Hagen. Vladyslav Ivanets stammt aus der Ukraine und hat in Hagen eine neue Heimat gefunden. Für ihn ist Judo viel mehr als nur ein Sport.

Als Vladyslav Ivanets vor knapp zwei Jahren aus der Ukraine nach Deutschland flüchtet, kann er nur zwei deutsche Wörter sprechen: „Ich konnte Hallo und Tschüss sagen, mehr nicht“, erinnert er sich. Dennoch nimmt der heute 29-Jährige seinen Mut zusammen und stellt sich, wenige Monate nach seiner Ankunft in Deutschland, im Fitnessstudio Halverscheids an der Heinitzstraße vor. „Mit Händen und Füßen habe ich erklärt, dass ich gerne als Judo-Trainier arbeiten würde“, berichtet Vladyslav Ivanets. Manfred Halverscheid, der mehr als 60 Jahre Judo-Erfahrung hat und Sohn Filip Halverscheid geben dem jungen Ukrainer eine Chance.

Mit sieben Jahren hat Vlad Ivanets in seiner Heimatstadt Odessa in der Ukraine mit Judo angefangen: „Meine Mutter meinte damals, ich solle das mal ausprobieren. Das habe ich gemacht und dann viele Jahre jeden Tag trainiert. Ich habe in der Ukraine ebenfalls für zwei Jahre als Judo-Trainer gearbeitet.“

Ivanets ist einer der besten Prüflinge

Es sei die Philosophie der japanischen Kampfsportart, die den engagierten Ukrainer seit vielen Jahren begeistert: „Judo bedeutet übersetzt ‚sanfter Weg‘ und steht vor allem für Respekt, Hilfsbereitschaft und Ehrlichkeit. Diese Werte sind mir wichtig.“ Anders als in Deutschland gibt es in der Ukraine keinen Judo-Pass, so dass Vladyslav Ivanets keinen offiziellen Nachweis über sein Können hatte. „Damit er als Übungsleiter hier arbeiten kann, musste er die sogenannte 1.DAN-Prüfung (Schwarzgurt) absolvieren“, erklärt Filip Halverscheid. „Er hat als einer der besten Prüflinge abgeschlossen. Nach so vielen Jahren Judo-Erfahrung, habe ich ein Auge dafür, wer etwas draufhat. Und bei Vlad sieht man gleich, dass Judo seine Welt ist“, ergänzt Manfred Halverscheid.

Mehrmals die Woche trainiert der 29-Jährige Ukrainer nun Heranwachsende: „Kinder verstehen dich auch ohne Sprache. Anfangs haben wir viel mit Blicken und Gesten gearbeitet. Denn Kinder lernen sehr viel mit den Augen“, so Vladyslav Ivanets. Der große Vorteil bei der japanischen Kampfsportart sei, so Manfred Halverscheids, dass die Würfe in jedem Land die gleichen japanischen Namen haben.

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„Wir haben anfangs nicht viel voneinander verstanden, aber die verschiedenen Würfe konnten wir kommunizieren“, sagt er und lacht. Mittlerweile seien sie ein eingespieltes Team und dankbar für diese Begegnung, so Filip Halverscheid. „Vlad ergänzt nicht nur unser Trainerteam sehr gut. Dank seiner Begeisterung und seines Einsatzes kommen nun auch viele ukrainische Kinder zu uns und wollen beim Judo-Training mitmachen.“

Ein gutes Team Filip Halverscheid, Vladyslav Ivanets und Manfred Halverscheid
Filip Halverscheid und Vladyslav Ivanets beim Judo-Training. © WP | Rebecca Borgmeier

Zielort Hagen war keine bewusste Entscheidung

Vlayslav Ivanets ist angekommen in Hagen. Gemeinsam mit seiner Frau Victoria möchte er hierbleiben. Seine Frau arbeitet als Bauzeichnerin in einem Archtitekturbüro. Vladyslav Ivanets, der in der Ukraine sein Diplom als Elektro-Ingenieur gemacht hat, arbeitet momentan bei einem heimischen Energieversorger als Helfer: „Ich warte noch, dass mein Diplom auch in Deutschland anerkannt wird.“

Sich in Hagen niederzulassen, sei keine bewusste Entscheidung gewesen: „Meine Frau, die schon etwas eher nach Deutschland geflohen ist, ist damals zufällig hier untergekommen, es hätte genauso gut Köln, Dortmund oder Düsseldorf sein können. Aber jetzt bin ich froh, dass wir nach Hagen gekommen sind und hier diese Chance bekommen haben. Wir fühlen uns hier wohl und haben sowohl deutsche als auch ukrainische Freunden in der Stadt.“

„Meine Frau, die schon etwas eher nach Deutschland geflohen ist, ist damals zufällig hier untergekommen, es hätte genauso gut Köln, Dortmund oder Düsseldorf sein können. Aber jetzt bin ich froh, dass wir nach Hagen gekommen sind und hier diese Chance bekommen haben.“

Vladyslav Ivanets, Judo-Trainer aus der Ukraine, über seine neue Heimat

Innerhalb kurzer Zeit hat Vladyslav Ivanets die deutsche Sprache gelernt: „So gut ist es noch nicht, aber die Arbeit hilft mir, dass ich jeden Tag mehr lerne und zur Not kommen wir immer mit Handzeichen weiter“, sagt er mit einem Schmunzeln. Am kommenden Wochenende findet ein großes Judo-Turnier in Lünen statt. Knapp 20 Kinder zwischen sechs und 18 Jahren nehmen aus Hagen daran teil.

Vladyslav Ivanets fiebert mit seinen Judo-Schülern und Schülerinnen mit und hofft, dass sich sein Einsatz als Trainer bei dem Wettkampf auszahlt. „Für einen Trainer gibt es nichts Schöneres, als wenn die Schüler und Schülerinnen einen guten Platz belegen“, weiß Manfred Halverscheids. Die Geschichte von Vladyslav Ivantes ist eine Geschichte, die zeigt, was man durch Engagement und Mut erreichen kann. Und eine Geschichte, die zeigt, dass Sport Kulturen verbinden kann.