Sauerland. Schulen, Vereine und Schwimmbäder im Sauerland schlagen Alarm: Die Gefahr von Nichtschwimmer-Jahrgängen ist groß. Alle Hintergründe und Stimmen.

Die Corona-Pandemie und die damit geschlossenen Schwimmbäder, abgesagten Schwimmkurse sowie ausgefallener Schwimmunterricht erzeugt im schlimmsten Fall zwei Nichtschwimmer-Jahrgänge. Eine Entwicklung, die für Kinder lebensgefährlich sein kann.

Im Hüstener Schwimmbad Nass nimmt ein Mädchen an der Schwimmausbildung teil.   
Im Hüstener Schwimmbad Nass nimmt ein Mädchen an der Schwimmausbildung teil.    © Nass

„Es ist zu befürchten, das manche Kinder, je älter sie werden, den Weg in Schwimmkurse nicht finden und somit Nichtschwimmer bleiben“, sagt Verena Haselhoff, Abteilungsleiterin der Schwimmabteilung des SSV Meschede. Der Klub aus der Kreisstadt ist wie alle Schwimmvereine im HSK ein wichtiger Träger der Schwimmausbildung.

Noch kein Kurs in diesem Jahr

Bis zum März 2020 war das Prinzip recht einfach: Eltern meldeten ihre Kinder in Schwimmkursen von Vereinen, DLRG-Ortsgruppen oder Vereinen an. „Vor der Corona-Pandemie haben die meisten Kinder vor ihrer Einschulung das Schwimmen in Kursen dort erlernt“, weiß die Arnsbergerin Anne Deimel, Grundschul-Rektorin und 2. Vorsitzende des NRW-Verbandes Bildung und Erziehung (VBE). Wer noch nicht schwimmen konnte, oft Kinder aus sozial-strukturell schwierigeren und auch aus Migrantenfamilien, lernten das dann in der Schule.

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Jetzt fehlt beides: Normalerweise wären aktuell beim SSV Meschede die Schwimmkurse voll. In diesem Jahr aber hat noch kein Kurs stattfinden können. Im vergangenen Jahr, so rechnet Verena Haselhoff vor, konnten seit März nur 20 Prozent der sonst üblichen Kursstunden stattfinden. Auch im Freizeitbad Nass in Arnsberg-Hüsten musste die Zahl der Schwimmkurse gegenüber dem Vorjahr in 2020 halbiert werden. Schwimmkurse von Schulen und Vereinen gingen um 65 Prozent zurück.

Rückgang um 65 Prozent bei Schwimmausbildung

Die Zahlen der Schwimmausbildungzum Beispiel im Freizeitbad Nass in Arnsberg-Hüsten gingen in 2020 gegenüber 2019 um rund 65 Prozent zurück.

Waren es in 2010 noch 25.073 Besuche von Schülerinnen und Schülern über den Schwimmunterrichtim Bad, wurden im ersten Coronajahr 2020 nur 8560 Schüler gezählt.

Ähnlich sieht es bei den Vereinen aus: Hier wurden in 2019 im Nass 23.889 Besuche durch Schwimmtraining registriert. In 2020 waren es nur 8207.

Dramatische Situation

Die Corona-Pandemie platzte in eine ohnehin schon dramatische Situation. „Die Zahl der Nichtwimmerinnen und Nichtschwimmer ist bereits in den vergangenen Jahren zunehmend“, sagt Bernd Löhr, Geschäftsführer des Freizeitbades Nass. Dies sei beispielsweise stets von der DLRG, den Vereinsverbänden sowie den Badbetreibern angemerkt worden. „Die augenblicklich anhaltende Situation der kompletten Bäderschließung durch die Corona-Pandemie seit November 2020 verschärft diese bundesweite Entwicklung noch zusätzlich“, ergänzt Löhr.

