Yanqing/Winterberg. Ein Fast-Sturz, dann leuchtete Laufbestzeit auf: Hannah Neise liegt bei Olympia auf Medaillenkurs – so wie Jacqueline Lölling. Ein Krimi droht.
Wolfram Schweizer schlug die Hände vor sein Gesicht, während er auf den kleinen Bildschirm im Zielbereich schaute. Was er dort sah, entsetzte den Chefmechaniker des deutschen Skeleton-Teams. Doch als der Sauerländer ebenso wie Fans und Zuschauer diesen Moment des Schreckens überstanden hatte, stellte sich große Freude ein: Denn Hannah Neise, Pilotin des BSC Winterberg, liegt bei den Olympischen Winterspielen in Peking auf Medaillenkurs – und Jacqueline Lölling nur knapp hinter ihr.
Australierin Narracott führt
Nach zwei von vier Läufen nimmt das deutsche Trio, welches Tina Hermann komplettiert, die Plätze zwei (Neise), drei (Hermann) und fünf (Lölling) ein. Neise, die Olympia-Debütantin aus Schmallenberg, weist als Zweite nur 0,21 Sekunden Rückstand auf die führende Australierin Jaclyn Narracott auf. Dabei hatte Neise zwischen Weltcupfinale und Abreise nach China sogar um ihren Olympia-Start gebangt, weil sie sich mit dem Coronavirus infiziert hatte. Weltmeisterin Tina Hermann vom WSV Königssee liegt auf Rang drei nur zwei Hundertstelsekunden hinter Neise.
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Die Olympia-Zweite von 2018, Jacqueline Lölling von der RSG Hochsauerland, fuhr vor den beiden entscheidenden Läufen am Samstag auf den fünften Rang und besitzt mit einem Rückstand von 0,38 Sekunden auf Narracott noch alle Medaillenchancen. Die aus Brachbach stammende 27-Jährige hatte es nach einer enttäuschenden Weltcupsaison nur mit einer Ausnahmegenehmigung zu ihren zweiten Olympischen Winterspielen geschafft.
Die Entscheidung im Medaillenkampf fällt im vierten Lauf am Samstag (14.55 Uhr MEZ). Zuvor steht Lauf drei ab 13.20 Uhr (MEZ) an. In beiden Finalläufen sind besonders von den am Start eher schwachen deutschen Starterinnen nahezu perfekte Fahrleistungen ein Muss, sonst droht in dem engen Top-Ten-Feld der harte Absturz. Einen solchen musste die Kanadierin Mirela Rahneva bereits in Lauf zwei erleben, in den sie als Führende startete. Einige kleine Fahrfehler summierten sich, so dass sie nun als Neunte mit 0,83 Sekunden Rückstand im Klassement steht.
Neise rettet sich artistisch
Warum aber der aus Olsberg-Wiemeringhausen stammende Chefmechaniker Wolfram Schweizer bei Hannah Neises zweitem Lauf die Hände vor das Gesicht schlug? Weil die 21-jährige Sauerländerin kurz vor dem Ziel der Olympiabahn fast gestürzt wäre. Akrobatisch rettete sich Neise aber zurück auf ihren Schlitten und krönte mit diesem Kunststück quasi ihre Angriffsfahrt mit Laufbestzeit – 1:02:19 Minuten – von Rang acht auf jetzt Platz zwei.
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„Man hat sicher gesehen, dass ich ein wenig unbeholfen war – weil ich heuer noch nicht so oft in der Leadersbox stand“, sagte Neise zu ihrem langen Aufenthalt in der so genannten Leadersbox als Führende. „Meine Emotionen kann ich nicht so gut zeigen. Deshalb war es wahrscheinlich nicht so gut zu erkennen, wie ich mich wirklich gefühlt habe. Erst am Ende war mir klar, wie weit es nach vorne gegangen ist.“
Lölling dämpft Euphorie
Sie warnte aber vor zu kühnen Erwartungen: „Auf dieser langen Bahn mit vielen Tücken muss jede Starterin erstmal vier Läufe runterbringen. Darum ist auch für morgen noch alles offen.“ Auch Jacqueline Lölling schlug in diese Kerbe: „Es ist alles so eng zusammen. Bei der Mirela haben wir gesehen, wie schnell es gehen kann. Wenn es in dieser Bahn knallt, setzt sich das extrem fort. Auf der anderen Seite: Wenn es läuft, kann man halt auch den Startrückstand gut aufholen.“
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Lölling haderte mit einem „dicken Fehler vor der Kurve sechs, der mich viel Zeit kostete. Das war besch…, ausgerechnet an dieser Stelle, weil es direkt danach bergauf geht. Hier geht viel Geschwindigkeit flöten, die ich mit meinem Startrückstand jedoch brauche“. Zur Halbzeit des olympischen Skeleton-Rennens ist für sie, Tina Hermann und erst recht für Hannah Neise aber noch alles drin – sogar der erste Olympiasieg einer deutschen Skeleton-Pilotin.