Winterberg. Der Rodel-Weltcup in Winterberg wurde parallel als EM gewertet. Wer am Samstag und Sonntag gewann und warum es eine irre Rekordjagd gab.

Jessica Degenhardt ging während der entscheidenden Sekunden stur nach vorne schauend in die Hocke, während sich Cheyenne Rosenthal lediglich leicht nach vorne beugte, um den perfekten Blick auf den kleinen Bildschirm vor sich zu haben. Beim Heim-Weltcup der Rennrodler in der Veltins-EisArena in Winterberg waren der erste Weltcupsieg dieser Saison und die Titelverteidigung bei der Europameisterschaft zum Greifen nah – um ihnen doch im letzten Moment wieder durch die Finger zu flutschen. Der Ärger verflog aus einem Grund jedoch schnell.

Winterberg: Zittern vor dem finalen Lauf

Dafür sorgte ausgerechnet eine Äußerung der neuen Europameisterinnen im Damen-Doppelsitzer aus Österreich. Selina Egle und Lara Michaela Kipp, die bei dem parallel gewerteten Weltcuprennen ihren fünften Saisonsieg in Folge feierten, verrieten im Ziel ihre Gefühlslage vor dem finalen Lauf. „Selina hat mir gesagt, dass sie gezittert hätten, nachdem sie unsere Zeit gesehen haben“, verriet Jessica Degenhardt.

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In 43,151 Sekunden rasten Degenhardt/Rosenthal im entscheidenden Durchgang als zweitbestes Doppel des ersten Laufes durch den ihnen wohlbekannten Eiskanal und stellten damit einen neuen Bahnrekord im Doppelsitzer der Damen auf. Insgesamt gab es bei den Rennen der Doppelsitzer (Männer und Frauen) eine wahre Rekordjagd, denn insgesamt 15 Mal wurde der Bahnrekord unterboten.

Winterberg: Silber-Glück mit etwas Ärger

Trotz der grandiosen Laufzeit reichte es für Degenhardt/Rosenthal (RRC Altenberg/BSC Winterberg) zum fünften Mal in diesem Winter nur zu Rang zwei hinter den beiden Österreicherinnen. „Puuuh, das war eng. Wir sind echt glücklich, dass wir am Ende vorne waren“, sagte Lara Kipp allerdings. „Wir können uns glücklich schätzen, Vize-Europameister geworden zu sein“, erklärte Degenhardt, „auch wenn wir uns ein wenig ärgern, weil es sehr knapp war.“

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Das kann doch nicht wahr sein! Jessica Degenhardt (links) und Cheyenne Rosenthal verpassen beim Rennrodel-Weltcup in Winterberg hauchdünn den Sieg. © Dietmar Reker | WP

14 Tausendstelsekunden entschieden das Rennen zu Gunsten der Weltcup-Führenden. Dritte wurden Andrea Vötter/Marion Oberhofer (Italien/0,221 Sekunden) vor den beiden Deutschen Dajana Eitberger/Magdalena Matschina (0,515). „Eine Tausendstel sind drei Zentimeter – das kann sich ja jeder ausrechnen, wie knapp es war“, sagte Cheyenne Rosenthal hin und her gerissen zwischen Freude über EM-Silber und der erneuten Niederlage gegen die beiden Österreicherinnen.

Winterberg: Das Wissen um das Siegpotenzial

Doch aus dem nicht mal einen Wimpernschlag Rückstand und dem Bahnrekord zogen Degenhardt und Rosenthal mehr Positives, als dass sie sich ärgerten. „Wir können mit dem Wissen von Winterberg wegfahren, dass wir gewinnen können“, sagte Cheyenne Rosenthal.

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Hätte sich das junge Doppel, dessen Karriere in Winterberg startete und das mittlerweile drei WM-Titel sammelte, im zweiten Lauf nicht im unteren Teil der Bahn einen kleinen Fehler erlaubt, hätte es ausgerechnet auf Rosenthals Heimbahn im Hochsauerland bereits zum ersten Saisonsieg – und nicht nur Platz eins in einem Lauf – gereicht.

