Sauerland. Elektriker an Windkraftanlagen, Rettungsschwimmer im Aqua Mundo oder Teammanagerin im E-Sport: Amateursportler im HSK haben teils kuriose Berufe.
Ein Rettungsschwimmer im Center-Parcs-Park Hochsauerland, eine Bestatterin oder ein Vertreter für Pferdefutter: In der ersten Folge unserer neuen Serie „Die 10“ widmet sich diese Zeitung den zehn kuriosesten und außergewöhnlichsten Berufen heimischer Amateursportler aus dem Sauerland. Dazu zählt auch die eine oder andere vermeintlich gewöhnliche Profession, die durch ihre Umstände gleichwohl besonders ist.
Platz eins: Marvin Enterlein (Fußballer beim TuS Medebach III und Rettungsschwimmer im Center-Parcs-Park Hochsauerland): Ein Torjäger als Rettungsschwimmer – das ist Marvin Enterlein aus Medebach. In seiner Freizeit trifft er für C-Kreisligist TuS Medebach III wie er will – 51 Treffer waren es in der letztlich aufgrund der Coronakrise abgebrochenen Vorsaison. „In der neuen Saison will ich unbedingt die 100-Tore-Marke knacken“, sagt Enterlein jetzt selbstbewusst.
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Beruflich ist er seit einem Jahr als Rettungsschwimmer an außergewöhnlicher Stelle im Einsatz: im Center-Parcs-Park Hochsauerland in Medebach. Im Karibikfeeling des Erlebnisbades Aqua Mundo schützen Enterlein und Team die Besucher, versorgen Verletzte und müssen auch mal zu drastischen Mitteln greifen. „Ich habe auch schon mal einen Betrunkenen aus dem Bad geworfen“, erzählt Enterlein.
Platz zwei: Kim Spreyer (Volleyballerin beim RC Sorpesee und Teammanagerin einer E-Sport-Mannschaft): Die 21-Jährige entspricht nicht dem gängigen Gesellschaftsklischee einer Gamerin, doch Kim Spreyer, Volleyballerin des künftigen Zweitligisten RC Sorpesee, ist genau das: leidenschaftliche Zockerin. „Ich spiele viel League of Legends, aber auch andere Games“, sagt Spreyer.
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So lag es nahe, dass sich die Sauerländerin im E-Sport-Bereich bewarb. Und ihr aktueller Arbeitgeber SK Gaming kann sich sehen lassen: Die E-Sport-Organisation mit Hauptsitz in Köln betreut E-Sport-Teams in verschiedenen Spielen, unter anderem im beliebten Fifa und League of Legends. Die SKG-Teams sammelten bereits viele Titel und spielten mehrere Millionen Euro Preisgeld ein. „In letzter Zeit habe ich als Teammanagerin für ein neues Academy Team agiert und Coaches für die Spielerinnen und Spieler gesucht“, sagt Kim Spreyer.
Platz drei: Saskia Dünschede (Fußballerin des TuS Voßwinkel und Projektingenieurin mit dem Schwerpunkt Kampfmittel): Die Voßwinkeler Fußballerin arbeitet beim Rhein-Ruhr-Express als Projektingenieurin. Saskia Dünschede ist vor allem für Aufgaben zum Thema Kampfmittel zuständig. Wenn Lärmschutzwände oder Eisenbahnbrücken neu gebaut werden müssen, wird tief gegraben. „Wir müssen vorher ausschließen, dass sich im Boden noch Bomben aus dem Zweiten Weltkrieg befinden“, erklärt sie.
Im Zuge beispielsweise von Kampfmittelsondierungen ist die 24-Jährige auch mal nachts auf Baustellen zu finden. Hier gelte es, zu vermeiden, dass bei laufenden Bauarbeiten Bomben entdeckt werden. Bei Blindgängern muss dann der Kampfmittelbeseitigungsdienst herangezogen werden. „Der Job macht mir großen Spaß“, sagt sie.
Platz vier: Michael Groß (Fußballer des SV Brilon und Service-Elektriker für Windkraftanlagen): Dass Michael Groß durchaus abgehärtet ist, lässt schon sein Spitzname vermuten. Schließlich wird der 34-Jährige „Beton“ gerufen – insbesondere bei der Ausübung seines Hobbys Fußball. „Den Namen habe ich mal wegen meiner etwas härteren Spielweise verpasst bekommen“, erklärt Groß.
