Leipzig. Ralf Rangnick kehrt als Trainer von Österreich bei der EM 2024 an seine alte Wirkungsstätte zurück. Gegen die Türkei geht es ums Viertelfinale.

Es ließ sich Ralf Rangnick vergangene Woche keine Sentimentalität entlocken, auch wenn es um Leipzig ging, die Stadt, in der er acht Jahre gelebt hat. Rangnick hatte mit Österreichs Nationalmannschaft gerade durch ein 3:2 gegen die Niederlande das EM-Achtelfinale erreicht, ausgespielt heute Abend in der Messestadt gegen die Türkei. Er freue sich, die alte Wirkungsstätte zu besuchen, sagte der 66-Jährige. Mehr noch aber freue ihn, dass „wir eine kurze Anfahrt haben“.

Der DFB-Reporter

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    Das muss man sich vor Augen führen: Rangnick, der gestern mit dem ÖFB-Team im Bus die wenigen 160 Kilometer von Berlin in die sächsische Großstadt zurücklegte, war von 2012 bis 2020 Sportchef, Trainer – und im umfassenden Sinne Architekt von RB Leipzig. Zu dieser Zeit konnte er von seinem Balkon auf das Stadion des deutschen Bundesligisten schauen, in dem er heute Abend (21 Uhr/Magenta TV) an der Seitenlinie stehen wird.

    Das wird also nicht nur irgendein Wiedersehen, sondern eine Heimkehr werden für den ehemaligen RB-Macher, der am Montag erstmals seit seinem letzten Spiel als Trainer des Red-Bull-Klubs, einem 0:0-Heimspiel gegen den FC Bayern im Mai 2019, wieder auf der Pressetribüne der so vertrauten Spielstätte saß.

    Türkei muss gegen Österreich auf Calhanoglu verzichten

    Neben dem ÖFB-Coach saßen Christoph Baumgartner und Nicolas Seiwald. Die beiden Nationalspieler sind die jüngsten Transferspieler aus der Alpenrepublik beim deutschen Fußballableger des Red-Bull-Unternehmens. Hätte sich Stammkraft Xaver Schlager nicht kurz vor dem EM-Start das Kreuzband gerissen, wären sie sogar zu dritt gewesen und zusammen mit den Ex-Leipzigern Marcel Sabitzer (2015 bis 2021) und Konrad Laimer (2017 bis 2023) eine Handvoll Schlüsselspieler mit Verbindungen zu den Rasenballsportlern und deren früherem starken Mann.

    Österreichs BVB-Profi Marcel Sabitzer (l.) im Gespräch mit seinem Natioanltrainer Ralf Rangnick.
    Österreichs BVB-Profi Marcel Sabitzer (l.) im Gespräch mit seinem Natioanltrainer Ralf Rangnick. © AFP | ODD ANDERSEN

    Laimer, den Rangnick an den Cottaweg transferiert hatte, erinnerte sich vorige Woche an viele „schöne und besondere Momente in Leipzig“. Doch die hätten keinen Einfluss auf die Partie gegen den Gegner vom Bosporus, der das jüngste Spiel gegen die ÖFB-Elf, einen Test Ende März, 1:6 verloren hatte und heute Abend aufgrund einer Gelbsperre ausgerechnet auf Spielmacher Hakan Calhanoglu verzichten muss. „Das hilft uns alles nichts“, so Laimer.

    Unwichtige Details auszublenden, gehört zu Rangnicks Kernbotschaften an seine Spieler, seit er vor zwei Jahren das Amt des ÖFB-Teamchefs übernommen hat. Marcel Sabitzer, einer von Rangnicks Unterschiedsspielern, hat dafür besonders offene Sinne. Der Steirer liebt die reduzierte Geste und tritt so in der Regel auch auf.

    Sabitzer machte sich mit BVB-Wechsel unbeliebt

    Beim Thema Leipzig und Rückkehr freilich zeigte sich der 30-Jährige im Vorfeld gefühlvoller als gedacht. 2015, noch zu Leipziger Zweitligazeiten, hatte Rangnick den Mittelfeldspieler zu RB geholt. Sechs Jahre später verließ der Österreicher den Verein als Kapitän. Allerdings auch als Spieler des FC Bayern, was ihm ein Teil der Fanszene übelnahm und ihn dafür bei seinen Gastspielen in der vormaligen Karriere-Heimat auspfiff.

    Sein aktueller Arbeitgeber Borussia Dortmund ist ebenfalls reichlich unbeliebt. Die dadurch pikierten RB-Anhänger sind allerdings in der Unterzahl, haben im Stadion kein Gewicht, dennoch sind sie für Sabitzer Anlass einer weniger herzlichen Erinnerung an die alte Spielstätte.

    Erstes EM-Viertelfinale für Österreich in Aussicht

    „Grundsätzlich ist es mir egal, wo gespielt wird“, meinte er nach seinem 3:2-Siegtreffer gegen die Niederlande und der Wahl zum Spieler des Spiels. „Aber meine letzten Empfänge in Leipzig waren sehr negativ behaftet. Ich wurde dort immer ausgepfiffen und weiß eigentlich nicht, warum, weil ich bei RB immer meine Leistung gebracht habe.“ Allerdings ist der Gegner heute Abend nicht der ehemalige Arbeitgeber, sondern die türkische Nationalmannschaft. Inklusive eines Stadions voller Landsleute. „Das wird sicherlich positiver für mich ausgehen“, sagte er.

    Auch Rangnick hätte zwei, drei kleinere Anlässe, an Leipzig unschöne Gedanken verschwenden zu müssen. Am Ende hatten sich der Baumeister und der mittlerweile in den Aufsichtsrat gewechselte Ex-Vereinschef Oliver Mintzlaff weitgehend entzweit. Doch Rangnick ist auch in dieser Frage unsentimental. Man hat sich ohnehin ausgesprochen, und außerdem steht an diesem Dienstagabend zu viel auf dem Spiel, um sich von der Vergangenheit ablenken zu lassen. Noch nie hat Österreich bei einer EM das Viertelfinale erreicht. Dafür zählt der ÖFB-Coach schließlich aber doch auf den Faktor Leipzig. „Für ein paar von uns“, sagte er, „ist das schon eine Art Heimspiel.“

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