Ennepetal. Er wollte die Vize-WM-Titel bestätigen, doch die Saison lief nicht so, wie es sich Andreas Sander wünschte – weshalb er sich Gedanken machte.

Im Zielbereich des Weltcup-Finals im französischen Courchevel wirkte Andreas Sander schon deutlich gelöster. Fast schon etwas befreit, nach einer Saison, die nicht ganz so nach den Wünschen und eigenen Ansprüchen des amtierenden Vize-Weltmeisters in der Abfahrt verlief. Hinter dem Ennepetaler liegt eine Saison, in der er nur selten das abrufen konnte, was er drauf hatte. In der er selbst mit sich haderte und sich Auszeiten nahm. Aber es war auch ein Winter mit einigen Lichtblicken und Höhepunkten. Wir haben mit Andreas Sander über eine besondere Saison, Zweifel zur sportlichen Zukunft und eine lang ersehnte Pause gesprochen.

Sie sind vor einer Woche zum insgesamt achten Mal Deutscher Meister geworden. Was bedeutet Ihnen dieser Titel?

Andreas Sander Nach dieser Saison wahrscheinlich mehr als sonst. Außerdem muss man auch sagen, dass sich das Niveau bei uns im Speed-Team deutlich gesteigert hat, so dass dieser Wettbewerb deutlich an Prestige gewonnen hat. Das war in der Vergangenheit nicht immer so. Nach der schwachen Saison ist das ein schöner Abschluss des Winters für mich.

Damit ist die Saison 2021/22 für Sie beendet. Wie geht es jetzt für Sie weiter?

Erst einmal stehen einige Sponsorentermine an, das sind immer coole Veranstaltungen. Geplant war dann, dass wir als Team noch einmal ein Wochenende in der Schweiz haben, wo wir Material testen wollen. Angesichts der aktuellen Schneebedingungen wird das aber nichts. Urlaub ist für mich jetzt erst einmal nicht geplant, jetzt gilt es erst zunächst abzuschalten und Zeit mit der Familie zu verbringen. Das ist für uns immer besonders wichtig, da gerade die mentale Belastung in unserem Sport sehr hoch ist.

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Da tut eine Ehrung, wie Sie sie von Ministerpräsident Hendrik Wüst Ende März erhalten haben, besonders gut, oder?

Auf alle Fälle, das ist eine ganz besondere Ehrung für mich, zumal ich auch persönlich in Düsseldorf vor Ort sein konnte. Das war aufgrund der unklaren Austragung der Deutschen Meisterschaften sehr fraglich. Ich muss sagen, dass ich so eine Ehrung vor fünf Jahren nicht für möglich gehalten hätte.

NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) ehrt die erfolgreichen Wintersportler aus Nordrhein-Westfalen - darunter auch der Ennepetaler Andreas Sander (hintere Reihe, ganz rechts).
NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) ehrt die erfolgreichen Wintersportler aus Nordrhein-Westfalen - darunter auch der Ennepetaler Andreas Sander (hintere Reihe, ganz rechts). © Land NRW | Mark Hermenau

Sie wurden für Ihre Silbermedaille bei den Weltmeisterschaften 2021 geehrt. Was bedeutet Ihnen diese zusätzliche Auszeichnung für den größten Erfolg Ihrer Karriere?

Ich muss sagen, dass mir diese Auszeichnung wirklich viel bedeutet. Zum einen, weil sie zeigt, dass auch in Nordrhein-Westfalen die Grundlagen für solche Leistungen im Wintersport gelegt werden können. Das zeigt auch die Anzahl an Sportlerinnen und Sportlern, die ausgezeichnet wurden. Auch deshalb war es mir immer wichtig, für die SG Ennepetal und damit auch meinen Heimatverband zu starten – auch wenn ich meinen Lebensmittelpunkt inzwischen in Bayern gefunden habe.

Sander liegt die Heimat immer noch am Herzen

Wie genau meinen Sie das?

Nun ja, der Verband hat mich immer finanziell unterstützt und so kann ich auch heute noch etwas zurückgeben für die Unterstützung. Ich will für den Sport im Allgemeinen und Bewegung werben, und das funktioniert eben besser, wenn ich auch noch dort präsent bin, wo meine Wurzeln liegen. Wenn ich einen kleinen Beitrag dazu leisten kann, dass Kinder und Jugendliche vom Sport begeistert werden, bedeutet mir das sehr viel.

Hinter Ihnen liegt eine schwierige Saison. Ihre Mutter Ingeborg sagte in einem Interview bei uns, dass Sie noch nicht planen, aufzuhören. Bleibt es dabei?

Aktuell nicht, ich bin im besten Skifahrer-Alter. Aber die Frage, wie lange man das noch machen möchte, stellt man sich immer wieder. Gerade wenn es dann nicht so läuft, wie man das von sich selbst erwartet. Ich habe im vergangenen Sommer so viel reingesteckt im Training wie noch nie, war in einer hervorragenden körperlichen Verfassung und habe mir deswegen nach der starken WM viel vorgenommen. Am Ende war ich aber weit weg von dem, was ich eigentlich kann. Da muss ich sagen, dass ich da schon alles hinterfragt habe.

Heißt also, dass Sie sich mit einem Karriereende beschäftigt haben?

Zumindest habe ich mich damit auseinander gesetzt, wie lange ich noch fahren möchte. Aber ich habe gegen Ende des Winters neue Motivation gefunden, ich hatte wieder viel mehr Spaß als in der Mitte der Saison. Es ist noch kein Ende in Sicht für mich. Ich habe noch Ziele, die ich gerne erreichen würde.

Sander über Kitzbühel: „Das ist wie ein Ritterschlag für uns“

Welche wären diese?

Ich habe immer noch keinen Podestplatz im Weltcup erreicht. Wenn ich mir was wünschen dürfte, wäre das sicherlich der Sieg in Kitzbühel, das ist wie ein Ritterschlag für uns Skifahrer. Ich habe das Rennen immer schon als Kind verfolgt und hätte mir nie träumen lassen, so nah daran zu kommen.

2024 stehen darüber hinaus auch noch einmal Olympische Spiele dort an, wo Sie ihren bisher größten Triumph gefeiert haben. Wie stehen die Chancen, dass sie dann noch dabei sind?

Tatsächlich ist das ein Ziel, dort noch einmal dabei zu sein. Das wäre sensationell. Allerdings finden die Rennen der Männer in Bormio und nicht in Cortina d’Ampezzo statt, da sind wir wie in Pyeongchang und jetzt in Peking wieder weit weg vom restlich Geschehen. Das ändert aber nichts daran, dass ich gerne noch einmal Spiele in Europa erleben möchte.