Oslo. Der Kapitän ist Abwehrchef und Mahner im DHB-Team. Vor dem Viertelfinale gegen Portugal ist die dritte Rolle seine wichtigste.

Es ist eine Demonstration der portugiesischen Stärken. Ehrgeiz, Präzision, Widerstandsfähigkeit – und allen voran: Teamgeist. Am Shuffleboard in der Lobby des Scandic Fornebu in Oslo verrät der Viertelfinal-Gegner der deutschen Handball-Nationalmannschaft sein Erfolgsgeheimnis. Spaß – gepaart mit der nötigen Portion Lockerheit.

„Portugal hat über junge Leute einen Schritt nach vorn gemacht“, weiß Johannes Golla und blickt deshalb kurz auf die beiden Testspiele vor der Heim-EM 2024 zurück, die Deutschland für sich entschieden hatte (34:33 und 35:31). „Sie haben sich über den Turnierverlauf gefestigt und sind in einem guten Flow. Es ist aktuell eine Riesenherausforderung, gegen diese Mannschaft zu spielen.“

Alfred Gislason verrät: Juri Knorr kann spielen – aber nur phasenweise

Eine Herausforderung, die der Kapitän der Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB) am Mittwochabend in der Unity Arena (20.30 Uhr, ARD) unbedingt meistern will. Mit einem Sieg würde die Mannschaft von Alfred Gislason im Halbfinale der Titelkämpfe stehen und hätte die Möglichkeit, um die erste WM-Medaille seit 18 Jahren zu spielen.

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„Hoffnung und Optimismus sind groß“, sagt Abwehrchef Golla. „Man hat gestern im Training gemerkt, dass deutlich mehr Energie zur Verfügung stand.“ Drei freie Tage haben dem DHB-Team gutgetan, genau wie der Umzug aus dem verschlafenen Herning in Dänemark ins deutlich belebtere Oslo in Norwegen.

Der Kader ist wieder gut gefüllt, alle 17 Spieler stehen zur Verfügung. Und auch Juri Knorr spazierte am Dienstag – dick eingepackt in eine Winterjacke – an die frische Luft. Der Spielmacher hat seinen Infekt überstanden, kann gegen Portugal auflaufen. „Er ist nicht bei 100 Prozent, wird keine 60 Minuten spielen können“, erklärte Bundestrainer Gislason. „Aber er ist dabei.“

Portugal war das treffsicherste Team der Hauptrunde

Eine gute Nachricht, die dem Olympiazweiten von Paris und Lille aber nur bedingt hilft. Gegen die Hochgeschwindigkeits-Handballer aus Südeuropa wird vor allem Golla mit seinen Nebenmännern gefragt sein. Keine Mannschaft erzielte in der Hauptrunde so viele Tore wie Portugal (179).

Und deshalb ist der DHB-Kapitän in den Tagen vor dem ersten K.o.-Spiel dieser WM vor allem als Warner und Mahner gefragt. Der personifizierte erhobene Zeigefinger. Niemand soll die Mannschaft um die starken Costa-Brüder unterschätzen. Ein 50:50-Duell sei das, da waren sich beim DHB alle einig.

Damit die Kräfteverhältnisse auf die schwarz-rot-goldene Seite kippen, „müssen wir Torhüterleistung und Abwehr besser hinbekommen“, forderte Gislason. Abwehr, das ist das Stichwort für Defensiv-Abteilungsleiter Golla. „Es ist mein größtes Interesse, dass wir diese Sicherheit, dieses blinde Verständnis zurückbekommen, das wir im letzten Januar hatten“, erklärte der.

Abwehrchef Johannes Golla wirkt überspielt

In den bisherigen sechs Partien des Turniers fehlte diese Eingespieltheit, die Abstimmung, die das Team bei der EM 2024 zu Platz vier führte. Zudem offenbarten Golla und seine Kollegen zuletzt immer mal wieder Schwächen im Rückzugsverhalten, was den Gegner zu leichten Toren kommen ließ.

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Es sind Faktoren wie diese, die beeinflussen werden, wer am Mittwochabend ins Halbfinale einzieht. Faktoren, die eng mit Johannes Golla verknüpft sind. Mit seiner körperlichen Robustheit ist an guten Tagen kein Vorbeikommen am Profi des SG Flensburg-Handewitt.

Doch der 27-Jährige kam schon mit Schulterproblemen zur Nationalmannschaft, spielt sein drittes Turnier in 13 Monaten (EM, Olympia, WM). Hätte der 1,95 Meter große Innenblockspieler eine Akkuanzeige, sie wäre wohl im unteren roten Bereich.

Sein 100. Länderspiel erlebt Golla nur von der Bank aus

Auch deshalb gönnte Bundestrainer Gislason seinem Leistungsträger eine Pause. Im sportlich bedeutungslosen Hauptrundenabschluss gegen Tunesien (31:19) saß Golla 60 Minuten auf der Bank. Ganz zufrieden war er damit nicht. Es war schließlich sein 100. Länderspiel.

„Mein Körper hat sich gefreut, aber im 100. Spiel hätte ich auch gern ein bisschen selbst auf der Platte gestanden“, so der Flensburger. Das wird er gegen Portugal wieder tun – vorzugsweise mit Julian Köster an seiner Seite. Noch so einer, der nicht hundertprozentig fit in die WM startete, seinem Kapitän in den vergangenen Tagen aber offenbar gut zugehört hat.

Der Innenblock der deutschen Handball-Nationalmannschaft: Johannes Golla (l.) und Julian Köster.
Der Innenblock der deutschen Handball-Nationalmannschaft: Johannes Golla (l.) und Julian Köster. © IMAGO/Gonzales Photo | IMAGO/Gonzales Photo/Mads Andersen

„Es wird ein sehr enges, umkämpftes Spiel, alles andere als einfach zu bestehen“, warnte auch der 24-Jährige des VfL Gummersbach. „Aber es ist ein Spiel, das uns davon trennt, um eine Medaille spielen zu können.“

Dänemark gegen Brasilien im frühen Halbfinale am Mittwoch

Bei einer Niederlage ist die WM für die deutsche Mannschaft beendet. Platzierungsspiele gibt es nicht mehr. Bei einem Sieg aber würden im Halbfinale mit großer Wahrscheinlichkeit erneut die schier übermächtigen Dänen warten, die am Mittwoch im frühen Spiel in Oslo gegen Überraschungsteam Brasilien antreten (17.30 Uhr).

Auch die versuchten sich am Dienstag im Shuffleboard, als die Portugiesen endlich mal genug hatten. Dem Gejohle zufolge nicht minder erfolgreich.

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