Lake Placid/Winterberg. In Windeseile wurden die Kisten gepackt: Früher als geplant reisen die deutschen Bobfahrer vom Trainingslager in den USA heim – auch Laura Nolte.
Auf den ersten Blick ist es ein ganz normales Video, das Laura Nolte jetzt in ihrer Instagram-Story veröffentlichte. Auf den zweiten ist es ein ziemlich besonderes. Denn es zeigt die Bobpilotin des BSC Winterberg, wie sie den Eiskanal in Lake Placid „von ganz oben“ herunter rast. Diese Fahrten – sie sind nach der Weltmeisterschaft in Altenberg auch ein Triumph gegen die eigene Psyche. Und den hätte Nolte gerne noch etwas länger ausgekostet. Doch plötzlich hieß es, die Koffer zu packen.
Das sagt der Cheftrainer
„Wir prüfen aktuell, ob bereits am Freitag statt erst wie geplant am Sonntag alle nach Hause fliegen können, da das Risiko von Flughafenschließungen zu groß wird“, sagte Bob-Cheftrainer René Spies am Donnerstagabend gegenüber dieser Zeitung. Wenig später war klar: Für die Bobfahrer geht es auf Grund der weltweiten Coronavirus-Krise früher als geplant nach Hause.
„Die Lage bei uns ist noch nicht klar, aber erstmal bleiben wir noch hier“, sagte hingegen Jacqueline Lölling, Skeleton-Pilotin der RSG Hochsauerland. Das Skeleton-Team trainiert ebenfalls in Lake Placid.
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Doch warum waren Laura Noltes Trainingsfahrten ein Triumph gegen die eigene Psyche?
Ein Rückblick: Zur Halbzeit der Weltmeisterschaft in Altenberg liegt die junge Pilotin des BSC Winterberg auf dem 17. Platz – weil sie in dem schwer zu fahrenden Eiskanal nicht nur im Training mehrfach stürzt, sondern auch im zweiten von insgesamt vier WM-Läufen. Der Sturz im Wettbewerb sieht gefährlich aus, denn teilweise rutscht das Sportgerät wortwörtlich auf dem Kopf (der Athletinnen) liegend unkontrolliert die Bahn hinunter.
Sportpsychologe hilft Nolte
Nolte und ihrer Anschieberin Ann-Christin Strack passiert nichts Gravierendes – doch Chef-Bundestrainer René Spies nimmt die Winterberger Pilotin aus dem Wettbewerb. Er möchte die 21-Jährige, die zuvor eine sensationell erfolgreiche erste Saison im Weltcup fährt und als Deutschlands größtes Talent an den Lenkseilen gilt, schützen.
„Körperlich ist soweit alles gut, hier und da habe ich eine Wunde, am Knie zum Beispiel, aber das ist zweitrangig. Es ist eher der Kopf, der mir Sorgen bereitet. Ich bin ziemlich enttäuscht“, sagte Nolte in einem Interview mit dem „Münchner Merkur“ nach den Titelkämpfen. Die amtierende Deutsche Meisterin ergänzte: „Ich bin kein bisschen ängstlich. Ich bin ja nach den Trainingsstürzen immer wieder eingestiegen. Trotzdem werde ich dieses Jahr nicht mehr in Altenberg fahren. Das wäre zu viel. Nächstes Jahr werde ich wieder her kommen – und wissen was ich kann.“
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Einen Kurz-Trip mit ihrer Stammanschieberin Deborah Levi, die bei der WM krankheitsbedingt passen musste, nach Lissabon sowie einige Gespräche „mit Freunden, der Familie und meinem Sportpsychologen“ später weiß Nolte nicht, was ihr bevorsteht, als sie nach der Saison mit Teilen des Weltcup-Teams zur Trainingswoche nach Lake Placid aufbricht. 2021 soll in Nordamerika die nächste Weltmeisterschaft ausgetragen werden.
„Für Laura geht es darum, sich die Bahn zu erarbeiten“, sagt René Spies. Heißt: Nolte fährt zum ersten Mal in diesem Eiskanal, kennt dessen Schwierigkeiten also nicht. Ausgerechnet nach dem Sturz-Chaos bei der WM steht die Premiere in Lake Placid an, weshalb Erinnerungen wach werden an Noltes Premiere auf der technisch anspruchsvollen Bahn im lettischen Sigulda.
Nolte im Bob mit einem Mann
Nach insgesamt vier Trainingsstürzen beschließt die Pilotin vor gut einem Jahr, im Europacup nicht zu starten. „Ich werde zurückkommen und besser sein, Sigulda!“, kündigt sie damals an. Noch steht die Rückkehr aus, weil in der gerade abgeschlossenen Saison beim Weltcupfinale, das gleichzeitig als EM gewertet wird, vor den Titelkämpfen in Altenberg kein Risiko eingegangen werden soll.
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Kurios: In Lake Placid springt hinter Nolte nicht nur Vanessa Mark als Anschieberin in den Bob, sondern mit Christopher Koch auch ein Mann. Warum? „Weil der Zeit hatte und sie von unten anfängt“, antwortet Spies im ersten Moment teils ernst, teils flapsig, um zu ergänzen: „Wenn sie zum Ende der Woche oben ist, ist das okay. Und Christopher haben wir mitgenommen, weil der robust ist und was aushält.“
Er musste aber nichts aushalten. Weil Laura Nolte Altenberg „abgehakt und aufgearbeitet“ hat. Was nicht zuletzt das Video zeigt, das Video „von ganz oben“.