Sauerland. Der eine schwingt den Regenschirm, die andere stürmt den Platz: Meckerrentner, Frischverliebte und Gönner sind typische Zuschauer beim Fußball.
Voraussichtlich noch einige Monate lang wird die große Fußballszene im Sauerland kein Punktspiel mehr besuchen können. Wir finden: Genau jetzt ist die richtige Zeit, um sich mal den echten Typen zu widmen, die an jedem „normalen“ Spieltags-Wochenende zu hunderten zu den heimischen Sportplätzen strömen.
Auch interessant
Der Meckerrentner, der Erfolgsfan, der Gönner, die Frischverliebte, der Verschwörungstheoretiker, der Sparfuchs – diese Zeitung bietet einen Überblick über typische Zuschauer und ihre streitbaren, amüsanten und ebenso liebenswerten Eigenheiten.
Der Erfolgsfan
Plötzlich steht er da. Da, wo er immer stand, so viele Jahre lang, als es höherklassig noch in der Verbandsliga zur Sache ging. Jetzt, nach zwei Abstiegen in Serie, spielt „sein“ Verein nur noch in der Bezirksliga. Lange Zeit war er abwesend, doch nun, fünf Spiele vor Schluss – das Team ist klar Tabellenführer und auf Aufstiegskurs – ist der Erfolgsfan zurück am Sportplatz.
Auch interessant
Auf die Nachfragen seiner Stehplatz-Nachbarn, die sich verblüfft nach den Gründen für seine monatelange Abwesenheit erkundigen, antwortet er mit einem Schulterzucken: „Den Jungs habe ich immer zugetraut, dass sie das schaffen. Ich hatte viel um die Ohren. Und ich hatte diese Knieverletzung, da wollte ich keine langen Touren mit dem Fahrrad machen.“ Die 300 Meter Anreise von seinem Haus zum Sportplatz wären zu Fuß sicher zu viel des Guten gewesen.
Der Meckerrentner
Früh macht er sich am Sonntagnachmittag auf zum Platz. Wichtiges Utensil: sein Regenschirm. Egal, wie das Wetter ist. Denn wenn seiner Ansicht die Spieler der Heimmannschaft zu wenig laufen, hilft er schon mal nach. Ein schwungvolles Nachsetzen mit dem Schirm setzt notfalls auch Gegenspieler außer Gefecht, die in der Schlussphase hektisch den Ball von der anliegenden Kuhwiese zurück ins Spiel befördern. „Einer meiner Mitspieler hat auswärts von einem älteren Zuschauer eines mit dem Regenschirm übergezogen bekommen“, erzählt Cesare De Leo, Coach des B-Ligisten SuS Langscheid/Enkhausen II.
Auch interessant
Doch nicht nur die latente Lust, etwas an der Unversehrtheit der Spieler zu ändern, zeichnet den Meckerrentner aus. Er ledert auch gern gegen den Schiedsrichter. Und er bringt wichtige Themen an den Sportplatz. „Was die Politiker in Berlin sich da wieder geleistet haben, geht gar nicht!“, poltert er los. „Hätten wir damals so gearbeitet, dann hätte es geklatscht – aber keinen Beifall!“
Energiewende, Verkehrssicherheit, die vergangene Ratssitzung, in der der Ausbau der Bundesstraße beschlossen wurde: Er analysiert alles, egal, ob Nebenfrau oder Nebenmann eigentlich nur Fußball schauen will. Nach dem Abpfiff eilt er schnellen Schrittes nach Hause, die nächsten Nachrichten warten. „Mal sehen, was die jetzt wieder vergeigt haben“, verabschiedet er sich, klappt den Regenschirm auf und ist entschwunden.
Der Gönner
Im Dorf führt er ein mittelständisches Unternehmen, ist beliebt und engagiert sich in der Dorfgemeinschaft. Besonders einen Spieler im Team unterstützt der Gönner gern – und steckt diesem regelmäßig nach dem Spiel zehn oder 20 Euro zu. „Haste gut gemacht, Junge“, lautet sein knapper Kommentar. Das kommt in der Mannschaft nicht immer gut an, doch da kann der Gönner locker drüber stehen.
Die Frischverliebte
Neues Top, neue Hose, neue Handtasche: Vor ihrem ersten „Auftritt“ als Spielerfrau ist die neue Freundin des Mittelfeldregisseurs ziemlich aufgeregt. Spitzenspiel in der Kreisliga B Arnsberg ist schließlich auch nicht jedes Wochenende. Standesgemäß verfolgt sie von der Auswechselbank aus das Spielgeschehen und bangt in erster Linie mit ihrem Freund, wenn der in einem Zweikampf von einem gegnerischen Spieler berührt wird.
Auch interessant
Wird ihr Liebster gar gefoult und fällt hin, kann es schnell zur Kurzschlusshandlung kommen. „Ein Spieler, dessen neue Freundin am Platz war, hat sich mal verletzt. Seine Freundin kam daraufhin aufgeregt mit Handtasche zu ihm auf den Platz gelaufen – er stand aber längst schon wieder. Dieses Bild, die beiden nebeneinander mit Handtasche auf dem Aschenplatz – super!“, sagt Tim Kuhlmann, nun Trainer des Frauen-A-Ligisten SG TuS Bruchhausen/TuS Niedereimer.