Winterberg: Gold für Wendl/Arlt

Mit dem 55. Weltcupsieg gewann im Herren-Doppelsitzer das für das bayrische Duo Tobias Wendl/Tobias Arlt in Winterberg auch den EM-Titel. Der Sieg „fühlt sich an wie der erste. Wir haben mega viel Spaß gehabt heute“, sagte Wendl anschließend und ergänzte: „Wir haben Nerven bewiesen im zweiten Durchgang.“

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Pure Emotionen: Tobias Wendl und Tobias Arlt gewinnen in Winterberg im Herren-Doppelsitzer das Weltcuprennen und EM-Gold. © Dietmar Reker | WP

Silber und Bronze gingen an die Österreicher Juri Gatt/Riccardo Schöpf (+0,134) und Yannick Müller/Armin Frauscher (+0,202). Die Deutschen Toni Eggert/Florian Müller wurden Fünfte und verpassten das Podium um 17 Tausendstelsekunden.

Winterberg: Taubitz weint auf dem Podium

Tränen der Erleichterung flossen bei der Siegerehrung bei Julia Taubitz. „Wir haben immer viel Druck, von uns werden immer wieder Siege erwartet. Deshalb bin ich sehr froh, dass ich jetzt ganz viel Ballast abwerfen konnte und diesen Titel gewonnen habe. Das gibt jetzt ganz viel Auftrieb“, sagte die deutsche Rennrodlerin, die mit 0,198 Sekunden Vorsprung in Winterberg vor Madeleine Egle (Österreich) gewann.

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Julia Taubitz jubelt: Sie gewinnt in Winterberg zum ersten Mal den EM-Titel. © Dietmar Reker | WP

Für die neue Europameisterin war es der zweite Weltcupsieg in dieser Saison. Neben Taubitz und Egle stand noch Emily Sweeney auf dem Podium. „Die Bahn war heute komplett anders als sonst“, sagte die US-Amerikanerin, die 0,340 Sekunden Rückstand hatte, „ich habe zweimal die Ideallinie getroffen und bin mit Platz drei super glücklich.“

Winterberg: Über 25 Bahnrekorde!

Die „andere Bahn“ sorgte übrigens am Samstag insgesamt für 25 Fahrten, die schneller waren als der Bahnrekord. Die letzte Kiste Bier am Samstag für die Bahncrew (so bedanken sich die Athleten für die Top-Bedingungen) musste Julia Taubitz geben. Ihr Teamkollege Felix Loch, der am Sonntag fuhr, hatte ob der hervorragenden Eis-Qualität im Vorfeld prophezeit: „Es wird schnell.“

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Das Siegerpodest nach dem Weltcup- und EM-Rennender Herren: (v.li.) Max Langenhan, Jonas Müller und Nico Gleirscher. © Dietmar Reker | WP

Das bestätigte sich Sonntag ein weiteres Mal. Max Langenhan verpasste im Herren-Einsitzer die EM-Goldmedaille in Winterberg trotz eines gebrochenen Mittelfußes nur knapp. Der 25-jährige Weltmeister gewann Silber mit 55 Tausendstelsekunden Rückstand auf Sieger Jonas Müller (Österreich), der im ersten Durchgang in 50,722 Sekunden einen neuen Bahnrekord gefahren war. Bronze ging mit Nico Gleirscher (Österreich/+0,101 Sekunden). Felix Loch (Berchtesgaden/+0,323) belegte Rang fünf.

Winterberg: Österreich gewinnt Duell

Auch in der Team-Staffel am Sonntag jubelte Österreich über EM-Gold. Deutschland mit Julia Taubitz, Tobias Wendl/Tobias Arlt, Max Langenhan und Jessica Degenhardt/Cheyenne Rosenthal fehlten 0,091 Sekunden auf Rang eins. „Es wäre ein klein wenig mehr drin gewesen, wir haben in der Staffel ein wenig gepatzt“, resümierte Chef-Bundestrainer Patric Leitner den zweiten Platz vor Italien. Das Titel-Duell zwischen Deutschland und Österreich ging also mit 2:3 verloren. „Es wäre etwas mehr drin gewesen. Ein Schipperl müssen wir noch drauflegen“, sagte Patric Leitner deshalb.

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Jubel über EM-Silber und die Gewissheit, schneller als die Österreicherinnen fahren zu können: Cheyenne Rosenthal (links) und Jessica Degenhardt. © Dietmar Reker | WP

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