Gelsenkirchen. Mit einer Parade in der letzten Sekunde des Spiels sicherte Torwart-Senior Michael Langer Schalke den Sieg. Bleibt er nun im S04-Tor?
Als Schiedsrichter Michael Bacher mit einem langen Pfiff den rauschenden Abend beendet und den 4:3 (1:2)-Sieg des FC Schalke 04 über den 1. FC Magdeburg besiegelt hatte, kannten die Schalke-Profis nur einen Weg. Sie liefen so schnell sie noch konnten zu ihrem Torwart. Der hieß Michael Langer - und auch das ist so eine verrückte Geschichte dieses irren Abends.
Mit 4:3 führten die Schalker, spielten in Überzahl - und doch erarbeiteten sich die Magdeburger noch eine allerletzte Ecke. Die sieben Minuten lange Nachspielzeit war fast abgelaufen. Baris Atik schlug den Ball in die Mitte, Luc Castaignos köpfte, doch Langer, inzwischen 38 Jahre alt, tauchte blitzschnell ab und parierte den Ball unmittelbar vor der Torlinie. Danach: Abpfiff, gewonnen - und Langer fühlte sich so wie ein Mittelstürmer nach einem entscheidenden Tor - so sehr bejubelten die Teamkollegen die Parade. "Ich habe in den Himmel geschaut und gedankt, dass man so etwas erleben darf. Abendspiel, Magdeburg, die Hütte ist voll, 0:2 hinten, die Stimmung wird unruhig und dann kommst du so zurück", sagte Langer.
Schalke-Torwart Michael Langer ist eine Vaterfigur
Er ist in der Mannschaft so etwas wie eine Vaterfigur - obwohl er nominell nur Torwart Nummer vier ist. Wenn er redet, hören die anderen zu. Obwohl er im sechsten Schalke-Jahr erst sein sechstes Pflichtspiel bestritt, ist er im Training nie unmotiviert - und auch einer für klare Worte, wenn es einmal nicht rund läuft. Kein Wunder, dass das Lob aller Schalker überschwänglich war.
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"Michi gibt im Training im gesetzten Fußball-Alter immer Vollgas. Heute wurde er gebraucht, er hat die drei Punkte festgehalten, das rundet diesen Tag, diese Mentalität ab", schwärmte zum Beispiel Trainer Thomas Reis. Doppel-Torschütze Sebastian Polter sagte: "Ich hab dem Michi gesagt, er ist ein junger Gott, wie er da mit 38 Jahren den Ball rausfischt. Michi lebt den Verein, er ist jeden Tag da, pusht uns nach vorne. Man gönnt Michi diese Momente. Er ist ein sehr, sehr feiner Kerl." Und Marius Müller lobte: "Es freut mich für Michi ungemein. Überragend, einer für den anderen. Wenn es schwierig wird, können wir auf jeden zurückgreifen."
Müller hatte zu Beginn des Spiels im Tor gestanden und dafür gesorgt, dass die hilflosen Schalker nach 35 Minuten nur mit 0:2 zurücklagen. Ohne Einwirkung eines Gegenspielers verletzte sich Müller unmittelbar vor der Pause - und schnell war klar: Langer muss sich bereithalten. "Ich habe das erst einmal gar nicht so wahrgenommen, aber wenn du es registrierst, bist du in deinem Tunnel drin, ziehst die Schuhe an, versuchst, dich fertigzumachen. Und dann geht es rein in die Butze", schilderte er die Szene und schmunzelte danach. Erst am Donnerstag stand fest, dass Langer auf die Bank rückt, da sich Ralf Fährmann mit einer Verletzung abmeldete und Justin Heekeren für die U23 eingeplant war. "Man versucht es einfach so zu machen wie im Training - die Jungs unterstützen, die kleinen Jobs gut erledigen, von hinten zu coachen", sagte er.
Das klingt alles so selbstverständlich, aber in seiner langen Schalke-Zeit erlebte er eine solche Situation erst zum zweiten Mal. Am 20. Februar 2021, in der ersten Abstiegssaison war das, kam er im Derby gegen Borussia Dortmund in der 32. Minute für Fährmann. Schalke verlor noch mit 0:4, zwei Tore erzielte Erling Haaland.
Schalke: Langer mit großem Auftritt in der Schlussminute
Nun hieß der Gegner nicht BVB, sondern Magdeburg. Im Gegensatz zu Müller bekam Langer aber nach seiner Einwechslung fast nichts mehr zu tun - mit Ausnahme einiger Rückpässe. Der erste Schuss auf sein Tor saß, Connor Krempicki erzielte das 3:2 für Magdeburg in der 67. Minute. Danach folgte nur noch der Kopfball in der Nachspielzeit. Und das hob Marius Müller hervor. "Bis zur 97. Minute hatte Michi keinen Ball in der Hand - und deshalb musst du den Kopfball erst einmal so halten. Respekt", sagte Müller.
Direkt nach dem Abpfiff hob Stadionsprecher Dirk Oberschulte-Beckmann den Torwart heraus, sagte dessen Namen zweimal, alle Schalker brüllten mit. "Das habe ich gar nicht wahrgenommen", sagte Langer nach dem Spiel ruhig. "Mir ist die Truppe wichtiger. Das war eine Willensleistung von jedem einzelnen. Hut ab und Chapeau vor der Moral heute. Nach 30 Minuten hätte uns niemand einen Sieg zugetraut. Riesenkompliment."
Schalke tritt am Samstag beim FC St. Pauli an
Steht Langer in einer Woche erneut im Tor, wenn die Königsblauen beim FC St. Pauli antreten (Samstag, 20.30 Uhr/Sky und Sport 1)? Eine Kampfansage gab es von Langer nicht - alles andere wäre auch überraschend gewesen. "Wir werden einen aus unserem Torhüterteam aufstellen, der Trainer wird die richtigen Schlüsse ziehen. Wir sind überglücklich. In einer Woche geben wir Gas, scheißegal, wer im Tor steht", sagte Langer. So wie er eben ist: bescheiden, sympathisch, aber doch ehrgeizig. Wahrscheinlich ist, dass Fährmann wieder zurückkehrt - sofern er rechtzeitig fit wird. Seine Achillessehnenprobleme hatte er am Montag allerdings noch nicht überwunden, trainierte stattdessen individuell. "Das wird sich in der Woche zeigen", sagte Sportdirektor André Hechelmann am Montag zur Torwartfrage.
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Schalke: Michael Langer für einen Abend der König
Langer würde dann wieder auf der Bank sitzen und seine normale Rolle im Schatten der Stammspieler einnehmen. Nicht nur an der sportlichen Karriere arbeiten, sondern auch an der Karriere danach - Trainee auf der Schalke-Geschäftsstelle war er schon. Am Samstagabend war er der König. "Ich habe", sagte er abschließend, "viele glückliche Gesichter in der Kabine gesehen."
Er war eins davon.