Gelsenkirchen. Marketing-Experte Michael Bernecker über Image-Kratzer, Trikot-Werbung, Professionalisierung und einen möglichen neuen S04-Trikotpartner.
Fußball-Zweitligist FC Schalke 04 befindet sich in turbulenten Zeiten. Den Verein drücken 165 Millionen Euro Verbindlichkeiten. Ein Großteil von wichtigen Sponsorenverträgen läuft in den kommenden Monaten aus. Sportlich läuft es mau bei den Königsblauen. Das Saisonziel Wiederaufstieg ist nicht mehr zu erreichen, es geht nur noch um den Klassenerhalt. Der harte Kern der Anhänger stellte wegen bodenloser Auftritte des Teams bereits mehrfach die Unterstützung ein. Im Hintergrund hat sich eine Gruppe um den ehemaligen Aufsichtsrats-Chef Clemens Tönnies gebildet, die den Kult-Klub retten will. Doch wie viel ist die Marke Schalke 04 überhaupt noch wert? Professor Michael Bernecker, Geschäftsführer des Deutschen Instituts für Marketing in Köln, blickt im Interview auf das große Ganze bei Schalke.
Herr Bernecker, wie viele Kratzer verträgt ein Traditionsverein wie der FC Schalke 04 überhaupt?
Michael Bernecker: Wenn der sportliche Erfolg ausbleibt und es immer wieder Unruhe im Verein gibt, dann wirkt sich das aus. Sponsoren schauen sich so etwas genau an. Die Marke Schalke 04 ist aber grundsätzlich sehr robust. Sie ist so robust, dass sie es auch mit Kratzern lange aushält.
Was spricht überhaupt für Schalke 04?
Fußball ist ein emotional aufgeladener Sport. Und Schalke bietet genau diese Emotionalität. Der Klub hat bei seinen Heimspielen über 60.000 Zuschauer, dazu über 170.000 Mitglieder. Die Fanbasis ist für einen Verein wie Schalke ein verstärkender Faktor. Die Präsenz im Fernsehen und in den anderen Medien ist da. So lange Schalke in der 2. Liga oder der Bundesliga spielt und nicht in die 3. Liga absteigt, sehe ich für diesen Verein keine Gefahr.
Ab wann droht Schalke Gefahr?
Meistens sind Sponsoring-Verträge an sportlichen Erfolg gekoppelt. Das heißt: Je besser ich abschneide, desto mehr Geld fließt in die Vereinskasse. Sollte sich Schalke 04 länger in der 2. Liga aufhalten, hätte das sicherlich auf mittlere Sicht Konsequenzen.
Erst kurz vor dem Saisonstart hat Schalke mit Veltins einen Trikotsponsor präsentiert. Auch bei Hertha BSC brauchte lange, bis Wettanbieter „Crazybuzzer“ auf der Brust prangte. Hat sich der Sponsoring-Markt im Fußball gewandelt?
Wir beobachten einen Trend zur Professionalisierung. Das frühere Mäzenentum, das es auch bei Traditionsverein Schalke 04 gab, basierte häufig auf privaten Interessen. Jetzt wird in der Bundesliga und der 2. Liga deutlich mehr auf Reichweite geachtet, die man mit seiner Werbung bei einem Profi-Fußballverein erzielen möchte. Dazu gibt es noch komplexe Situationen im Werbesektor. Es geht nicht mehr nur darum, auf der Trikotbrust eines Vereins zu erscheinen, sondern auch um Hospitality-Leistungen, also Gäste-Betreuung im Stadion, Logen-Plätze und Werbe-Pakete drumherum. Da kann dann auch eine Bandenwerbung noch einmal einige 100.000 Euro zusätzlich einbringen.
Für die neue Saison bemüht sich Schalke wieder um einen Partner für die Trikotbrust. Sind Jahreszahlungen von vier bis fünf Millionen Euro für einen Zweitliga-Klub realistisch?
Es gibt keine Faustformel für Zahlungen im Bereich Trikotwerbung. Es kommen erst einmal viele Faktoren zusammen, bevor sich ein Sponsor für ein Engagement im Trikotsektor entscheidet. Da geht es um die Fan-Basis, die Stadiongröße, die Emotionalität und auch darum, wie viele Minuten ein Verein wöchentlich im Fernsehen gezeigt wird. Da bewegt sich Schalke 04 natürlich auf einem ganz anderen Level als zum Beispiel der SV Wehen Wiesbaden oder Holstein Kiel. Schalke steht eben viel mehr im Fokus als andere Zweitligisten. Häufig ist es so, dass professionelle Agenturen sich um das Thema Trikotwerbung kümmern. Schalke 04 muss sich da eher mit Bayern München oder Borussia Dortmund vergleichen lassen, auch wenn die beiden Vereine aktuell eine Liga höher spielen.
Schalke 04 pflegt seit Jahrzehnten sein Kumpel- und Malocher-Image. Ist das heute überhaupt noch zeitgemäß?
Es gibt zwar mittlerweile keine Zechen mehr im Ruhrpott, aber man darf diese Malocher-Werte nicht nur daran festmachen. Die Marke Schalke ist nach wie vor wertvoll. Ich würde das Motto heute etwas ausformulieren. Zum Beispiel: Anpacker- und Macher-Klub. Das ist im Grunde das Weiterdrehen des Malocher-Klubs. Das Bild vom Kumpelverein passt nach wie vor zum FC Schalke 04.
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Welcher Werbepartner würde eigentlich perfekt zu den Königsblauen passen?
Wenn Sie mal durch den VIP-Bereich gehen, dann wird auffallen, dass sich dort viele Handwerker aufhalten, die sich mal ein besonderes Paket bei ihrem Verein gönnen und Fußball genießen wollen. Als Werbepartner würden handwerksorientierte Marken wie zum Beispiel Werkzeughersteller oder auch Berufsbekleidungshersteller eher passen. So finden wir ja zum Beispiel Strauss-Berufskleidung in vielen Stadien als Bandenwerbung.
Welche Perspektiven sehen Sie für Schalke 04?
Wenn man mit Leuten über denS04 spricht, dann hört man fast durchweg: Schalke gehört ganz nach oben. Ich würde mir aber wünschen, dass im Verein mehr Professionalisierung einzieht, um langfristig wieder in der Bundesliga zu spielen. Professionelle Strukturen eröffnen ganz eindeutig mehr Möglichkeiten. Die Beispiele RB Leipzig und TSG Hoffenheim sind der Beweis, dass Geld eben doch Tore schießt. Man darf sich heute nicht mehr auf die Kicker-Romantik und den Elf-Freunde-müsst-ihr-sein-Spruch verlassen. Fußball funktioniert heute anders.
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