Ennepetal. Am 13. August 2010 erzielte Alexander Thamm das „Tor des Monats“. Der Trainer des TuS Ennepetal erinnert sich daran zurück.

Vor genau zehn Jahren ist Alexander Thamm, jetzt Trainer des TuS Ennepetal, ein „Tor des Monats“ gelungen. Als Amateur unter lauter Profis erhielt er die meisten Stimmen für seinen Fallrückzieher im Trikot von Rot-Weiss Essen zum 1:0 gegen den VfB Homberg in der 89. Minute. Eine Zusammenballung von Zufällen war dem Treffer des Monats August 2010 vorausgegangen.

„Fallrückzieher lagen überhaupt nicht in meiner DNA“, erklärt Thamm heute, „das konnte ich eigentlich gar nicht.“ Doch das Schicksal hatte sich schon viel früher eingeschaltet. „Es war ein trauriges Ereignis, dass ich überhaupt bei Rot-Weiss Essen gelandet bin“, erinnert sich Thamm, „mein Vater war nämlich im Mai 2010 verstorben. Um in der Nähe meiner Mutter zu bleiben, habe ich mich damals für den NRW-Ligisten entschieden, obwohl sie ja in der Insolvenz steckten.“ Dafür musste er ein Angebot aus der Regionalliga von Eintracht Trier ausschlagen, wo ein guter Kumpel spielte.

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Nach einer katastrophalen Vorbereitung ging es am 13. August 2010 in den ersten Spieltag der fünften Liga. Über 6.000 Zuschauer waren im Stadion an der Hafenstraße, die Partie stand Spitz auf Knopf, als sich Abwehrspieler Thamm kurz vor Schluss einen Fehlpass im Spielaufbau leistete, aber trotzdem nach vorne durchlief. „Die Jungs sind so gallig, die holen den Ball schon zurück“, sagte er sich und – genauso kam es. Timo Brauer eroberte den Ball, schickte auf der rechten Außenbahn Holger Lemke steil. Der flankte zurück, in die Nähe des etwas schräg hinter dem Elfmeterpunkt postierten Thamm. Der hatte richtig spekuliert, dass das Spielgerät auf den zweiten Pfosten kommen würde. Aber: Der war schwer zu nehmen!

Lang erwarteter Sieg

„Der Ball kam zu niedrig, um ihn mit dem Kopf zu nehmen, war aber auch zu weit weg, um stehen zu bleiben und ihn mit dem Fuß zu nehmen. Dann hatte ich für zwei, drei Sekunden einen Aussetzer – und als ich wieder zu mir gekommen war, haben die 6.000 Leute auch schon gejubelt“, erklärte er später in der Sportschau, warum er es mit dem Fallrückzieher versuchte – ja versuchen musste. Nein, wie andere Spieler Fallrückzieher geübt, das habe er nie, sagt Thamm rückblickend.

Im Juli 2010 war er von den Sportfreunden Lotte in die Ruhrpott-Metropole gewechselt. Der Treffer kurz vor Schluss bedeutete den Sieg, den die Fans nach einer langen Zeit sehnlichst erwartet hatten. Thamm: „Dass mir das im ersten Pflichtspiel an der Hafenstraße gelungen ist, war schon ein sehr, sehr schönes Gefühl.“

21.27 Uhr war es da – und Mutter Thamm, die das Spiel im Stadion verfolgte, hatte überhaupt nicht realisiert, dass ihr Sohn der Schütze war. „Sie erfuhr es erst, als der Stadionsprecher es durchsagte“, so Thamm. „Sie hatte nicht geglaubt, dass ich so ein Tor schießen könnte.“

Es war letztlich der exzellente Auftakt für den Wiederaufstieg der Essener in der Regionalliga. Alexander Thamm sagt heute: „Das war mein schönstes Jahr im Fußball, wo ich zum Erfolg beigetragen habe. Schade nur, dass mein Vater, der mich immer gefördert und gefordert hat, das nicht mehr erleben konnte.“

Kurios und wohl auch einzigartig ging die Medaillenübergabe für das Tor des Monats vor sich: nicht wie üblich im Kölner Sportschau-Studio, sondern in der Umkleidekabine am Essener Uhlenkrug. Denn die Rot-Weissen aus dem Essener Norden mussten an diesem Sonntag, an dem die ARD den Schützen des Tores des Monats ehrte, es war der 19. September 2010, zum Stadtderby im Süden bei Schwarz-Weiß Essen antreten.

Der seinerzeitige RWE-Trainer Waldemar Wrobel übernahm dann vor dem Spiel in der Kabine die Überreichung der Medaille an Thamm, der mit 30 Prozent der Stimmen fußballerisches Spitzenpersonal wie die Schalker Raúl und Jefferson Farfan oder den Gladbacher Patrick Herrmann auf die Plätze verwiesen hatte. „Die Rot-Weiss-Fangemeinschaft hatte wahnsinnig viele Stimmen abgegeben“, weiß Thamm.

So ganz wohl war ihm – und auch seinem Trainer – bei der nach den strikten Vorgaben der ARD vorgenommenen Ehrung in der Kabine nicht. „Für mich lag der Fokus auf dem Spiel, da hat die Aktion eher gestört“, erinnert sich Thamm, für den der Spieltag aber ein gutes Ende nahm. Er sorgte im Derby für die Vorlage zum entscheidenden Treffer für seine Farben: RWE gewann die Partie knapp mit 1:0. So war es am Ende doch ein mehr als gelungener Tag für Thamm, Wrobel und das Team.

Die Medaille befindet sich übrigens da, wo sie nach Thamms Meinung hingehört: bei seiner Mutter.