  Bernd Löhr, Geschäftsführer Freizeitbad Nass  
  Bernd Löhr, Geschäftsführer Freizeitbad Nass   © WP

Das hat viele Konsequenzen - nicht allein, die der Sicherheit beim Baden. „Gute Schwimmfähigkeiten sind für Kinder sehr wichtig“, betont Anne Deimel, „auf der einen Seite, weil sie sich in der Regel gerne im Wasser aufhalten und auf der anderen Seite, weil die Bewegungsabläufe beim Schwimmen positive Auswirkungen auf das Lernen und die kognitiven Fähigkeiten der Kinder haben“. Es werde eine wichtige Aufgabe des Schwimmunterrichts in den Schulen nach der Corona-Pandemie sein, Kindern zu ermöglichen, das Schwimmen sicher zu erlernen.

Gemeinsamer Kraftakt

Die Pädagogin verweist aber auch auf die Verantwortung der Erziehungsberechtigten, die ihre Kinder bei Bedarf zu einem Schwimmkurs anmelden sollten. „Schulen, Eltern und Schwimmvereine sowie DLRG können es gemeinsam schaffen, Kinder trotz Corona zu sicheren Schwimmerinnen und Schwimmern zu machen“, sagt Anne Deimel und sieht einen gemeinsamen Kraftakt von Nöten.

Der aber hat seine Grenzen: „Schon vor der Pandemie hatten wir lange Wartezeiten für Schwimmkurse. Diese werden sich drastisch verlängern“, fürchtet Verena Haselhoff, „ob dann alle Kinder schwimmen können, wenn sie auf die weiterführenden Schulen kommen, ist fraglich“. Auch den Kindern, die schon schwimmen können, aber noch nicht sicher genug sind, fehle dann die Möglichkeit ihre Schwimmfähigkeiten zu verbessern, sei es im Kurs, bei der DLRG und im Schwimmverein.

Herausforderung für Badeaufsicht

Die durch die Corona-Pandemie bedingte schlechtere Schwimmausbildung wird sich auch auf die Situationen der Schwimmaufsicht in Bädern und an Seen auswirken. Das glaubt zumindest Bernd Löhr, Geschäftsführer des Freizeitbades Nass in Hüsten.

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„Sollte der Anteil der Nichtschwimmer und Nichtschwimmer weiter zunehmen, ist sicherlich auch die Aufstockung von Aufsichtspersonal erforderlich. Dies kann und wird eine Herausforderung darstellen“, sagt er. Auch deshalb, weit sich seit einiger Zeit der Facharbeitermangel auch in der Bäderbranche bemerkbar mache. Es werde für die Badbetreiber zunehmend schwerer an geeignetes Fachpersonal zu gelangen.

„Noch schwieriger wird meines Erachtens auch die Wasseraufsicht an den Gewässern“, sagt Bernd Löhr. Diese werde vorrangig von ehrenamtlichen Kräften der DLRG sichergestellt. „Diese Herausforderung ist bereits neben den zuvor genannten Schwierigkeiten durch die anhaltende Pandemie in der heutigen Gesellschaftsentwicklung nur noch unter größten Kraftanstrengungen umsetzbar“, glaubt Löhr.

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Die Grundschullehr-Rektorin und stellvertretende Landesvorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE) in NRW, Anne Deimel aus Arnsberg, sieht zwar auch die Eltern bei der Badeaufsicht in der Pflicht, fürchtet aber ebenso Probleme. „Die Badeaufsichten sind immer sehr gefordert. Ihre Aufgabe wird durch die verringerte Schwimmpraxis von Kindern und Jugendlichen sicherlich noch herausfordernder“, fürchtet die Lehrerin.

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Für Verena Haselhoff von der Schwimmabteilung des SSV Meschede ist das Problem der zunehmend fehlenden Schwimmtauglichkeit vor allem an den Freigewässern groß. „Angesichts der Wünsche, Freizeit an, in und auf dem Wasser zu verbringen, vergrößern sich in Folge die Gefahren“, sagt sie.