Schwelm. Zwei Frauen erstatten Anzeige gegen einen Ex-Trainer, der sie in ihrer Kindheit sexuell missbraucht haben soll. Der Verein sucht weitere Opfer.

Die Fälle liegen weit in der Vergangenheit und aus den Opfern, die damals Kinder waren, sind längst erwachsene Frauen geworden. Doch das, was ein ehemaliger Trainer ihnen vor mehr als 20 Jahren angetan haben soll, belastet ihr Leben bis heute so sehr, dass sie sich beide noch immer in Therapie befinden. Der Mann soll sie im Rahmen ihres Sports bei der Turngemeinde Rote Erde Schwelm sexuell missbraucht haben. Beide wandten sich nun an den Verein.

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Bei der Roten Erde herrschen nach dieser Nachricht Erschütterung, Betroffenheit, Entsetzen. Doch die Verantwortlichen um den 1. Vorsitzenden Christian Kern waren sich sehr schnell einig: „Wir wollen diese Sache transparent aufarbeiten. Sollte es mögliche weitere Opfer geben, die darüber sprechen wollen, bitten wir diese, sich bei uns zu melden.“ Doch was ist überhaupt passiert?

Tatzeitraum ist über 20 Jahre her

Zunächst hat sich eine Frau bei Claudia Wittwer gemeldet. Wittwer leitet einerseits die Geschäftsstelle der Roten Erde, andererseits ist sie in dem größten Schwelmer Sportverein Schutzbeauftragte und Ansprechpartnerin für Opfer von sexueller und interpersoneller Gewalt. Eine Stelle, die der Verein neu geschaffen hat, um möglichen Opfern einen geschützten Raum zu bieten, um über solche Fälle sprechen zu können. Die Frau, die nicht mehr in Schwelm wohnt, erkundigte sich nach einem bestimmten Trainer. Im Laufe der Gespräche gab sie schließlich an, vor dem Mann warnen zu wollen, weil er sie in ihrer Kindheit im Rahmen des Trainings schwer sexuell missbraucht hatte. Die Frau nannte die späten 1990er- und frühen 2000er-Jahre als Tatzeitraum. Damals war sie in etwa zwischen sieben und zehn Jahre alt.

Verein hat Anlaufpunkte geschaffen

Der Verein hat eine interne Untersuchung eingeleitet und steht selbst mit der Polizei und externen Beratungsstellen in engem Kontakt. So hat Claudia Wittwer die Opfer bei der Anzeigenstellung begleitet.

Potenziell weitere Betroffene können sich - auch anonym - an die Schutzbeauftragten der TG Rote Erde, Mats Wessels, mats.wessel@re-basketball.de, und Claudia Wittwer, claudia.wittwer@roteerde.de oder 02336/472602, wenden.

Auch die Fachberatungsstelle der Pro Familia im Schwelmer Ibachhaus steht mit geschulten Ansprechpartnern und Ansprechpartnerinnen unter en-suedkreis@profamilia.de oder 02336/443640 zur Verfügung.

Bald darauf meldete sich eine weitere Frau, die dieselben Vorwürfe gegen den Mann erhob. Auch sie soll der Trainer, der schon länger nicht mehr im Verein aktiv ist, missbraucht haben. Tatzeitraum und das Alter des zwieten Opfers decken sich mit den Angaben der ersten Frau. Auch hier liegen die Taten zwischen 20 und 25 Jahre zurück, die Frau war damals zwischen sieben und zehn Jahre alt. Mittlerweile ist Anzeige bei der Polizei gegen den mutmaßlichen Täter erstattet worden, diese hat die Ermittlungen aufgenommen.

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„Wir ermitteln wegen sexuellen Missbrauchts von Kindern“, sagt Tino Schäfer, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Hagen im Gespräch mit der Redakltion. Das Hagener Polizeipräsidium ist als Kriminalhauptstelle für deratige Fälle auch im Ennepe-Ruhr-Kreis zuständig - ebenso wie im Märkischen Kreis, dem Kreis Olpe und dem Kreis Siegen-Wittgenstein. Auch wenn eine mögliche Verjährung der Taten im Raum steht, war es den Betroffenen wichtig, vor dem Mann zu warnen.

„Wir sind um eine transparente Aufklärung bemüht, und haben daher sofort verschiedene Maßnahmen ergriffen.“

Christian Kern, erster Vorsitzender der RE Schwelm

Christian Kern, 1. Vorsitzender der TG Rote Erde Schwelm, nimmt wie folgt Stellung zu den Vorwürfen der beiden ehemaligen Sportlerinnen der Roten Erde: „Auch wenn die Vorwürfe sich auf einen Zeitraum beziehen, der weit in der Vergangenheit liegt, nehmen wir sie sehr ernst. Die Mitgliedschaft des beschuldigten Trainers ruht bis auf weiteres. Wir sind um eine transparente Aufklärung bemüht, und haben daher sofort verschiedene Maßnahmen ergriffen.“

Sexualisierte Gewalt im Sport ist wachsendes Thema

Aufgrund aufkeimender Gerüchte in der jüngeren Vergangenheit hat die TG Rote Erde sich in der Prävention gegen sexualisierte Gewalt im Sportverein beim Kreissportbund informiert und sich in diesem Bereich intensiv aus- und fortbilden lassen. Der größte Breitensportverein im südlichen Ennepe-Ruhr-Kreis nimmt damit eine Vorreiterrolle in diesem hochsensibelen Bereich ein. Auch der Kreissportbund (KSB) hat seit Kurzem in einem Pilotprojekt mit dem Netzwerk „roterkeil.net“ die Präventionsarbeit in den Fokus genommen und bietet den etwa 400 Sportvereinen im gesamten Ennepe-Ruhr-Kreis die Möglichkeit, sich von den ausgebildeten Fachkräften des KSB sensibilisieren zu lassen und handlungsfähig zu machen. Ein erarbeitetes Schutzkonzept findet sich seit Anfang Juni auf der Homepage www.ksb-en.de.

Sexualisierte Gewalt im Sport ist ein Thema, dass in den vergangenen Jahren immer mehr an Bedeutung gewinnt. Bei einer Umfrage der Universität Ulm gaben beispielsweise 37 Prozent der befragten 1800 deutschen Kaderathleten an, im Sport schon sexualisierte Gewalt erlebt zu haben.

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