Altenberg. Jacqueline Lölling lag lange auf Goldkurs, doch nach einem dramatischen Finale in Altenberg war Tina Hermann erneut Skeleton-Weltmeisterin.

Sie hockte enttäuscht auf ihrem Schlitten im Eiskanal, während ihre Teamkollegin in der so genannten Leadersbox ein Freudentänzchen aufführte. Im abschließenden vierten Lauf der Skeleton-Weltmeisterschaft in Altenberg verlor Jacqueline Lölling die Goldmedaille, mit der die Pilotin der RSG Hochsauerland ihre offene Rechnung mit der schwierigen Bahn im Osterzgebirge begleichen wollte, doch noch an Tina Hermann. Warum es etwas dauern wird, bis sich die die 26-jährige Brachbacherin über ihre dritte Silbermedaille bei einer WM freuen wird.

Lölling enttäuscht und sprachlos

„Ich wusste schon als ich durch das Ziel gefahren bin, dass es wahrscheinlich nicht reichen wird“, sagte Lölling nach dem entscheidenden vierten Lauf der Titelkämpfe. Ihre Stimme vermittelte jene Traurigkeit, mit der sie bereits auf ihrem Schlitten gehockt hatte, während Trainer David Lingmann ebenso enttäuscht vor ihr kniete. „Wir wussten beide nicht so recht, was wir sagen sollten“, erklärte Lölling.

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Dank eines herausragenden Finales feierte Tina Hermann (WSV Königssee) ihren dritten WM-Titel in Folge, ihren vierten insgesamt. Die 28-Jährige lag letztendlich mit einem Vorsprung von elf Hundertstelsekunden vor Lölling. Dritte wurde die Russin Elena Nikitina mit bereits 1.68 Sekunden Rückstand.

Lölling präsentierte sich nach einem schwierigen Saisonstart pünktlich zu den Titelkämpfen in Altenberg, wo sie vor Jahresfrist die WM auf dem undankbaren vierten Platz beendet hatte, in Top-Form. Zur WM-Halbzeit lag sie auf Rang eins, nach dem dritten Lauf führte sie vor Hermann – und ärgerte sich deshalb umso mehr über den vierten Lauf und den knappen Rückstand im Gesamtklassement.

Eine große Geste: Jacqueline Lölling (links) überreicht Tina Hermann während der Siegerehrung den Weltmeister-Pokal.
Eine große Geste: Jacqueline Lölling (links) überreicht Tina Hermann während der Siegerehrung den Weltmeister-Pokal. © dpa | Sebastian Kahnert

„Wenn man auf dem Goldrang schläft und dann noch nach dem dritten Lauf vorne liegt, will das niemand wieder abgeben“, sagte sie. Selbstkritisch gab „Jacka“ aber zu: „Es waren einfach zu viele Fehler in dem Lauf.“ Woran das lag? Nicht an der Leiste, die nach dem ersten WM-Tag etwas zwickte, „das Rennen habe ich im vierten Lauf verfahren“, erklärte die Weltmeisterin von 2017 und Olympia-Zweite von 2018.

Tina Hermann muss zittern

Besonders Löllings Routine, bei großen Wettkämpfen als letzte Starterin unter einem gewissen Druck zu stehen, ließ Tina Hermann in der so genannten Leadersbox zittern. „Ich weiß, dass Jacqueline sehr, sehr gut fahren kann und sie es gewohnt ist, als letzte Starterin in den Lauf zu gehen“, beschrieb Hermann die Minuten der Unsicherheit für sie. Umso größer fiel ihr Jubel, ihre Erleichterung aus. „Mein erster Lauf war eine Katastrophe, jetzt freue ich mich, dass heute alles okay gelaufen ist“, ergänzte sie.

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Der Start in die WM war der alten und neuen Weltmeisterin mit Rang elf misslungen. Anschließend fuhr sie aber jeweils die schnellste Laufzeit. Lölling hingegen erreichte in allen vier Läufen konstant die zweitschnellste Zeit – und musste sich deshalb knapp mit Silber begnügen. „Das Eis war hart, die Bahn verzeiht keine Fehler und davon habe ich zu viele gemacht“, sagte sie.

Lölling steigert sich in der Saison

Doch wer hätte zum Saisonstart mit einer Silbermedaille der Brachbacherin gerechnet? Erst im vierten Weltcuprennen des Winters in Innsbruck gelang ihr mit Platz drei der Sprung aufs Podest. So lange wie in keinem Winter zuvor, mit Ausnahme ihrer Premierensaison im Weltcup, musste Lölling auf ihren ersten Sieg warten. Der gelang am Königssee – im vorletzten Weltcuprennen 2020/2021.

„Ich habe ihr gesagt, dass sie wie eine Goldsucherin agieren müsse“, erklärte ihr Heimtrainer Heiner Preute vor der WM. „Die erlebt auch viele Tage ohne nennenswerten Erfolg – aber irgendwann findet sie das Gold“, ergänzte er. Diese Nuggets fand Lölling am Königssee – im Erzgebirge gewann sie „nur“ Silber.

Hannah Neise auf Rang sieben

Sophia Griebel (Suhl) als Vierte und Junioren-Weltmeisterin Hannah Neise (BSC Winterberg) auf Platz sieben komplettierten das starke deutsche Ergebnis. Die Sauerländerin sagte nach ihrer WM-Premiere: „Ich bin zufrieden. In zwei Läufen gelang mir die drittbeste Laufzeit, damit hätte ich nicht gerechnet. Nur der dritte Lauf war etwas ärgerlich.“ Letztendlich wies Neise 1.94 Sekunden Rückstand auf Hermann auf.

Deren Sieg ist auch deshalb besonders, weil sie weiterhin von Ex-Bundestrainer Dirk Matschenz betreut wird und mit dem deutschen Team kaum noch Berührungspunkte hat. Der 41-jährige Matschenz arbeitet für Hauptkonkurrent Russland. Umso größer ist Jacqueline Löllings Geste bei der Siegerehrung zu bewerten: Sie überreichte ihrer sportlichen Rivalin den WM-Pokal.