Viel Courage benötigt der Alte-Herren-Kicker des SV Brilon nicht nur auf dem Spielfeld, sondern vor allem im Beruf: Groß arbeitet als Service-Elektriker in luftigen Höhen, denn er wartet und hält Windkraftanlagen instand und ist bei Inbetriebnahmen dabei. Bei Anlagen in bis zu 160 Metern Höhe herrschen viele Sicherheitsvorschriften. „Es gibt in dem Beruf viele Gefahren, da wir ja mit teilweise hohen Spannungen arbeiten und in großen Höhen unterwegs sind. Da sollte man seine Arbeitsschritte zwei Mal überdenken, wenn man da hochklettert“, sagt „Beton“ Groß und lacht.
Platz fünf: Klaus Otte-Wiese (Springreiter des RV Hellefeld und Berater für Pferdefütterung und -haltung): Wenn jemand bei Verkaufsgesprächen überzeugende Argumente hat, dann Klaus Otte-Wiese: Der 47-Jährige berät Kunden unter anderem zu Themen wie dem richtigen Pferdefutter und der besten Haltung der Tiere. Seit 40 Jahren reitet der Routinier des RV Hellefeld selbst erfolgreich Turniere, feierte mehr als 700 Siege und betreibt mit seiner Familie einen Hof in Neuenrade-Blintrop. „Natürlich ist es ein Vorteil für mich, dass ich viele Menschen aus der Pferdesportszene kenne. Streng genommen verkaufe ich aber auch Konkurrenten das beste Futter und mache ihre Tiere besser – aber das sind gute Argumente“, erzählt Klaus Otte-Wiese und schmunzelt.
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Vor allem im Ruhrgebiet, dem südlichen Westfalen, in Teilen Hessens und auch im Kreis Warendorf ist er als Vertreter aktiv. Kurios: Klaus Otte-Wiese ist gelernter Bankkaufmann, „aber mein Herz war immer bei den Pferden“, sagt er.
Platz sechs: Katharina Bigge (Schwimmtrainerin des SV Marsberg und Bestatterin): Klar, sie kenne die typischen Reaktionen, sagt die Marsbergerin Katharina Bigge. Wenn zur Sprache kommt, dass die 33-Jährige als Bestatterin arbeitet, fragen Gesprächspartner interessiert nach oder sind bisweilen erstaunt.
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Nicht jeder hat einen leichten Zu- und Umgang mit dem Thema Tod und so müssen mitunter erst Hemmschwellen überwunden werden. Das war auch bei Katharina Bigge so, doch nach der intensiven Pflege eines Angehörigen „habe ich großes Interesse an diesem Beruf gefunden“, sagt sie. Die Quereinsteigerin, die zuvor als Lehrerin unter anderem an der Uni unterrichtet hat, schätzt an ihrem Beruf, „dass man mit vielen unterschiedlichen Charakteren an Angehörigen zu tun hat. Das macht es spannend. Ich liebe an meinem Job, dass man merkt, dass man anderen hilft, und hätt’s nicht besser treffen können“.
Platz sieben: Cesare De Leo (Fußballtrainer des SuS Langscheid/Enkhausen II und als Elektroniker zuständig für Kläranlagen): Es kommt vor, dass Fußballer Cesare De Leo Bereitschaftsdienst hat, doch dass er während eines Fußballspiels – er trainiert den künftigen A-Kreisligisten SuS Langscheid/Enkhausen II – zur Arbeit gerufen wird, „passiert eher selten“, versichert er.
Als Elektroniker ist De Leo in einem elfköpfigen Team für den Klärbetrieb in insgesamt fünf Kläranlagen zuständig. Das Vorurteil, dass es in einer und rund um eine Kläranlage mächtig stinkt, kann Cesare De Leo entkräften: „Es stinkt nur im Rechengebäude, denn dort werden die groben Stoffe aus dem Abwasser gefiltert. All das, was im Klo landet. Ansonsten stinkt es nirgends.“ An seinem Job schätze er die „große Abwechslung“, sagt der Fußballcoach: „Man tut zudem sehr viel für die Umwelt.“ Cesare De Leo empfiehlt Menschen, ihre Vorurteile abzubauen, und mal eine Kläranlage zu besichtigen. „Das ist sehr interessant“, sagt er.
