Sauerland. Die „Bundesliga des Sauerlandes“ erlebte eine ereignisreiche erste Saisonhälfte. Wir blicken auf negative wie positive Höhepunkte zurück.
Torreich, spannend, knackig – und amüsant: Die Fußball-Bezirksliga 4, die „Bundesliga des Sauerlandes“, blickt auf eine ereignisreiche erste Saisonhälfte zurück. Nach 16 absolvierten Spieltagen laden die 16 Teams der Kultliga – davon satte elf Mannschaften aus dem Hochsauerlandkreis – derzeit in der Winterpause ihre Akkus auf. Diese Zeitung blickt auf den ersten Saisonteil zurück.
Die verrückteste Wette
Seit fünfeinhalb Jahren ist Martin Uvira der Trainer der Fußballer des VfL Bad Berleburg, seit fünfeinhalb Jahren führt er akribisch eine Bilanz der Trainingsbeteiligung. Die unangefochtene Nummer eins in seinen Unterlagen ist Yannik Lückel. Drei Einheiten habe der Kapitän, den Uvira als „Vorbild“ bezeichnet, in dieser Zeit verpasst. Noch besser ist die Bilanz bei den Punktspielen: null verpasste Partien. Lückel, der Gusseiserne.
Noch bemerkenswerter ist diese Bilanz vor dem Hintergrund der Vergangenheit. „Ich habe mich gefühlt wie ein Glasmensch“, sagt Lückel über die Jahre zwischen seinem 20. und seinem 25. Geburtstag. Erst bremsten in dieser Zeit zwei Kreuzbandrisse seine Ambitionen, doch kaum weniger schlimm waren die Jahre danach. Nur 48 Einsätze verbuchte der Blondschopf zwischen 2012 und 2017, davon nur wenige über die volle Distanz – weil immer wieder Muskelverletzungen dazwischen kamen.
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In einen Spielrhythmus kam der Berleburger so nie wirklich – doch in dieser Saison in der „Bundesliga des Sauerlandes“ performt der Angreifer: Mit 20 Treffern führt Lückel die Torjägerliste an. Mindestens zehn weitere Tore will der Stürmer noch erzielen, denn dann hätte er eine Wette mit VfL-Legende Manni Spies gewonnen. Der will bei 30 Toren ein Spanferkel springen lassen.
Die meisten Zuschauer
Die Fußball-Bezirksliga 4 ist beliebt: Jede Menge Derbys und Duelle zwischen Traditionsvereinen aus dem HSK werden ausgefochten – und das zieht Zuschauer an. Ende Oktober bezwang der SV Hüsten 09 Fatih Türkgücü Meschede auf dem Kunstrasenplatz im Dünnefeld mit 3:1 – insgesamt etwa 500 Besucher ließen sich dies nicht entgehen.
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Sogar etwa 700 Zuschauer strömten eine Woche später zum nächsten Spitzenspiel in das Sunderner Röhrtalstadion, als der heimische TuS die Mescheder mit 4:0 bezwang. „Ich erinnere mich noch gut an den Blick von der Trainerbank aus in das voll gefüllte Stadion. Es war eine tolle Atmosphäre. Da sieht man, welche Kraft der Amateurfußball haben kann“, sagt TuS-Trainer Fabio Granata.
Der treffsicherste Torwart
Nach ihrem 64. Saisontor, dem letzten der Spielzeit 2021/2022, war die Freude bei den Spielern von TuRa Freienohl riesengroß. Denn das zwischenzeitliche 6:0 beim 6:1-Erfolg bei Absteiger TuS Rumbeck hatte am letzten Spieltag Torhüter Jannik Erlmann erzielt – und insgesamt zweistellig getroffen (zehn Tore).
Der ehemalige Regionalliga-Schlussmann ist in Freienohl längst Führungskraft. Erlmann ist spielender Co-Trainer und nun als Feldspieler wichtig. „Dass es so gut laufen würde, hätte ich nicht gedacht. Obwohl ich schon auch weiß, dass ich mit dem Ball ganz gut umgehen kann“, erklärte Erlmann in der Vergangenheit bereits. Auch wenn sein Team in der laufenden Saison offenbar gegen den Abstieg spielt, hat der Torwart zur Winterpause schon wieder fünf Treffer auf dem Konto.
Der stärkste Spielertrainer
Fatih Türkgücü Meschede, SG Serkenrode/Fretter, FC Assinghausen/Wiemeringhausen/Wulmeringhausen, SG Bödefeld/Henne-Rartal: In der Bezirksliga 4 verfügen einige Teams über Spielertrainer. Der wohl insgesamt stärkste unter ihnen ist auch in der bisherigen Saison Christian Günther. Der ehemalige Oberliga-Fußballer traf schon in den vergangenen Spielzeiten regelmäßig, steht zwar aktuell erst bei vier Treffern, ist für den Tabellensiebten SG Serkenrode/Fretter indes eine wichtige Stütze.
