Arnsberg. Wie Sport erfolgreich zur Integration beiträgt, zeigt die Geschichte des Syrers Ahmed Khiata (50). Was er auf seiner Flucht in den HSK erlebte.

Daraus machen die routinierten Tischtennis-Cracks des TTV Neheim-Hüsten kein Geheimnis: Die blitzschnell und hart platzierten Vorhandbälle, die Mitspieler Ahmed Nader Khiata in jeder Trainingseinheit präsentiert, lehrt die eigenen Mannschaftskameraden das Fürchten. Khiata ist aus seiner Heimat Syrien nach Deutschland geflüchtet, im HSK angekommen und vor etwa fünf Monaten Mitglied beim TTV Neheim-Hüsten geworden. Hier gilt der 50-Jährige als absoluter Sympathieträger.

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Egal, mit wem man beim TTV Neheim-Hüsten spricht: Alle haben den stets besonnenen und zuvorkommenden Neuankömmling ins Herz geschlossen. Vor allem sportlich ist der Syrer längst angekommen. Vor kurzem zeichnete der Tischtenniskreis Arnsberg/Lippstadt den 50-Jährigen als „Newcomer des Jahres 2019“ aus.

Was ihm Tischtennis bedeutet

Von seiner neuen Heimat und den Menschen im Sauerland zeigt sich Ahmed Khiata ebenfalls begeistert. Er schätzt die Willkommenskultur im Verein und die in seiner neuen sauerländischen Heimat Neheim sehr. Sein Lieblingssport, das Tischtennis, sei für ihn weit mehr als reine Freizeitbeschäftigung. Denn vor allem beim Tischtennisspielen schafft es Ahmed Khiata, die schrecklichen Erlebnisse des Syrienkrieges, die damit verbundenen persönlich erlittenen Schicksale und die mit seiner Familie durchlebte dramatische Flucht für kurze Zeit auszublenden. „Das ist alles schlimm, sehr schlimm. Es ist ein schlechtes Gefühl, wenn ich daran denke“, sagt der Syrer mit gedämpfter Stimme und in erstaunlich gutem Deutsch.

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In der Sporthalle am Holzener Weg absolvieren die TTV-Aktiven aus den unterschiedlichen Spielklassen gerade ihre Trainingseinheiten, während Ahmed Khiata im Gespräch mit dieser Zeitung interessante und vor allem persönliche Einblicke liefert. Die Ereignisse der jüngsten Vergangenheit – das wird klar – sind tief in dem in den HSK geflüchteten Mann verankert.

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Vor etwa fünf Jahren war der in seiner Heimat Syrien praktizierende Zahnarzt gemeinsam mit seiner Frau und den drei Kindern geflohen. Zu gefährlich und zu ausweglos war die Situation in dem von kriegerischen Zuständen gebeutelten Land geworden. „Wir hatten Angst, zu überleben“, erklärt Khiata. Sein Blick ist nun starr, die Stimme leiser als zuvor und in seinen Augen bilden sich Tränen. „Alles war kaputt. Mein Haus, meine Praxis – alles kaputt. Meine Mutter ist von einer Bombe getroffen worden. Sie ist tot.“ Das zuvor gut situierte Leben des Mediziners und seiner Familie in Aleppo wurde zerstört. „Wir mussten fliehen. Unser Leben war in Gefahr“, sagt Khiata.

So läuft die abenteuerliche Flucht ab

In einer Oktobernacht des Jahres 2015 habe sich die Familie auf den langen Weg weg aus der Heimat gemacht. Vom Stadtrand Aleppos aus sei es zunächst mit einem Bus in die Türkei gegangen. „Wir waren mehr als 50 Personen, Männer, Frauen und ganz viele Kinder. Nur ein paar Tüten mit ein bisschen Kleidung und einen Beutel mit Bargeld haben wir dabeigehabt. 200 US-Dollar pro Personen verlangte der Fahrer des Busses von uns“, berichtet Khiata.

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Nach einem fünfwöchigen Aufenthalt in einem Flüchtlingslager in Istanbul und in Izmir habe sich seine Familie gemeinsam nach Griechenland aufgemacht – in einem kleinen Gummiboot auf dem Wasser. 48 Stunden hätten sie sich zusammen mit neun weiteren Geflüchteten den Gefahren auf offener See in der Ägäis ausgesetzt, ehe sie schließlich das rettende Ufer erreichten. „Die wollten diesmal 800 US-Dollar von jedem von uns haben. Aber das Leben ist wichtiger als Geld“, sagt Ahmet Khiata.

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Unter „sehr schwierigen Bedingungen“ habe seine Familie in den Flüchtlingslagern leben müssen. „Wir haben alle ganz eng nebeneinander in Zelten schlafen müssen. Ein schlechter Geruch lag ständig in der Luft. Die Zustände waren sehr schlecht“, so Khiata.

Erfolge im Prozess der Integration

Ihre Flucht führte Familie Khiata weiter, bis nach Deutschland. Sie landeten in Oelde im Münsterland und kamen anschließend in den Hochsauerlandkreis in ein Flüchtlingsheim nach Müschede. „Wir sind glücklich, dass wir hier sind. Es ist ein gutes Gefühl, jetzt Sicherheit und keinen Krieg mehr zu erleben“, sagt er.

Ahmed Khiata und seiner Familie ist es mittlerweile sogar gelungen, eine Fünf-Zimmer-Wohnung in Neheim zu beziehen. Seine Kinder besuchen allesamt das Gymnasium. Auch das: ein Erfolg.

Unterdessen würde der Familienvater nur allzu gern wieder als Zahnarzt praktizieren. Doch zuvor muss der 50-Jährige noch einige Zeit die Schulbank in der Volkshochschule Arnsberg/Sundern drücken und zudem um eine Anrechnung seiner in Syrien erlangten beruflichen Qualifikation hoffen. Ahmed Khiata hofft darauf, irgendwann in seine Heimat zurückzukehren. „Ich wünsche mir das sehr, weiß aber nicht, wie es weitergeht.“