Olsberg/Brachbach. Es war eine Saison voller Höhen und Tiefen für Weltklasse-Skeletoni Jacqueline „Jacka“ Lölling. Darum nimmt sie aus dieser Zeit enorm viel mit.

Jacqueline Lölling staunt selbst mit einigen Wochen Abstand noch über die zurückliegende Saison. Dass ihr so etwas passieren könnte – damit hatte die Skeleton-Pilotin der RSG Hochsauerland nicht gerechnet. Seitdem sie fast aus dem Nichts bei der Heim-Weltmeisterschaft 2015 in Winterberg in die Weltspitze vorgestoßen war, zeigte Löllings Karrierekurve schließlich nur in eine Richtung: nach oben. Eine Regeländerung und ein Ergebnis warfen die 26-Jährige aus Brachbach sinnbildlich aus der Bahn, bis unter anderem ein langjähriger Vertrauter sie zurück auf Kurs brachte.

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„Es war ein hartes Stück Arbeit, sie wieder in den Testmodus zu bekommen und sie dann noch davon zu überzeugen, dass das neue Material besser ist“, sagte Wolfram Schweizer im Gespräch mit dieser Zeitung. Er ist der Mann, der Lölling einst als Vorsitzender der RSG Hochsauerland und als Chefmechaniker des Bob- und Schlittenverbands für Deutschland (BSD) in die Weltspitze begleitete. Als Schweizer vom Weltcup-Team abgezogen wurde, musste sich auch Lölling in Sachen Material umorientieren.

Löllings Schlitten ist modernisiert

Seit der zurückliegenden Saison ist der Experte aus Olsberg-Wiemeringhausen wieder zurück – und modernisierte auch den Schlitten seiner RSG-Sportlerin. „Die Zusammenarbeit ist noch besser als früher“, sagte Schweizer und ergänzte grinsend: „Sie ist älter geworden und ich ruhiger.“

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Gemeinsam mit Lölling und Chef-Bundestrainer Christian Baude entwickelte der Sauerländer einen Schlitten, der es der durchtrainierten, aber groß gewachsenen Lölling erleichtert, die neue Gewichtsgrenze, die ihr zuvor Probleme bereitete, einzuhalten. Dennoch musste die Weltmeisterin von 2017, Olympia-Zweite von 2018 und dreifache Gesamtweltcup-Siegerin im ausklingenden Winter so lange wie nie zuvor auf ihr erstes Weltcup-Podest und noch länger auf den ersten Sieg warten. „Ich würde lügen, wenn ich abstreiten würde, dass der vierte Platz bei der WM in Altenberg 2020 ganz schön Spuren in meinem Kopf hinterlassen hat“, erklärte Lölling. Auf der Bahn, auf der sie zuvor stets auf dem Podest gestanden hatte – erlitt sie mit Rang vier eine persönliche Niederlage und begann, an sich zu zweifeln und mit sich zu hadern.

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Es folgte – an den ersten Ergebnissen gemessen – ein Karriereabsturz. „Die ganze Saison war sehr durchwachsen“, erzählte die Bundespolizistin: „Aber am Ende war doch irgendwie ein Aufwärtstrend zu erkennen. Ich war auch dank Wolfram Schweizer mutiger als in den vergangenen Jahren.“ Die von Athletikcoach Heiner Preute optimal vorbereitete Brachbacherin ließ sich auf Ideen ihres Vereinsvorsitzenden ein und resümierte nun: „Wir haben sehr, sehr viele Sachen umgestellt und ausgetestet. Wir sind irgendwie – wieder zusammen – einen neuen Weg gegangen.“ Und der führte zur Silbermedaille bei der Weltmeisterschaft 2021, die auf Grund der Coronapandemie erneut in Altenberg ausgetragen wurde.

Die neue mentale Lockerheit Löllings zeigte sich nach dem entscheidenden vierten Lauf, in welchen sie als Führende gegangen war. „Natürlich war es ein bitterer Moment, ins Ziel zu fahren und zu sehen, dass es nicht mehr reicht, den ersten Platz zu verteidigen“, sagte die 26-Jährige, um mit sich im Reinen anzufügen: „Aber mit vier Mal der zweitbesten Laufzeit war es eine solide silberne Leistung, über die ich mit etwas Abstand sehr froh bin.“

Das Feintuning beginnt schon jetzt

Dass im Mixed-Wettbewerb mit Alexander Gassner (BSC Winterberg) eine weitere Silbermedaille folgte, sorgte für einen Saisonabschluss, mit dem „Jacka“ im Vorfeld des Winters nie gerechnet hätte. „Ich hätte nie gedacht, dass es einmal so kompliziert laufen kann und man so viele Dinge verändern muss“, sagte sie: „Aber ich habe in dieser Saison viel gelernt.“

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Der Zeitpunkt des „Tiefs“ könnte passend gewesen sein. In der kommenden Saison warten die Olympischen Winterspiele in Peking als Saison-Höhepunkt auf Lölling. „Wir haben einen großen Schritt in die richtige Richtung gemacht, was das nächste Jahr angeht“, sagte sie. Heißt: Die großen Probleme sind beseitigt, in der olympischen Saison geht es nur noch um das Feintuning, was übrigens in diesen Tagen mit Tests im französischen La Plagne beginnt.

Nicht mit von der Partie ist dort Weltmeisterin Tina Hermann, die bekanntlich weiterhin von Ex-Bundestrainer Dirk Matschenz trainiert wird und deshalb mehr mit dem russischen Team um Matschenz unterwegs ist. Umso größer war Jacqueline Löllings Geste nach dem im letzten Moment verlorenen WM-Gold: Sie überreichte den WM-Pokal an ihre Rivalin.

„Das war definitiv eine spontane Aktion“, sagte Lölling schmunzelnd: „Wir mussten uns die Medaillen selber nehmen – und als Tina gerade los wollte, um sich den Pokal zu holen, hatte ich eine Eingebung.“ Sie sprang zum Pokal und übergab ihn der alten sowie neuen Weltmeisterin, weil „sie sich nicht nur den Pokal verdient hatte, sondern auch, ihn überreicht zu bekommen“.

Hermann quittierte diese Geste dankbar mit einem Kniefall vor Lölling. Und die – staunt auch mit einigem Abstand nicht über ihre Eingebung, sondern empfindet sie als ziemlich normal. Für eine bodenständige HSK-Sportlerin.