Die negativen Überraschungen
Die Aufsteiger aus dem Fußballkreis Arnsberg haben es in der Bezirksliga 4 in den vergangenen Jahren traditionell äußerst schwer – und zählen am Saisonende oft zu den Absteigern, die wieder in die Kreisliga A hinuntermüssen.
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Als der FC Neheim-Erlenbruch aufstieg, waren die Prognosen andere. Euphorisiert durch den eigenen neuen Kunstrasenplatz und ausgestattet mit starken Spielern wie Stürmer Kai Oberreuther zählten weder die Experten noch die Erlenbrucher selbst ihr Team zu den Abstiegskandidaten. „Wir haben ein über Jahre hinaus eingespieltes Team, das im Aufstiegsjahr eine super Serie hingelegt hat. Dadurch haben die Spieler viel Selbstvertrauen getankt. Daher peilen wir einen einstelligen Tabellenplatz an“, sagte Trainer Amer Siala im August vor dem Saisonstart. Aber: Der Bezirksliga-Neuling holte nur neun Zähler aus 15 Spielen und überwintert als Tabellenschlusslicht.
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Einen Absturz erlebte der letztjährige Vizemeister BC Eslohe, der lange Zeit unten in der Tabelle herumkrebste, allerdings auch den Ausfall zentraler Kräfte wie Philipp Bürger oder Florian Hümmler zu beklagen hatte. Doch die Esloher fingen sich, fingen an zu siegen und überwintern auf Rang sechs.
Die größte positive Überraschung
Auf Tabellenplatz vier hält der SV Oberschledorn/Grafschaft weiterhin Tuchfühlung an die großen Drei aus Sundern, Meschede und Hüsten. „Wir sind ein Dorfverein mit bescheidenen Mitteln“, sagt Vereinschef Martin Gerbracht zu Recht.
Doch der Dorfklub verfügt über eine eingeschworene Truppe – und lebt auch von der klaren Spielidee, die Cheftrainer Adam Kowalik dem Team einverleibt hat. Trotz des Ausfalls wichtiger Stützen zeigten die Oberschledorner viele gute Leistungen und sind durchaus für einen Platz unter den Top Fünf in der Endabrechnung gut.
Der beste Podcast
Zugegeben: Zur „Bundesliga des Sauerlandes“ gibt es nur einen Podcast, nämlich den dieser Zeitung. Doch der lohnt sich! Seit Jahren begleiten wir die Bezirksliga 4 mit diesem Format. Während des Spielbetriebs erscheint der Podcast wöchentlich. Die Sportredakteure Philipp Bülter und Falk Blesken sprechen, auch gemeinsam mit Gästen, über das Ligageschehen, analysieren das Sportliche – ebenso mit Protagonisten der Liga – und tauschen sich über die vielen tollen Anekdoten und Geschichten, die diese Kultliga bietet, aus. Neues Equipment, neue Plattformen, neue Formate: Der Podcast dieser Zeitung wächst seit dieser Saison weiter. Die Vorfreude auf 2023 ist daher groß.
Der erfolgreichste Rückschritt
Er hatte gehadert, mich sich gerungen, mehrmals laut über einen Rücktritt nachgedacht. Die vergangene Saison, in der der Traditionsverein lange Zeit gegen den Abstieg gekämpft hatte, war für den damaligen Cheftrainer des SuS Langscheid/Enkhausen, Mario Droste, wahrlich kein Zuckerschlecken.
Frühzeitig kündigte „Super Mario“ seinen Abgang zum Saisonende an. Der TuS Sundern schnappte zu und präsentierte den erfahrenen Trainer als Sidekick zu Chefcoach Fabio Granata. Das Gespann Granata/Droste formte eine formidable Sunderner Mannschaft, die prima Leistungen zeigte und zurecht als Spitzenreiter überwintert.
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Der vermeintliche Rückschritt Drostes vom Chef zum „Co“ – er scheint sich ausgezahlt zu haben.
Der frechste Spruch
Ohne eine ordentliche Portion Humor macht Amateurfußball keinen Spaß – das wissen natürlich auch die Protagonisten der Kultliga.
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Nach der Partie des FC Neheim-Erlenbruch gegen TuRa Freienohl kam es zu unschönen Begleiterscheinungen. Freienohls Trainer Freddy Quebbemann wurde diffamiert. Er erklärte danach unter anderem, dass er in der Emotionalität einem Zuschauer „vielleicht zugerufen habe, er wäre lieber ein Jahr länger zur Hauptschule gegangen“. Kurz danach hatten sich die Beteiligten auch wieder beruhigt – der Spruch war aber in der Welt.