. Im Vierer geht das Team um René Spies mit drei Sieganwärtern ins Rennen. So winkt zum Abschluss der olympischen Wettbewerbe das dritte Gold.

Es mag Wortklauberei sein, aber: Es gibt nur sieben olympische Sportarten bei den Winterspielen. Disziplinen gibt es hingegen schon ganze 15. Und zählt man alle Wettbewerbe von Pyeongchang zusammen, so kommt die stattliche Zahl von 102 heraus. Im Laufe vieler Wintersport-Jahrzehnte haben sich dabei deutsche Domänen herausgebildet. Biathlon ist und bleibt eine Stärke, dem achten Platz der DSV-Frauenstaffel am Donnerstag zum Trotz. Gleiches gilt für die Nordische Kombination, eindrucksvolle fünf von neun möglichen Plaketten steuerten Eric Frenzel und Co. zum deutschen Medaillenspiegel bei.

Auch gilt alles, was durch den Eiskanal rauscht, als Bank für die Farben Schwarz-Rot-Gold. Neben den Rennrodlern ist auch auf die Bobfahrer und -fahrerinnen stets Verlass, das war im Deutschen Olympischen Sportbund stets Gewissheit. Bis zur vielzitierten Schmach von Sotschi 2014. Vier Jahre nach jenem historischen Tiefpunkt, als die Sparte erstmals nach 50 Jahren ohne Edelmetall nach Hause kam, greifen die Bobsportler in den Nächten auf Samstag (1. und 2. Lauf ab 1.30 Uhr MEZ) und Sonntag (3. und 4. Lauf ab 1.30 Uhr MEZ) nun nach dem dritten Gold.

Der Bobsport ist wieder in der Spur

Sogar ein Dreifacherfolg scheint für die Viererbob-Flotte möglich, dieser wäre ein Novum in der 94-jährigen Winterspiel-Geschichte. Doch ganz egal, ob auf den historischen Tief- nun ein historischer Höhepunkt folgen wird, fest steht bereits jetzt: Der deutsche Bobsport ist wieder in der Spur und der Erfolg hat einen Vater: Bundestrainer René Spies.

„Das waren intensive vier Jahre in allen Bereichen“, sagte der Winterberger am Montag mit Blick auf die zurückliegende Olympiade. Verantwortlich ist er dabei ja erst seit knapp zwei Jahren, als er nach dem überraschenden Rücktritt von Christoph Langen übernahm. Von Anfang an richtete Spies seine Arbeit klar auf die Spiele von Pyeongchang aus, auf das Projekt Wiedergutmachung.

Diese ist dem 44-Jährigen gelungen, der Weg dorthin war aber steinig. Wollte man Spies’ bisherige Amtszeit auf zwei zentrale Ansätze zusammenfassen – sie hießen Mensch und Material, und in beiden Bereichen setzte der Sauerländer auf die Kraft der Konkurrenz.

Stichwort Material: Gegen politische Widerstände setzte Spies durch, dass die Top-Athleten zwischen den Schlitten aus zwei verschiedenen Schmieden wählen können. Das Berliner FES (Institut für Forschung und Entwicklung von Sportgeräten), das mit seinen Untersätzen 2014 nicht überzeugen konnte, sah sich plötzlich einem technologischen Wettstreit mit dem österreichischen Schlittenbauer Hannes Wallner ausgesetzt. Profitiert haben am Ende die Sportler. „Es wird immer enger“, beschrieb Olympiasieger Franceso Friedrich das erfreuliche Duell ums beste Equipment vor genau einem Jahr.

Nicht minder kompliziert für Spies zu managen: Der Faktor Mensch. Aus seiner aktiven Zeit als Bob-Profi brachte der Sauerländer ein großes Netzwerk mit, noch größer scheint aber sein Talent zu sein, Umbrüche nicht nur einzuleiten, sondern auch perfekt zu moderieren. Paradebeispiel sind die Frauen, die unter Spies einen personellen Neuanfang erlebten.

Kreatives Chaos, toller Teamgeist

In die Lücke, die Anja Schneiderheinze 2016 hinterließ, sprangen Pilotinnen wie Stephanie Schneider oder Miriama Jamanka – beziehungsweise Anschieberinnen wie Annika Drazek. Auch Talente wie das Duo Anna Köhler/Erline Nolte vom BSC Winterberg erhielten ihre Chance, dabei wurden die Bobs im Laufe der Weltcups immer wieder kräftig durchgemischt – um die beste Besetzung zu ermitteln, aber auch um die Belastungen zu steuern. Dem Teamgeist hat das kreative Chaos keinen Abbruch getan – im Gegenteil: Unter dem Banner „German Bobladies“ feiern sich Drazek und Co. selbst und gegenseitig, zuletzt beim Triumph von Jamanka/Buckwitz eindrucksvoll zu beobachten.

Lorbeeren, auf denen Spies sich nicht ausruht. Er blickt stattdessen auf die letzte Aufgabe in Südkorea und gibt sich so sachlich wie gewohnt. „Ich habe vor der Saison gesagt, dass dies die härtesten Olympia-Rennen der Geschichte werden“, sagt der Bundestrainer, „das hat sich im Zweier bestätigt, und das wird auch im Vierer so sein. Von der Goldmedaille bis zu Platz sechs kann alles passieren.“ Er habe die Schweiz, Lettland und Kanada auf der Rechnung. Aber Deutschland, und das ist die gute Nachricht, ist im Bobsport wieder die Nation, die es zu schlagen gilt.