Arnsberg-Neheim. Timo Funke (18) und Silas Eickel (19) sind junge Schiedsrichter im Handball und Fußball. Sie sprechen über Beschimpfungen und Autorität
Entspannt am Wochenende zu Hause an der Konsole zocken, mit dem Mountainbike durch die Sauerländer Naturkulisse rasen oder mit Freunden ins Kaffee zu gehen – diese wohl typischen Freizeitaktivitäten vieler ihrer Altersgenossen genießen bei Silas Eickel und Timo Funke nicht die höchste Priorität. Eickel, 18 Jahre alt, und sein ein Jahr älterer Kumpel Funke sind nicht nur aktive Handballer, sondern vor allem Schiedsrichter, der eine im Handball, der andere zusätzlich im Fußball.
Im Gespräch mit dieser Zeitung verraten die beiden jungen Neheimer, wieso sie ausgerechnet Unparteiische geworden sind, was sie auf den Plätzen und Platten für Reaktionen erleben und wie sie sich durch ihr Hobby weiterentwickelt haben. Und das Gespann spricht über die Unterschiede des Daseins als Schiedsrichter beim Handball und beim Fußball – die nicht nur auf dem Spielfeld existierten.
Silas Eickel, Timo Funke, wie sind Sie darauf gekommen, aktive Schiedsrichter zu werden?
Silas Eickel: Ich hab‘ schon 2018 im Fußball meinen Schiedsrichter-Schein absolviert, 2021 dann gemeinsam mit Timo den Schein für den Handball. Ich fand den Job schon immer interessant und wollte auf dem Spielfeld für Gerechtigkeit sorgen. (schmunzelt) Mit 13 Jahren ging das damals bei mir los.
Timo Funke: Bei mir war es ganz klassisch so, dass jemand aus dem Verein für ein Spiel meinte: Mach‘ doch mal den Schiri. Das war ein E-Jugend-Spiel, es war total wuselig. Das Ganze war dann mehr ein pädagogisches Pfeifen, dort ist man in einer erzieherischen Funktion und erklärt auch die Regeln. (lacht) Mir hat das als Schiri aber insgesamt Spaß gemacht.
Wie haben Sie beide festgestellt, dass Sie als Gespann als Handball-Schiris gut harmonieren?
Funke: Silas und ich konnten einfach direkt gut miteinander. Die Absprachen haben gut gepasst.
Eickel: Wichtig ist, dass man eine gemeinsame Linie hat. Wir werden immer routinierter. Ich habe dann auch mal notgedrungen ein Handball-Spiel mit dem Vater eines Spielers gepfiffen. Wir waren überhaupt nicht auf einer Linie, das hat gar nicht funktioniert. Da hat man ganz gut den Unterschied gesehen. (lacht)
Was sind aus Ihrer Sicht die entscheidenden Unterschiede in der Arbeit als Unparteiischer im Handball im Vergleich zum Fußball?
Eickel: Die Handball-Halle ist mein natürliches Habitat. Der Handball ist viel schneller, als Schiri haben wir viel mehr Entscheidungen im Spiel. Wir sind die vollen 60 Minuten lang gefordert.
Und wie unterscheidet sich in den beiden Sportarten Ihrer Erfahrung nach das Verhalten der Protagonisten, also der Spieler, Trainer, Funktionäre und Zuschauer?
Eickel: Bei Fußballern hat man das Gefühl, dass sie zwischendurch im Spiel noch eine Schauspiel-Ausbildung absolvieren. Zudem wird hier, anders als im Handball, jede Entscheidung diskutiert. Im Handball ist die Entscheidung getroffen – und dann ist es meist auch gut. Man muss als Schiri wissen, dass man nicht Everybody‘s Darling ist. Aber: Jeder von Außen sollte mindestens eine fundierte Meinung haben, wenn er oder sie meckert. Ich kenne keinen Schiri, der absichtlich schlecht pfeift. Auch im Handball gibt es von der Tribüne aus Sprüche und Gemecker, aber im Fußball ist das extremer.
Funke: Beim Handball hören wir in der Regel alles, was gesagt wird. Bei jedem Spiel hat man Leute, die kommentieren. Wir sagen dann, dass wir Meckern nicht mögen.
Wie wichtig ist es, als Unparteiischer eine klare Linie vorzuleben?
Funke: Wir versuchen schon vor dem Spiel, die Grenzen zu setzen. Die wissen alle, wer hier die Chefs sind – nämlich wir.
Eickel: Man spürt mittlerweile relativ schnell, in welche Richtung ein Spiel geht. Umso wichtiger ist ein souveränes Auftreten.
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Sie sind erst 18 und 19 Jahre alt. Gibt es da nie ein Autoritätsproblem?
