auch noch im Heimspiel gegen Nürnberg um und musste von Physio Jonas Müller-Preuß behandelt werden. Gegen Bremerhaven wird der smarte Aufbauspieler aber wohl auflaufen können (Mittwoch, 19 Uhr, Krollmann Arena). „Es bleibt uns nichts anderes übrig, als von Spiel zu Spiel zu schauen und fokussiert zu bleiben“, sagt der Kalifornier. Das hilft dabei, das Saisonziel Playoffs nicht aus den Augen zu verlieren. Und natürlich helfen Siege. Siege wie gegen Nürnberg, die das Basketballer-Leben zumindest vorübergehend wieder einfach und schön machen.
+++ Info +++
Aufbauspieler Kyron Cartwright kommt in bislang fünf Saisonspielen auf durchschnittlich 10 Punkte und 4,8 Assists.
Jermaine Bishop, der auf den Positionen Point Guard und Shooting Guard variabel einsetzbar ist, weist ähnliche Statistiken auf: 10,5 Punkte und 3 Assists.