Sauerland. Die Vertreter von Vereinen aus dem Sauerland finden, dass sich Profi- und Amateurfußball immer weiter voneinander entfernen. Das sind Gründe.

So langsam wisse er nicht mehr, was er in seinem großen Garten noch anstellen solle, sagt Alex Bruchhage, Coach des Fußball-Westfalenligisten SC Neheim, und schmunzelt. Und Lars Rathke, Trainer des A-Kreisligisten SSV Meschede, empfindet die aktuelle Situation in der Krise ohne Fußball so, „als wenn jemand für uns alle ganz dick auf die Bremse getreten hat“.

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Während der Ball bei den heimischen Fußballern im Sauerland wohl noch für einige Monate ruhen muss, und sich der Fußball- und Leichtathletik-Verband Westfalen (FLVW) intensiv damit beschäftigt, wie die Saison 2019/2020 gewertet wird, stehen die 1. und 2. Fußball-Bundesliga jetzt vor ihrem Comeback. Voraussichtlich ab Mitte Mai sollen in der Coronakrise so genannte Geisterspiele vor leeren Rängen ausgetragen werden.

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Sind diese aus Sicht von Amateurfußballern im HSK eine willkommene Abwechslung oder aber ein weiterer Schritt der möglicherweise noch größer werdenden Spaltung zwischen den Amateuren und den profitorientierten Spitzenvereinen? Eine Analyse.

Die Basis und die Profis

Viele Fußballer aus dem Sauerland, ob Trainer, Funktionäre oder Spieler, sehen einen immer größeren Bruch im Verhältnis des Profi- zum Amateurfußballs. „Bis auf die Sportart haben Profi- und Amateurfußball keine Gemeinsamkeiten mehr.

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Für die Profivereine geht es schon lange nur noch um den größtmöglichen Profit“, sagt Steffen Göddecke, Abteilungsleiter des A-Kreisligisten TSV Bigge-Olsberg. Eine klare Botschaft – deren Kern auch die anderen Vereinsvertreter aus HSK-Klubs, die diese Zeitung im Zuge dieser Analyse befragt hat, so teilen – wenn auch differenziert.

Stefan Fröhlich, Trainer des Landesligisten SV Brilon, hält den Bruch für „enorm. Dazu gehören aber immer zwei. Viele Amateurvereine wollen den ,Großen’ nacheifern. Das fängt mit der Bezahlung von Spielern an und geht bis zur Professionalisierung bei den Kreisligavereinen weiter. Jeder möchte so sein wie die Profis“, betont er.

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Verheerender sei indes noch, wie beispielsweise Verbände mit Vorgaben ein weiteres Fortschreiten des Missverhältnisses förderten. Fröhlich: „Man verliert die Basis. Da werden Vorgaben gemacht, die nicht einzuhalten sind. In der Oberliga müssen zum Beispiel Stadien mit Gästeblöcken vorhanden sein. Dazu sind die Sicherheitsvorschriften Wahnsinn. Oder dass man einen sportlichen Meister nicht in die 3. Liga aufsteigen lässt, nur weil dieser nur einen Zuschauerschnitt von 1000 hat und ein Stadion mit 15.000er-Kapazität haben muss, ist für mich nicht nachzuvollziehen.“

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Für Alex Bruchhage, Trainer des Westfalenligisten SC Neheim, ist der Bruch zwischen der Basis und dem Profibereich auch der Entwicklung geschuldet. „Die Schere geht auch immer weiter auseinander, weil die Unterschiede viel größer geworden sind – beispielsweise, weil Profivereine selbst Unternehmen wurden, die auch Nachwuchsleistungszentren haben. Den Amateur- und Profifußball kann man nicht vergleichen“, findet er.

Frank Scheibe, Präsidiumsmitglied beim VfB Marsberg, empfindet bereits seit längerer Zeit „eine große Belastungsprobe“, wenn es um die schwierige Beziehung zwischen Profi- und Amateurfußball geht. Dass beispielsweise mehrere Profispiele am Sonntag ausgerichtet und somit den heimischen Vereinen an diesem klassischen Spieltag im Amateurbereich Zuschauer genommen werden, sei „keine neue Situation. Trotzdem geht das aber zu Lasten der Amateurvereine“.

Geisterspiele: Fluch? Segen?

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In der nächsten Konferenz der 16 Ministerpräsidenten der Bundesrepublik mit Kanzlerin Angela Merkel am Mittwoch, 6. Mai, soll es laut Merkel „sehr klare Entscheidungen“ über den Sport geben. Wenn die Entscheidung pro Geisterspiele in der 1. und 2. Bundesliga ausfällt, könnten die Profis wohl ab Mitte Mai ihre Saison zu Ende spielen.

Alex Bruchhage wird sich die Partien der Profis dann im TV anschauen, „allein schon aus Sicht des Fans, der ich bin“. Jedoch trenne er ganz klar zwischen dem bisherigen Fußball mit vollen Stadien, Fangesängen und entsprechender Atmosphäre und den aufgrund der Coronakrise nun völlig anderen Bedingungen. „Das wird Fußball light sein. Ich nehme aber lieber Fußball light als gar keinen Fußball“, betont er.

Martin Gerbracht, Vorsitzender des Bezirksligisten SV Oberschledorn/Grafschaft, empfände es gar als „heuchlerisch“, sich die Spiele nun nicht anzuschauen, obwohl man das regelmäßig vor der Krise getan habe. „Auch wenn die voraussichtliche Freigabe des Spielbetriebs sehr, sehr fragwürdig ist, werden das doch sehr viele Fußballfreunde als schöne Abwechslung in der tristen Zeit annehmen“, meint Gerbracht.

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Das sieht auch Lars Rathke, Trainer des A-Ligisten SSV Meschede so: „Ablenkung, egal in welcher Form, ist besonders aktuell nicht verkehrt. Ich werde mir die Spiele auch anschauen, weil es mir ja beispielsweise ebenso um Aspekte wie die taktischen Finessen geht. Aber: Den Spielern wird auch Adrenalin fehlen, in so einem leeren Stadion. Da werden nicht so viele Emotionen vorhanden sein.“

Brilons Stefan Fröhlich will sich viel lieber an die Höhepunkte der Partien in den Zusammenfassungen halten. „Ich werde mir keine Geisterspiele über 90 Minuten anschauen. Das tue ich meinem Gemüt nicht an“, sagt er. „Mittlerweile bin ich soweit, dass ich mir trotzdem Spiele anschauen würde. Fußball ist eben immer noch die schönste Nebensache der Welt“, sagt derweil Frank Scheibe. Dieses Credo gilt wohl für alle Amateurkicker.