Platz acht: Sercan Cihan (bislang Fußballer beim SC Neheim und Berater von Anwärtern für Sportstipendien): Nach einer Saison beim Fußball-Westfalenligisten SC Neheim hat der gebürtige Sunderner Sercan Cihan nun den Verein verlassen – bleibt aber weiterhin im Klub angemeldet. Beruflich und privat zieht es Cihan in die Türkei. Dort will er weiterhin als Berater für Anwärter für Sportstipendien arbeiten – aus gutem Grund: Im Sommer 2016 war Cihan selbst mit einem Sportstipendium als Masterstudent an die Lenoir-Rhyne University nach North Carolina in die USA gegangen – und zweieinhalb Jahre geblieben.
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Neben dem Studium spielte Sercan Cihan in der College League Fußball. „Das Ganze fand unter Profibedingungen statt: Wir haben jeden Tag trainiert, hatten Regenerationseinheiten wie Eisbäder oder die Spiele. Es war die beste Zeit meines Lebens“, schwärmt er. Nun möchte er anderen dabei helfen, diese große Chance zu ergreifen.
Platz neun: Claudia Simon (Schwimmerin beim SV Neptun Neheim-Hüsten und Flugbegleiterin): Ihre Sorge spricht Claudia Simon frei heraus. „Unsere Airline ist ziemlich am Boden, und auch ich bange um meinen Job“, sagt die 35-Jährige.
Bereits seit 15 Jahren ist die Arnsbergerin als Flugbegleiterin in luftigen Höhen und an vielen verschiedenen Orten auf der Welt unterwegs. Sie erlebe viele spannende Kulturen, ein „tolles Crewleben“ und vielfältige Begegnungen mit vielen verschiedenen Gästen.
Doch die Arbeit habe sich bedingt durch die Coronakrise verändert, gibt Simon zu. Zwar sei die Atmosphäre im Flieger „bei den Gästen entspannt“, doch für die Flugbegleitern bedeuteten die Umstände mehr Arbeit an Bord und über Stunden die Notwendigkeit, Masken zu tragen. „Leider keine schöne Atmosphäre“, sagt Claudia Simon, die aktuell indes ihre Elternzeit genießt.
Platz zehn: Onur Kütük (Fußballer beim SV Bachum/Bergheim und Friseur): Der 28-Jährige schneidet Haare – und das professionell: Seit 13 Jahren ist Onur Kütük im Geschäft, seit elf Jahren ist er Friseurmeister. So weit, so gewöhnlich, würde man meinen.
Doch die Dienste des frisierenden Torwarts des A-Kreisligisten SV Bachum/Bergheim sind heiß begehrt. Insbesondere Kütüks Mannschaftskameraden, aber auch die erste Frauenmannschaft, die „Zweite“ der Herren, Vorstandsmitglieder und Fans lassen sich gern von ihrem Mitspieler frisieren und stylen. „Eine Glatze schneide ich gerne nach dem Spiel in der Kabine, ansonsten muss aber jeder ganz regulär den vollen Preis zahlen“, erzählt Onur Kütük und lacht.
Am Rande (von Philipp Bülter)
Kurios und offen
Für die Recherche zur ersten Folge unser Serie „Die 10“ habe ich mit vielen Amateursportlern aus dem Sauerland gesprochen, geschrieben – und herzlich gelacht. Denn es war klasse, welch’ schöne Anekdoten der eine oder andere zu erzählen hatte, und wie offen alle über ihren Job, ihre Erfahrungen – gute sowie weniger gute – und mitunter auch existenzielle Sorgen gesprochen haben. Hut ab, denn ich persönlich finde das nicht selbstverständlich.
Natürlich hat die Einordnung der aus unserer Sicht zehn außergewöhnlichsten Berufe heimischer Sportler in eine Rangliste einen zutiefst subjektiven Charakter – und kann aufgrund der schieren Masse gar nicht alles und jeden umfassen. Insofern freuen wir uns über Kritik, Zustimmung und auch Alternativvorschläge. Gibt’s im Hochsauerlandkreis zufällig Sportler, die ihren Lebensunterhalt beispielsweise als Golfballtaucher, Schreitrainer, Wasserrutschentester oder Glückskekstexter verdienen? Oder in anderen kuriosen Berufen arbeiten? Melden Sie sich – wir erzählen gern Ihre Geschichte.