St. Moritz/Olsberg. Der Kufen-Guru aus dem Sauerland verlässt die Weltcup-Bühne: Für Wolfram Schweizer beginnt nach der WM in St. Moritz eine neue reizvolle Aufgabe.
Irgendwann in Nordamerika, als Wolfram Schweizer die Kisten mit dem Material der deutschen Mannschaft ein weiteres Mal für den Flug zur nächsten Station im Skeleton-Weltcup vorbereitete und seine Schulter mal wieder schmerzte, reifte die Entscheidung. Mittlerweile ließ der Sauerländer, der unter anderem den Schlitten der überraschenden OlympiasiegerinHannah Neise „baute“ und diese in China emotional im Ziel empfing, die Katze aus dem Sack: Chefmechaniker Schweizer verabschiedet sich von der großen Bühne – und zwar auf der großen Bühne.
Schweizer: Schwere Entscheidung
„Ich habe beim Weltcup in Altenberg bekannt gegeben, dass ich zurück in den Nachwuchs gehen werde“, sagte Schweizer. Und das – tritt unmittelbar nach der Weltmeisterschaft in St. Moritz/Schweiz, die am Donnerstag mit den Läufen eins und zwei der Männer und Frauen beginnt, ein. In der legendären Wiege des Skeleton-Sports verabschiedet sich der 59-Jährige aus Olsberg-Wiemeringhausen vom deutschen Weltcup-Team.
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„Es war eine schwere Entscheidung“, sagte Schweizer. Allerdings sei sie aus seiner Sicht alternativlos gewesen. „Zum einen bin ich mit Abstand der Älteste im Team. Nach mir kommt unser Chef-Bundestrainer Christian Baude, der 40 Jahre jung ist. Zum anderen ist die Schulter-Operation nicht optimal gelaufen – und, das ist das Wichtigste: Ich möchte erhobenen Hauptes gehen können“, sagte Schweizer.
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Das kann er. Bei den Olympischen Winterspielen vor Jahresfrist in China gewann nicht nur Hannah Neise vom BSC Winterberg sensationell Gold. Bei den Männern sorgten Christopher Grotheer und Axel Jungk mit Gold und Silber sogar für einen Doppel-Triumph. Und wenn Schweizer auf seine Karriere als Chefmechaniker, die 2005 begann, zurückschaut, glänzt der Medaillensatz sogar komplett. „Ich habe alle möglichen Medaillen gewonnen“, sagte der Sauerländer voller Stolz und wohlwissend, wie wichtig den Sportlern seine Material-Expertise stets war und noch ist.
Szymkowiaks Silber ein Highlight
1999 bestritt Schweizer bei der deutschen Meisterschaft sein letztes Rennen als Skeleton-Pilot, anschließend heuerte er beim Bob- und Schlittenverband für Deutschland (BSD) als Mechaniker an. Seit 2005 reist Schweizer mit dem Weltcup-Team um die Welt und erlebte als dessen Chefmechaniker etliche Wegmarken des deutschen Skeletonsports. Der persönliche Höhepunkt seien zurückblickend die Olympischen Winterspiele in Vancouver 2010 gewesen, erzählte er. Die Gründe liegen auf der Hand: „Einerseits herrschte eine super Stimmung an der Bahn. Andererseits holten Anja Huber mit Bronze und Kerstin Szymkowiak mit Silber die ersten deutschen Skeletonmedaillen“, erklärte Schweizer.
Besonders Szymkowiaks Silber als Pilotin der RSG Hochsauerland, deren Vorsitzender er damals schon war und heute noch ist, sei ein Highlight gewesen. 2018 steuerte Jacqueline Lölling, der Wolfram Schweizer in all den Jahren eine Art väterlicher Freund wurde, die zweite Silbermedaille zur RSG-Bilanz bei.
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Doch der Kufen- und Material-Guru aus Olsberg-Wiemeringhausen verabschiedet sich nun auf der großen Bühne in St. Moritz von eben dieser und aus einem trotz des Altersunterschieds prächtig harmonierenden Team. Er verabschiedet sich keineswegs vom Skeleton-Sport. Bereits zwei Wochen nach der WM begleitet Schweizer die zweite Garde im Intercontinentalcup und anschließend geht es an der Seite von Nachwuchsbundestrainerin Anja Selbach zur Qualifikation für die Olympischen Jugendspiele nach Südkorea.
Schweizer: „Lasse niemanden im Stich“
„Das war so nicht geplant, aber ich lasse niemanden im Stich, wenn Leute ausfallen“, sagte Schweizer. In der kommenden Saison freut er sich auf die Arbeit mit den aufstrebenden Skeleton-Sportlern und besonders auf eine überschaubarere Reisezeit sowie Zielliste. „Ich sehe einer reizvollen Aufgabe entgegen“, sagte er. Und vielleicht schenken ihm Neise, Lölling und Co. zum Abschied ja noch die eine oder andere Medaille in St. Moritz.
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St. Moritz, die Wiege des Skeleton-Sports, wird Wolfram Schweizer zu dessen Abschied aus der Nationalmannschaft aber (heraus)fordern. „Die Bedingungen sind schwierig. Die Kufe, die heute schnell ist, ist morgen langsam“, sagte der Chefmechaniker mit Blick auf die aktuelle Wetterlage in der Schweiz. Zudem seien die Rennzeiten besonders für die Frauen ein Problem.
„Aktuell trainieren wir morgens bei teilweise -16 Grad“, sagte Schweizer, „aber die Rennen der Frauen finden am frühen Nachmittag statt.“ Heißt: Der Chefmechaniker muss sein ganzes Können aufbieten, um das Material perfekt abzustimmen.
Neise kämpft mit Erkältung
Während die ersten beiden von insgesamt vier Läufen der Männer am Donnerstag, 26. Januar, um 9 Uhr beginnen, wird es für die Frauen um Hannah Neise (BSC Winterberg) und Jacqueline Lölling (RSG Hochsauerland) ab 13.30 Uhr ernst. Die Medaillen werden in den Läufen drei und vier am Freitag vergeben. Die Männer starten erneut morgens um 9 Uhr, die Frauen um 13.30 Uhr. Der Mixed-Team-Wettbewerb ist für Samstag, 28. Januar, um 8 Uhr angesetzt.
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Während Hannah Neise noch sehr mit ihrer Erkältung kämpft, zeigt sich Jacqueline Lölling in einer guten Trainingsform. „Aber Janine Flock präsentiert sich hier bislang sehr stark, Kimberley Bos und etliche andere auch. Das wird eine ganz heiße Kiste – bei den Männern und bei den Frauen“, sagte Wolfram Schweizer. Neben Lölling und Neise starten Tina Hermann und Susanne Kreher im deutschen WM-Team. Bei den Männern bilden Christopher Grotheer, Axel Jungk, Felix Keisinger und Cedric Renner das deutsche Quartett