Dortmund/Arnsberg. Er lebte 30 Monate lang als Sportstipendiat in den USA – diese Zeit hat das Leben von Fußballer Sercan Cihan vom SC Neheim verändert.
Dort, wo einst ein riesiges Industrieareal emporstieg, bietet im Dortmunder Stadtbezirk Hörde nun der wunderschöne Phönixsee als Teil eines attraktiven Wohn- und Naherholungsgebietes eine famose Kulisse. Hörde ist derzeit auch die Heimat von Sercan Cihan, Linksverteidiger des Fußball-Westfalenligisten SC Neheim.
Im Gespräch mit dieser Zeitung gibt sich der Linksverteidiger mit Blick auf das blaue Wasser des Phönixsees trotz der zwei Niederlagen zum Auftakt in der Liga entspannt. Der 27-Jährige erklärt seinen Wechsel zum SC Neheim, verrät, wie ihn seine Zeit als Halbprofi in den USA nicht nur sportlich geprägt hat und erzählt, wie er als großer Bruder ein Vorbild sein möchte.
Sercan Cihan, Sie leben in unmittelbarer Nähe des Phönixsees in Dortmund, an dem sich bereits seit Jahren immer wieder auch Profifußballer des BVB ansiedeln. Wen trifft man da beim Brötchenholen?
Sercan Cihan: (lacht) Tatsächlich laufe ich häufiger BVB-Profi Mario Götze in einer Caféteria in der Nähe über den Weg. Das ist natürlich ganz cool. Ich sympathisiere auch mit dem BVB, genau wie mit der TSG Hoffenheim, aber großer Fan bin ich jeweils nicht. Dafür bin ich schon immer ein Anhänger von Fenerbahce Istanbul – das ist mein Klub.
Sie stammen gebürtig aus Sundern, spielten für den TuS in der Jugend und anschließend im Seniorenbereich unter anderem für den SSV Meschede in der Landesliga. Im Sommer 2016 wählten Sie einen ungewöhnlichen Schritt: Mit Hilfe eines Stipendiums wechselten Sie an die Lenoir-Rhyne University nach North Carolina in die USA
– und blieben zweieinhalb Jahre...
Ein Kumpel hat mich darauf gebracht, denn er hat damals ebenfalls durch ein Stipendium in den USA Fußball gespielt und studiert. Ich hatte meinen BWL-Bachelor an der Fachhochschule Südwestfalen in Meschede abgeschlossen und wollte gerne meinen Master in den USA machen. Bei der Vermittlungsagentur Scholarbook, die studentische Anwärter für ein Studium in den USA und die Universitäten dort zusammenbringt, habe ich mich beworben – und es hat geklappt.
Aus dem Sauerland ging es für Sie nach Übersee – 7000 Kilometer entfernt von Zuhause. Wie sah ihr Leben in den USA aus?
Ich musste erstmal googeln, wo der Bundesstaat North Carolina genau liegt, nämlich in der Nähe von Florida. (lacht) Es hat mir dort sehr gut gefallen. Mein Stipendium war ein Rundum-sorglos-Paket: Essen, Unterkunft, Krankenversicherung und die Studiengebühren im fünfstelligen Eurobereich waren abgedeckt. Ich habe dort meinen Master in Global Business Management gemacht und für meine Uni in der College League Fußball gespielt. Das Ganze fand unter Profibedingungen statt: Wir haben jeden Tag trainiert, hatten Regenerationseinheiten wie Eisbäder oder die Spiele. Es war die beste Zeit meines Lebens.
Wie war Ihr Team sportlich aufgestellt? Wie haben Sie das fußballerische Niveau empfunden?
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In unserer Mannschaft hat nur ein US-Amerikaner in der Startelf gespielt, sonst waren das nur internationale Spieler. Ich war als Linksverteidiger im Einsatz und wurde direkt als Stammspieler eingesetzt – damit hatte ich als Spieler aus der Landesliga nicht unbedingt gerechnet. In meinem Team war unter anderem ein Spanier, der aus „La Masia“, der legendären Jugendakademie des FC Barcelona, stammte und im linken Mittelfeld vor mir spielte. Das war auf unserer linken Seite schon ganz cool. (lacht) Der Fußball in den USA, auch in den unteren Ligen, ist ziemlich athletisch. Die Sportart wird sehr gepusht, denn Erfolge sind für die Unis eine super Werbung. Es kommt total auf Leistung an.
Unter vielen jungen Leuten wird im Ausland auch naturgemäß viel gefeiert. Konnten Sie da als Halbprofi überhaupt so richtig mitmischen?
Wir haben in einem Haus mit vielen Fußballern direkt am Campus gewohnt, jeder hatte sein eigenes Zimmer. Nach den Spielen hatten wir dann an den Samstagabenden schon häufiger Soccer House Partys. Sonntags ging es zur Regeneration dann aber trotzdem ins Eisbad. (lacht)
Wie haben Sie die US-Amerikaner wahrgenommen und hat Sie Ihr Aufenthalt persönlich verändert?
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Die Leute dort sind einfach offener. Ich habe mich in den USA immer frei gefühlt, will aber nicht für immer dort leben, auch wenn es leichter ist, Profi zu werden. Ich denke und träume noch heute oft auf Englisch, bin noch reiselustiger als früher geworden und habe im Anschluss beispielsweise immer mal wieder ehemalige Mitspieler in ganz Europa besucht. Sportlich trainiere ich mehr als früher, schiebe gerne Extraschichten und achte auf meine Athletik sowie Ausdauer. Das hat mich schon immer ausgezeichnet. Ich probiere gerne neue Sachen aus und mache das mittlerweile eher nach dem Motto: Come on, what’s next?
Ihre Zwillingsschwestern Damla und Yagmur, beide 16 Jahre alt, wollen Ihnen am liebsten nacheifern. Was sagen Sie denn dazu?
(lacht) Ich finde es gut, dass sich die beiden so für meine USA-Zeit begeistern. Sie sollen erstmal ihre Schule fertigmachen und dann können wir uns ja mal einen Plan ausdenken.
Mit Ihrem neuen Verein, dem SC Neheim, haben Sie in der Westfalenliga zum Auftakt gegen zwei starke Gegner zwei Mal knapp verloren. Sie standen jeweils in der Startelf. Welche Perspektive hat die Mannschaft aus Ihrer Sicht?
Wir wollen eine gute Rolle spielen und sind gut aufgestellt. Das Gesamtpaket beim SC hat gestimmt. Ich halte sehr viel von Trainer Alex Bruchhage, denn er ist fair und stellt nach Leistung auf. Alex sieht, dass er auf mich bauen kann – und das tut mir natürlich auch gut.