Der Allesbesserwisser
Wenn seine Lieblingsmannschaft trainiert, ist er der klassische Kiebitz. Er kriegt alles mit – zumindest ist das seine Meinung. „Hab’ gehört, dass der Neuner am Sonntag eh nicht in der Startelf steht“, erklärt er seinem Nebenmann. „Woher weißt Du das?“, entgegnet der. „Hab’ ich halt gehört“, antwortet der Allesbesserwisser sagenumwoben.
Auch interessant
Wenn dann am Sonntag das Heimspiel angepfiffen wird und der Neuner trotz aller Unkenrufe natürlich doch startet, kriegt sich der Allesbesserwisser nicht mehr ein. Zweieinhalb Minuten sind gespielt, als ihm der Kragen platzt: „Trainer! Wieso spielt schon wieder der Neuner? Der ist doch blind wie ein Maulwurf! Siehst Du gar nichts?!“
Auch interessant
Solche Erfahrungen hat auch Jörg Fischer, der künftig Landesligist SV Hüsten 09 trainiert, gemacht. „Diese Zuschauer sitzen auf der Tribüne hinter dir und Du wirst als Coach am Spielfeldrand lautstark mit Sprüchen befeuert“, sagt er und lacht. „Damit kann ich aber gut umgehen. Ich freue mich immer, sich nach dem Abpfiff im Vereinsheim auszutauschen.“
Auch interessant
Denn trotz allem: Auch der Allesbesserwisser ist meist ein treuer Anhänger. „Beim SC Olpe hatten wir so einen Fan: ein älterer Herr mit T-Shirt und Schal vom Verein. Er kam immer aus Arnsberg zu den Spielen auf einem alten Moped angefahren“, erzählt Kenny Kinder, Spieler des A-Ligisten DJK GW Arnsberg.
Der Vater
Besonders im Juniorenfußball, aber auch im Seniorenbereich anzutreffen. Wenn ein Teamkollege seines Sohnes es wagt, den Junior nicht anzuspielen, bekommt der Vater „200 Puls! Spiel’ auf den Justin – der weiß wenigstens etwas mit dem Ball anzufangen!“ Bei Sätzen wie diesen schaut Justin angestrengt in Richtung Wald, der an den Platz grenzt.
Aus seiner Zeit als Juniorencoach bei Arminia Bielefeld kann Fabio Granata, der nun die ersten Herrenmannschaft des TuS Sundern in der „Bundesliga des Sauerlandes“ trainiert, den Typ „Vater“ weiter eingrenzen: „Das ist auch gern mal der Ex-Profi, der seinem Sohn zuschaut. Oder auch der Berater.“
Der Verschwörungstheoretiker
„Ganz ehrlich: Die haben uns doch schon seit Jahren auf dem Kieker!“ Für den Verschwörungstheoretiker ist die Sache klar: Verliert seine Mannschaft ein Spiel, dann sind in erster Linie „Die“ schuld. Die Schiedsrichter? Die Fußballfunktionäre? Die Geheimdienste? Die Freimaurer? Die Mafia? Es bleibt letztlich unklar, wer „Die“ sind.
Auch interessant
Doch vor allem bei kollektiven Negativerlebnissen, wie damals dem knapp verpassten Sprung in die Landesliga, ist sich der Verschwörungstheoretiker sicher: „Die steuern das von oben – wir als kleiner Verein dürfen einfach nicht aufsteigen!“ Dass seine Mannschaft soeben in den letzten zehn Spielminuten sechs Hochkaräter versiebt und das Heimspiel knapp 1:2 verloren hat, lässt er nicht als Ausrede gelten.
Der Stadionsprecher
Ein wichtiges Ehrenamt, nicht nur im Fußball. Seine sonore Stimme hat hohen Wiedererkennungswert. Ein Höhepunkt an jedem zweiten Sonntag: die Aufstellung des Gegners.
Auch interessant
Reist ein Spieler an, dessen familiäre Wurzeln im Ausland liegen und dessen Nachname 20 Buchstaben hat, könnte es beim Vorlesen lustig werden. Auch mit der Unparteilichkeit ist das so eine Sache: Stadionsprecher sind fast immer auch selbst Fans und fallen schon mal aus der Rolle. „Meist sorgen sie aber mit guten Sprüchen für Belustigung“, lobt Stefan Fröhlich, Trainer des Landesligisten SV Brilon.
Der Sparfuchs
Den vollen Eintritt für ein Heimspiel bezahlen? Nicht mit dem Sparfuchs. Früher stand er draußen an der Lücke zum ansonsten blickdichten Zaun am Sportplatz, doch jetzt hat sein Verein das Loch doch tatsächlich geflickt.
Auch interessant
Seitdem besucht der Sparfuchs die Heimspiele erst zur zweiten Halbzeit, spart sich somit den Eintritt, deckt sich dann aber erst mit Mantaplatte und Bier und später noch mit einem Stückchen Plattenkuchen ein. Das Auto hat er zu Hause stehen gelassen. Die drei Kilometer zum Sportplatz kann man ja auch zu Fuß gehen.