Freiburg. Mit dem 4:2-Sieg in Freiburg gelang Borussia Dortmund ein Befreiungsschlag. Doch der kaschiert nicht alle Probleme beim BVB.
Auch an sehr guten Tagen, von denen es bei Borussia Dortmund in dieser Saison erst wenige gab, glitzert kaum etwas so sehr wie Marius Wolfs Schmuck. Insbesondere die silberne Kette, die um seinen Hals hängt, und an deren Ende ein Anhänger mit seinen Initialen baumelt.
So cool und lässig sich der Außenverteidiger gerne gibt: Dass da am Samstagnachmittag in Freiburg eine große Anspannung abgefallen ist, konnte und wollte auch der 28-Jährige nicht kaschieren. „Das gibt Selbstvertrauen“, sagte Wolf im Europa-Park-Stadion, am Ende eines Arbeitstages mit Höhen und Tiefen, „war es ein wichtiger Sieg für die Köpfe nach den letzten beiden Spielen.“
Insbesondere das 2:2-Remis gegen Aufsteiger 1. FC Heidenheim vor der Länderspielpause, in dem der BVB 2:0 führte und dann zusammenbrach, hatte „für ein paar unruhige Tage“ gesorgt, gestand auch Sportdirektor Sebastian Kehl. „Wir wussten, dass wir heute liefern mussten.“
Borussia Dortmund: Mehr Schein als Sein
Das taten die Dortmunder beim wilden 4:2 (1:2) beim SC Freiburg nach Toren von Mats Hummels (11./88.), Donyell Malen (60.) und Marco Reus (90.+3.). „Ich glaube, dass wir heute einen richtigen Schritt nach vorne gemacht haben, vor allem punktetechnisch“, meinte Kehl. Mit nun acht, ehrlicherweise ziemlich schmeichelhaften Zählern aus vier Spielen ist der Vize-Meister nun immerhin wieder auf Tuchfühlung zur Tabellenspitze um Bayer Leverkusen und Bayern München (je zehn), die sich am Freitagabend (2:2) gegenseitig ein Bein stellten. Vor dem Champions-League-Auftakt bei Paris Saint-Germain am Dienstagabend (21 Uhr/Prime) aber bleibt Borussia Dortmund mehr Schein als Sein.
Denn in Leverkusen und München, genauso wie bei RB Leipzig, wird eine andere Spielkultur zelebriert. Der Befreiungsschlag in Freiburg kam glücklich zustande und darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass zu den Top-Klubs derzeit eine Menge fehlt. „Wir können noch besser Fußball spielen“, musste auch Kehl zugeben.
Borussia Dortmund verliert gegen SC Freiburg die Spielkontrolle
Der BVB verlor ja mal wieder völlig ohne Not die Spielkontrolle nach einer ordentlichen Anfangsviertelstunde, hatte in der Nachspielzeit der ersten Hälfte erneut einen Heidenheim-(wahlweise auch Bremen- oder Stuttgart-)-Moment, als Freiburg innerhalb von vier Minuten das Spiel auf den Kopf stellte. Zwei Leichtsinnigkeiten – eine nicht verhinderte Flanke sowie ein ungeschicktes Foulspiel, aus dem ein Freistoß resultierte – führten zum Doppelschlag durch Lucas Höler (45.+2) und Nicolas Höfler (45.+6). Die Freiburger demonstrierten zudem, wie leicht das Dortmunder Aufbauspiel durch hohes Pressing zu stören ist – was kein gutes Licht auf die Mittelfeldzentrale um Kapitän Emre Can wirft. Und vorne fehlten lange die Ansätze, um hinter die Abwehrreihe des Sport-Clubs vorzustoßen.
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Andererseits, und das bemühten die Dortmunder in Freiburg hervorzuheben, erzielte man ja dennoch vier Tore, man gewann bei einem unangenehmen Gegner und kam gar nach einem Rückstand nach der Pause zurück. In der Schlussphase spielte der BVB wieder dominanter. „Ich weiß, was Siege hier bedeuten und auch, was das innerhalb einer Gruppe ausmacht“, sagte Sportdirektor Kehl. Über Erfolge könne man sich Rhythmus erarbeiten und dadurch auch wieder „eine gewisse Dominanz bekommen.“ In Paris müsse man nun „sicherlich eine richtig gute Leistung zeigen, wenn wir dort und auch in dieser schwierigen Gruppe bestehen wollen“, zu der neben PSG auch AC Mailand und Newcastle United zählen.
BVB: Gegen PSG könnte es zu gefährlichen Umschaltmomenten kommen
Der Auftritt in Freiburg könnte dafür wertvolle Erkenntnisse liefern. Nach der Roten Karte für Höfler (83.) ergaben sich Räume, die der BVB besser bespielen konnte. Im Prinzenparkstadion ist davon auszugehen, dass das Team um Ausnahmestürmer Kylian Mbappé viel investieren und offensiv mit hohem Ballbesitz auftreten wird. Die Dortmunder könnten so in gefährliche Umschaltmomente kommen.
Nur wer könnte diese nutzen? Sebastien Haller, in der Rückrunde einer der Gesichter des Aufschwungs, erlebt derzeit einen aufgrund seiner schlimmen Krankheitsgeschichte befürchteten Durchhänger. Karim Adeyemi taucht weitaus häufiger ab, als dass er zu seinen berüchtigten Sprints ansetzt. Niclas Füllkrug drängt daher in die Startelf, möglicherweise in einer Doppelspitze mit Malen eine Systemanpassung, die in Freiburg in der zweiten Halbzeit mitentscheidend werden sollte.
Da bewies Füllkrug gleich nach seiner Einwechslung Präsenz und Anführerqualitäten. „Das war gut heute, aber er ist sich sicherlich noch nicht bei 100 Prozent“, analysierte Kehl. Der 30-Jährige hat Muskelprobleme aus seiner Zeit bei Werder Bremen mitgeschleppt, in Freiburg reichte es immerhin für eine halbe Stunde. „Wir werden sehen, wie er auf diese Belastung reagiert hat und entscheiden dann, ob es am Dienstag für mehr reicht“, sagte Trainer Terzic.
Auch andere Spieler werden sich dann steigern müssen, nicht nur ihre Spielminuten. Aus Paris will Marius Wolf nämlich „mit etwas nach Hause fahren“. Er meint damit wohl kaum neuen Schmuck, der in Frankreichs Hauptstadt reichlich vorhanden ist.