Belek. Der Hype um Felipe Sanchez war im Sommer groß. Im Interview spricht der Schalker über seine enttäuschende Hinrunde, seine aggressive Spielweise, Vorbilder und Ziele.
An einem kleinen Wasserfall in der Lobby des Schalker Mannschaftshotels in der Türkei begrüßt Felipe Sanchez die WAZ-Reporter auf Deutsch. „Wie geht es Euch?“, fragt der 20 Jahre alte Abwehrspieler und grinst. Beachtlich ist dabei, dass Sanchez versucht, so viel wie möglich Deutsch zu sprechen – nur rund ein halbes Jahr nachdem er aus seiner argentinischen Heimat nach Gelsenkirchen gewechselt. Zweimal die Woche drückt er die Schulbank in der Sprachschule.
Im Interview spricht der Verteidiger über seine ersten Monate in Deutschland, die Unterschiede zu seiner Heimat, dem anfänglichen Hype um seine Person auf Schalke und seinen schwierigen Start in der 2. Bundesliga.
Felipe Sanchez, Sie lernen fleißig Deutsch. Haben Sie ein deutsches Lieblingswort?
Felipe Sanchez: Weiter! (lacht) Es ist aufmunternd, positiv. Als Fußballer muss man immer weitermachen und dranbleiben – egal, ob es gut oder schlecht läuft.
Sie sind jetzt rund ein halbes Jahr Schalker. Was ist für Sie typisch deutsch?
Sanchez: Hier ist alles geordnet. In Argentinien geht es ganz anders zu. Aber mir gefällt die deutsche Lebensart – hier ist alles korrekt, die Leute sind pünktlich. Das passt zu mir, ich gehörte auch in Argentinien zu denjenigen, die immer pünktlich und fleißig waren.
Schalke-Verteidiger Felipe Sanchez hat sich seinen Traum erfüllt
Sie sind aus La Plata bei Buenos Aires nach Gelsenkirchen gezogen. Ein Kulturschock?
Sanchez: Nein, gar nicht. Natürlich ist in der Metropole Buenos Aires mehr los. Aber ich war nie jemand, der abends losgezogen ist. Ich bin Profisportler, konzentriere mich auch in Deutschland vor allem auf das Training. In meiner Freizeit gehe ich gern zum Berger See und trinke meinen Mate-Tee.
Sie haben den Mate-Tee in die Schalker Kabine gebracht.
Sanchez: (lacht) Stimmt. In Argentinien ist Mate Tradition und sehr beliebt. Auf Schalke habe ich es einigen meiner Teamkollegen nähergebracht und sie haben sich auch Mate-Becher gekauft. Ich weiß aber nicht, ob sie es wirklich alle mögen. Mate-Tee ist sehr stark, hat Feuer. (lacht)
Mit nur 20 Jahren haben Sie den Schritt von Argentinien nach Deutschland gewagt. Wie haben Ihre Eltern reagiert, als Sie von Ihrem Wechsel erzählt haben?
Sanchez: Sie haben sich für mich gefreut. Durch den Wechsel nach Europa habe ich mir meinen Traum erfüllt, meine Eltern macht das sehr stolz. Wir alle wussten, dass es ein riesiger Schritt ist und es in Deutschland für mich schwer werden wird. Trotzdem wollte ich diese Herausforderung unbedingt annehmen. Für meine Mutter war mein Abschied aber schwierig. Ihr tat es sehr weh, ihren Sohn gehen zu lassen – ich lebe jetzt tausende Kilometer entfernt. Bei meinem Abschied sind sogar Tränen geflossen.
Schalke-Profi Felipe Sanchez spielte schon vor 84.000 Zuschauern gegen River Plate
Was sagt Ihr Vater?
Sanchez: Er ist stolz, dass ich in seine Fußstapfen trete. Er selbst war auch Fußballprofi bei Gimnasia La Plata und bei Atletico de Refaela, dann hat er noch ein Jahr in Spanien gespielt. Er war allerdings Stürmer. Meine Familie ist verrückt nach Fußball, auch mein Bruder spielt als Amateur in Argentinien.
Für das Schalke-Abenteuer haben Sie sogar Ihren Herzensklub Gimnasia La Plata verlassen. Auch jetzt tragen Sie ein Armband ihres Ex-Klubs.
Sanchez: Wenn wir jetzt über Gimnasia sprechen, ist das für mich emotional. Der Verein war meine Heimat, mein Vater war dort Profi, ihnen habe ich alles zu verdanken, es ist mein Herzensverein. Direkt nach meiner Geburt hat mir mein Vater ein Gimnasia-Trikot angezogen. (lacht) Ich liebe den Klub, aber ich musste an meine Entwicklung denken – da war der Wechsel nach Deutschland der richtige Schritt. Toll finde ich, dass Gimnasia und Schalke sich ähnlich sind: Beide haben fantastische Fans.
Mit Gimnasia haben Sie gegen Top-Klubs wie Boca Juniors oder River Plate gespielt.