Eickel: Da gab es zuletzt eine ganz lustige Situation bei einem Spiel in Lünen. Ein Trainer hat gemeckert und dafür von uns eine Zwei-Minuten-Strafe gesehen. Ein Spieler hat dann zu ihm herübergerufen: „Hör‘ auf, Mensch, Du weißt doch, dass das bei denen nichts bringt!“ Da hat man ganz gut gesehen, dass unsere Autorität anerkannt wird, egal, wie alt wir sind. (lacht)
Gleichwohl sind Schiedsrichter, sowohl im Fußball als auch im Handball, immer wieder Diskussionen, Beschimpfungen und leider auch körperlichen Angriffen ausgesetzt. Wie gehen Sie damit um – und was haben Sie womöglich selbst schon erlebt?
Funke: Körperlich hab‘ ich zum Glück noch nichts erlebt, ich kam bislang immer wieder heile aus der Halle heraus. (schmunzelt) Im Februar haben wir ein Frauen-Handball-Spiel gepfiffen, da hat uns eine Spielerin mehrfach beleidigt, auch nachdem sie die Blaue Karte gesehen hatte und auf die Tribüne musste. Das war dann schon ein heftigerer Fall.
Wie haben Familie, Bekannte und das Umfeld reagiert auf die Nachricht, dass Sie Unparteiische werden wollen? Und welche Reaktionen gibt es heutzutage noch?
Funke: Ich höre oft Sätze wie: „Ich könnte das ja nicht!“ Viele ziehen ihren Hut davor, dass ich Schiedsrichter bin. Und auch Mitspieler sprechen mich immer wieder mal darauf an, beispielsweise, wenn es in unserem eigenen Spiel knifflige Szenen gab.
Eickel: Diese Sätze kenn ich auch sehr gut! (lacht)
In welchen Ligen sind Sie aktuell aktiv – und bis wohin soll die Reise möglicherweise noch gehen?
Funke: Wir sind im Leistungskader und dürfen in der kommenden Saison in der Frauen-Landesliga und der Männer-Bezirksliga Mitte pfeifen. Die Verbandsliga wäre für mich ein Traum, Grenzen habe ich mir aber keine gesetzt.
Eickel: Als Fußball-Schiedsrichter pfeife ich in der Männer-Kreisliga, in der C-Junioren-Regionalliga oder bin auch als Assistent in der Herren-Westfalenliga aktiv. Perspektivisch möchte ich den Fokus aber auf den Handball setzen. Zum Beispiel hat auch die A-Jugend-Verbandsliga schon ein gutes Niveau, das macht dann viel Spaß.
Zum Abschluss bewusst provokant gefragt: Sie sind trotz ihres jungen Alters Unparteiische – wieso tun Sie sich das an?
Funke: Ich bin Schiedsrichter geworden und bleibe das auch, weil meine Liebe zum Sport groß ist. Außerdem entwickelt man sich persönlich weiter. Zudem muss man sagen, dass in meiner Lebenslage auch die Aufwandsentschädigung als junger Mensch nicht schlecht ist. Meine Körpersprache hat sich dadurch verändert, man knüpft viele Kontakte, und wir haben teilweise unsere Freunde auf der Tribüne dabei, die unsere Spiele verfolgen. Zudem erlernt man gutes Teamwork.
Eickel: Das kann ich alles nur unterschreiben. Die Schiedsrichterei ist auch ein Push für das Selbstvertrauen. Klar, manchmal ist das eine Leidenschaft, die Leiden schafft. (schmunzelt) Aber wir würden es beide nicht machen, wenn uns dieses Hobby keinen Spaß machen würde.
Das sind Silas Eickel und Timo Funke
Der 19-jährige Silas Eickel lebt in Neheim und in Münster, wo er Jura studiert. Als Handballer ist er für den TV Neheim II in der 1. Kreisklasse aktiv. Für den TVN II spielt Silas Eickel, dessen Papa Sascha Eickel bei Borussia Mönchengladbach unter anderem als Trainerentwickelt der Juniorencoaches der Borussia arbeitet, in der Regel auf Rückraum Mitte. Silas Eickel pfeift als Unparteiischer derzeit im Fußball und im Handball.
Timo Funke ist 18 Jahre alt und wie Silas Eickel Neheimer. Im September dieses Jahres beginnt der Sauerländer eine Ausbildung. Als Handball-Torwart ist Funke für die erste Mannschaft des TV Neheim in der Bezirksliga Mitte aktiv. Mit Silas Eickel absolvierte Timo Funke gemeinsam 2021 den notwendigen Schiedsrichter-Schein im Handball und ist seitdem mit ihm als Gespann auf der Platte unterwegs.