Winterberg. Nach über eineinhalb Jahren endet für Erline Nolte (Winterberg) eine Leidenszeit. Über ein Thema diskutiert sie kontrovers mit ihrem Trainer.
Bei Weltcups sprang Erline Nolte am Start routiniert hinter ihrer Pilotin Anna Köhler in den Bob, bei Weltmeisterschaften – und sogar bei den Olympischen Winterspielen 2018. Die 30-jährige Anschieberin des BSC Winterberg ist eine der erfahrensten ihres Fachs in Deutschland. Doch vor diesem Start und vor dieser Fahrt durch den Eiskanal kribbelt es in Noltes Bauch.
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Denn der Trainingslauf, den Erline Nolte mit ihrer Pilotin und Vereinskollegin Anna Köhler am Montag am Königssee absolvieren wird, ist ihr Comeback im Schlitten, ihre ersehnte Rückkehr nach über anderthalbjähriger Leidenszeit. „Das wird meine erste Bobfahrt seit dem letzten Lauf bei den Olympischen Spielen“, erzählt die BSC-Anschieberin im Gespräch mit dieser Zeitung: „Ehrlich gesagt bin ich ein bisschen aufgeregt.“
Dass Nolte in den vergangenen anderthalb Jahren nicht verzweifelt aufgab und ihre Karriere beendete, zeugt von der Leidenschaft, mit der die Sportsoldatin ihre Sportart betreibt, und von ihrer Liebe zum Bobfahren. Nach dem vierten und somit letzten Lauf bei den Olympischen Spielen 2018, die Köhler/Nolte auf Rang 13 beendeten, begann eine beispiellose Verletzungsserie.
Eine lange Liste mit Verletzungen
„Mir wurde nach der Saison ein Knochenstück am rechten großen Zeh entfernt. Danach habe ich vielleicht zu früh wieder trainiert und den Fuß zu stark belastet“, sagt Erline Nolte zurückblickend. Knochenödeme im Fuß bedeuteten das vorzeitige Saison-Aus für 2018/19. „Der Neustart in diesem Jahr war ebenfalls alles andere als erfreulich. Zu allem Überfluss erlitt ich einen Ermüdungsbruch im Mittelfuß“, sagt die Athletin des BSC. Und als sie sich auf bestem Weg zurück zu alter Stärke wähnte, zog sie sich einen Muskelfaserriss in der linken Wade zu.
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Gut fünf Wochen liegt dieses Malheur zurück und Erline Nolte verpasste deshalb den Zentralen Leistungstest (ZLT) in Oberhof. Doch jetzt ist sie wieder fit, kehrt zurück in den Bob – und möchte beim offiziellen Nachholtest am 4. November eine Top-Leistung zeigen.
Schließlich verfolgt sie in ihrer wahrscheinlich letzten Saison im Bobsport ein Ziel, welches mit Emotionen beladen ist. Sie möchte mit Köhler bei der WM 2020 in Altenberg starten. „Es ist mein Traum, bei der WM in Altenberg zu starten, ein großer, ja ein riesiger Traum“, sagt sie: „Aber das wäre ein toller Abschluss, von Heim-WM zur Heim-WM.“
Tränen im Ziel bei Heim-WM
Was sie damit meint? 2015, als die Titelkämpfe in der Veltins-EisArena in Winterberg ausgetragen wurden, ging ihr Stern am Anschieber-Himmel erst richtig auf. Mit Pilotin Stefanie Szczurek aus Oberhof belegte sie überraschend den vierten Platz und konnte und wollte sich die Tränen der Freude nicht verkneifen.
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Der Weg nach Altenberg ist allerdings ein schwerer, weil bereits teamintern mit Leonie Fiebig und Lena Zelichowski ein harter, aber immer fairer und freundschaftlicher Konkurrenzkampf um den einen Platz hinter Köhler bevorsteht. „Die beiden sind schon sehr fit“, sagt Nolte, die zwar den Fahrweise-Lehrgang am Königssee absolviert, die folgenden allerdings erstmal nicht.
Eine Thema gärt zudem im Hintergrund. Ein Thema, welches auf den ersten Blick Potenzial besitzt, die super Beziehung zu Heimtrainer Heiner Preute auf die Probe zu stellen. Es dreht sich um die Nordamerika-Tour im Rahmen des Weltcups zu Beginn der Saison.
Mit den Rennen in Park City/USA (29. November bis 1. Dezember) beginnt der Weltcup-Winter, anschließend geht es nach Lake Placid/USA (13. bis 15. Dezember), ehe Winterberg die erste Station in Europa ist (3. bis 5. Januar).
„Wenn es irgendwie geht, würde ich die Nordamerika-Tour gerne mitmachen“, sagt Nolte. „Ich halte davon nichts. Unser Ziel sollte meines Erachtens sein, beim ZLT am 28. Dezember in Oberhof Bestleistung zu zeigen und uns dementsprechend ohne solche Reisestrapazen darauf vorzubereiten“, sagt Preute.
So reagiert Trainer Heiner Preute
Jedoch versteht der Coach die Beweggründe seiner Athletin, für die eine Wettkampfreise nach Nordamerika voraussichtlich die letzte ihrer Karriere wäre.
Und wie auch immer die Entscheidung ausfällt, verstehen werden sich Nolte und Preute weiterhin super. „Erline ist alt genug, das zu entscheiden und alle Vor- und Nachteile gegeneinander abzuwägen“, sagt Preute, „und ich weiß, wie wichtig ihr die Reise mit den anderen Mädels ist.“
Doch das – ist ein Thema für die kommenden Wochen und auch für den aus Winterberg stammenden Chef-Bundestrainer René Spies. Vorerst zählt nur eins: Erline Noltes erste Bobfahrt seit den Olympischen Winterspielen im Februar 2018.