Sanchez: Das Spiel bei River Plate werde ich nie vergessen – im Monumental vor 84.000 Zuschauern. Wir sind als Außenseiter damals sogar mit 1:0 in Führung gegangen, es war ein unglaubliches Gefühl. Auf dem Platz blende ich die Atmosphäre zwar weitgehend aus, aber dieses Spiel war krass. Obwohl wir noch mit 1:3 verloren haben.
Sanchez: „Auf Schalke ist die Stimmung viel besser“
Haben Sie andren Stadien eine vergleichbare Stimmung erlebt als im legendären Monumental?
Sanchez: Auf Schalke ist die Stimmung viel besser! Jedes Spiel dort ist besonders. Beeindruckt hat mich die Atmosphäre im Heimspiel gegen Düsseldorf. So ein lautes Stadion habe ich noch nie erlebt.
Wie unterscheiden sich die Spielweisen in Deutschland und Argentinien?
Sanchez: In Argentinien geht es aggressiver zur Sache, es wird körperlich mehr attackiert. In Deutschland ist das Spiel fairer und es wird mehr Fußball gespielt.
Auch Sie fallen durch aggressive Spielweise auf.
Sanchez: Das ist Standard in Argentinien. Wenn du dort nicht dagegenhältst und hart in die Zweikämpfe gehst, hast du keine Chance. Schon in der Jugend wird diese Spielweise gefordert – es ist eine ganz andere Mentalität. Auch in der Nationalmannschaft wird so hart und aggressiv gespielt.
Haben Sie in Ihren ersten Monaten auf Schalke vielleicht zu aggressiv gespielt?
Sanchez: Ich musste mich erst an den deutschen Fußball gewöhnen und selbstverständlich dazulernen – auch, was die Schiedsrichter angeht. Hier werden Zweikämpfe schneller abgepfiffen als in Argentinien. Für einen Verteidiger macht es das nicht einfacher. (lacht)
Schalke-Profi Felipe Sanchez nennt seine Vorbilder
Zu welchen Defensivspielern schauen Sie auf? Wer sind Ihre Vorbilder?
Sanchez: Ich mag Cristian Romero von Tottenham. Er verteidigt sehr leidenschaftlich. In meiner Kindheit habe ich auch zu Sergio Ramos aufgeschaut.
Sie haben in der Hinrunde nur viermal in der Liga gespielt. Wie beurteilen Sie Ihre ersten Monate auf Schalke?
Sanchez: Schon jetzt habe ich wertvolle Erfahrungen gesammelt, durfte in großartigen Stadien spielen. Zur Wahrheit gehört aber, dass ich gern mehr gespielt hätte. Jeder Fußballer will so viel spielen wie möglich. Aktuell gehöre ich nicht zur Stammelf, aber ich arbeite hart und bin da, wenn der Trainer mich braucht.
Zeitweise haben Sie nur für die U23 in der Regionalliga gespielt.
Sanchez: Für einen jungen Spieler wie mich ist Spielpraxis extrem wichtig. Es ist doch super, dass ich dort aushelfen und Minuten sammeln kann. Ich mache das gern – auch, weil ich mich sehr gut mit Jakob Fimpel verstehe. Seine Ehefrau kommt aus Argentinien und Jakob spricht unglaublich gut Spanisch. Schon nach meiner Unterschrift auf Schalke hat er sich bei mir gemeldet und mir seine Hilfe angeboten.
Nach Bekanntgabe Ihres Transfers hatten viele Schalke-Fans hohe Erwartungen an Sie. Was hat das mit Ihnen gemacht?
Sanchez: Der Zuspruch ist Ansporn für mich. Ich weiß noch genau, wie ich im Trainingslager in Mittersill zum ersten Mal Laufrunden um den Platz gedreht habe. Als ich an der kleinen Tribüne vorbeigelaufen bin, sind die Fans aufgesprungen und haben gejubelt. Das hat mich beeindruckt. Für mich ist das nur positiv, kein zusätzlicher Druck. Ich will den Schalke-Fans etwas zurückgeben.
Schalke-Profi Felipe Sanchez nennt seine Ziele für die Rückrunde
Sie mussten auf Schalke schon mit sportlichen Rückschlägen umgehen. Beim 3:4 gegen Greuther Fürth hatten Sie keinen guten Tag und sind mit Gelb-Rot vom Platz geflogen.
Sanchez: Ich war natürlich traurig über meine Leistung und den Platzverweis. Damit umzugehen, ist nicht einfach. Aber schon am nächsten Tag war wieder Training. Und dann musst du als Spieler im Kopf bereit sein. Also: Weiter, weiter.
Welche persönlichen Ziele haben Sie für die Rückrunde?
Sanchez: Ganz klar: Ich will so viele Spiele wie möglich machen.
Mit 20 Jahren stehen Sie noch am Anfang Ihrer Karriere. Welche Ziele haben Sie für den Rest Ihrer Laufbahn.
Sanchez: Mein großer Traum ist es, eines Tages den Sprung in die Nationalmannschaft zu schaffen. Noch bin ich davon ein ganzes Stück entfernt, aber jeder Argentinier träumt davon, mal mit der Albiceleste eine Weltmeisterschaft zu spielen.
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