Leipzig. Merih Demiral traf beim 2:1-Sieg der Türkei im EM-Achtelfinale gegen Österreich doppelt. Für seinen Wolfsgruß-Jubel droht ihm eine Sperre.
Was für ein Abend für die Türkei! Mit 2:1 (1:0) gewann das Team überraschend sein Achtelfinale bei der EM 2024 gegen die als Geheimfavorit geltenden Österreicher. Umjubelter Mann des rauschenden Türkei-Abends war Merih Demiral vom saudi-arabischen Klub Al-Ahli. Der 26-Jährige traf in Leipzig schon nach 57 Sekunden und lieferte damit das schnellste Tor in der K.o.-Runde einer Fußball-Europameisterschaft. In der 59. Minute legte er dann den Treffer zum 2:0 nach, der Anschlusstreffer von Michael Gregoritsch (66.) kam für Österreich zu spät.
Doch der gefeierte Doppeltorschütze Demiral sorgte auch aus einem unschönen Grund für Aufsehen. Als er nach seinem zweiten Treffer zum Jubel abdrehte und sich den zahlreichen Fans zuwandte, reckte er seine beiden Arme in die Höhe und formte mit den Fingern den sogenannten Wolfsgruß. Dieses Handzeichen gilt als Symbol der „Grauen Wölfe“.
Türkei-Matchwinner: Uefa ermittelt gegen Merih Demiral
So werden die Anhänger der rechtsextremistischen „Ülkücü-Bewegung“ genannt, die in Deutschland vom Verfassungsschutz beobachtet wird. In der Türkei ist die ultranationalistische MHP ihre politische Vertretung und Bündnispartnerin der islamisch-konservativen AKP von Präsident Recep Tayyip Erdogan.
Die Europäische Fußball-Union UEFA hat ein Untersuchungsverfahren gegen Demiral nach dessen Torjubel eingeleitet. Es gehe dabei um ein angebliches unangemessenes Verhalten des 26-Jährigen, teilte die UEFA am Mittwochvormittag mit. Sollte Demiral bestraft werden, könnten ihm Folgen für das anstehende Viertelfinale gegen die Niederlande drohen.
Die Geste hat Demiral mit Nationalstolz begründet. „Wie ich gefeiert habe, hat etwas mit meiner türkischen Identität zu tun“, sagte der von der UEFA als Spieler des Spiels ausgezeichnete Demiral bei der Pressekonferenz, nachdem er den sogenannten Wolfsgruß mit beiden Händen gezeigt hatte: „Deswegen habe ich diese Geste gemacht.“
Merih Demiral will Wolfsgruß noch häufiger zeigen
Er habe Leute im Stadion gesehen, die diese Geste auch gemacht hätten. Es stecke „keine versteckte Botschaft“ dahinter, sagte der 26-Jährige. Der Wolfsgruß ist ein Handzeichen und Symbol der türkischen rechtsextremen und ultranationalistischen Organisation „Graue Wölfe“. Weder die Organisation noch der Gruß sind in Deutschland verboten.
„Wir sind alle Türken, ich bin sehr stolz darauf, Türke zu sein, und das ist der Sinn dieser Geste. Ich wollte einfach nur demonstrieren, wie sehr ich mich freue und wie stolz ich bin“, so Demiral. Er hoffe, dass es „noch mehr Gelegenheiten gibt, diese Geste zu zeigen“.
„Graue Wölfe“ vom Verfassungsschutz beobachtet
Zentrale Merkmale der türkisch-rechtsextremistischen „Ülkücü“-Bewegung sind nach Einschätzung der deutschen Sicherheitsbehörden ein ethnischer Nationalismus, der die türkische Nation überhöht und andere Volksgruppen und politischen Gegner abwertet. „Aufgrund dieses extremen nationalistischen Gedankenguts bestehen tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht, dass es sich bei der Ülkücü-Bewegung um eine Gruppierung handelt, die sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung beziehungsweise gegen das friedliche Zusammenleben der Völker richtet“, heißt es vom Verfassungsschutz NRW.
Demirals Jubel könnte noch Folgen haben. Da es sich um eine politische Geste handelt, ist es möglich, dass die Europäische Fußball-Union mit dem Fall – der durch zahlreiche Fotos sehr gut dokumentiert ist – beschäftigt. Schon einmal hat die Uefa bei dieser EM wegen eines politischen Statments eingegriffen und den albanischen Stürmer Mirlind Daku für zwei EM-Partien gesperrt.
Uefa sperrte Albaner nach nationalistischen Gesängen
Der 26-Jährige hatte nach dem 2:2 im Vorrundenspiel gegen Kroatien in Hamburg am 9. Juni mit den Fans offenbar nationalistische Gesänge angestimmt. Laut Uefa habe er mit seinem Fehlverhalten „den Fußball in Verruf“ gebracht, Daku habe den Sport benutzt, um Botschaften nicht-sportlicher Natur zu vermitteln. Nach der Partie war zu sehen gewesen, wie Daku mit einem Megafon vor den albanischen Fans stand und entsprechende Lieder sang.
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Der albanische Verband musste zudem eine Geldstrafe in Höhe von 25.000 Euro zahlen, „weil er provokative Botschaften verbreitet hat, die nicht zu einer Sportveranstaltung passen“, teilte die Uefa mit.
Sollte die Uefa im Fall von Merih Demiral ähnlich urteilen, würde er mindestens das Viertelfinale am Samstag gegen die Niederlande in Berlin verpassen. Der große Abend hätte für die Türkei dann noch ein Nachspiel.