Stuttgart. RTL-Experte Steffen Freund steht als Co-Kommentator nicht selten in der Kritik. Auch bei der EM sind seine Leistungen durchwachsen.
Wer an die Übertragungen der Europa-League-Partien von Bayer 04 Leverkusen bei RTL denkt, der hat sicher schnell Steffen Freund im Ohr. Der Co-Kommentator an der Seite von Marco Hagemann fiel immer wieder durch außufernde Euphorie und übertriebene Emotionalität auf und seinem Partner am Mikrofon zudem störend häufig ins Wort. Auch die generell eher hohe Lautstärke des Duos muss man mögen. Das entsprechende Bild hat sich mittlerweile bei vielen so eingebrannt, dass Freund in den sozialen Medien schon kritisiert wird, bevor er überhaupt einen Satz gesagt hat - ähnlich wie bei ZDF-Kommentatorin Claudia Neumann. Die Befürchtungen waren daher groß, als RTL bekanntgab, dass Freund EM-Partien mitkommentieren würde.
Zwischen Roten Teufeln und hellblauen Schlüpfern
Doch es kam anders. Am frühen Mittwochabend beim Spiel der Ukraine gegen Belgien trat Freund für seine Verhältnisse unerwartet ruhig und sachlich auf. Zu Beginn warf er immer wieder kurze simple taktische Analysen ein und erklärte unter anderem welche besondere Rolle Kevin De Bruyne bei den „Roten Teufeln“ einnimmt oder warum die Ukrainer in dieser Partie mit Fünferkette und Doppelspitze agierten. Vielleicht hatte sich der 54-Jährige zuvor einige Spiele in der ARD angesehen und von deren Expertin Almuth Schult inspirieren lassen, die mit ihrer zurückhaltenden Art und fußballspezifischem Wissen überzeugt.
Im Verlauf der Partie ging der zweite Aspekt allerdings immer mehr verloren. Freund bereicherte das Spiel im Gegensatz zu Schult nicht durch faktenbasierte Informationen, Statistiken oder taktische Erklärungen, sondern brachte fast nur noch seine eigene Meinung zum Ausdruck. Wenn das Geschehen auf dem Platz zu langweilig wurde, kamen Anekdoten aus der Vergangenheit zum Einsatz, an die er sich jedes Mal „noch sehr gut erinnern“ konnte. So plauderte er von seiner Zeit mit dem ukrainischen Trainer Serhij Rebrow bei den Tottenham Hotspur, dem er deswegen für die Partie „natürlich“ die Daumen drückte. Beim Zuhören bekam man zudem den Eindruck, Freund würde manche Akteure durch eine Art „Fanbrille“ betrachten. So lobte er beispielsweise immer wieder Belgiens Stürmer Romelu „Lokako“ und hob seine „große Klasse“ hervor, obwohl dieser gegen die Ukraine erneut blass blieb und eher wie ein Fremdkörper im belgischen Spiel wirkte.
Immerhin: Unnötige Emotionsausbrüche gab es bei Freund dieses Mal nicht. Wobei man diesbezüglich auch erwähnen muss, dass es in einem Spiel, dass mehr von der Spannung der Gruppenkonstellation als der auf dem Stuttgarter Rasen lebte, auch kaum Momente gab, die diese hätten hervorrufen können - selbst bei einem Steffen Freund nicht. Obwohl dieser die Partie als „teuflischen Tanz mit dem Feuer bezeichnete“. Irgendwie emotional verwirrt zu haben scheinen ihn aber merkwürdiger Weise die Auswärtstrikots der Belgier, die eine Hommage an den belgischen Nationalhelden „Tintin“ sind. An Auftritte des Teams von Ex-Schalke-Trainer Domenico Tedesco „im hellen Schlüpferblau“ müsse er sich erst gewöhnen.
Freund verwechselt Spieler und bringt irren Vergleich
Auch die vorherigen Auftritte Freunds sahen Licht und Schatten. In seinem ersten EM-Einsatz bei der Partie Türkei gegen Georgien (18. Juni) bot der ehemalige Profi von Schalke 04 und Borussia Dortmund nur wenige Angriffspunkte, blieb aber nicht fehlerfrei. So stolperte er zum Beispiel immer wieder über die Namen einiger Akteure. Dabei sollte man bei einem TV-Experten mit mittlerweile 13 Jahren Erfahrung eigentlich schon davon ausgehen können, dass ihm Spieler wie der türkische Kapitän Hakan Calhanoglu, der vier Jahre in der Bundesliga spielte und im vergangenen Jahr mit Inter Mailand im Champions-League-Finale stand, ein Begriff sind.
Bei der Begegnung zwischen Kroatien und Albanien (19. Juni) fiel er mit einem irren Vergleich auf. Als der Darmstädter Klaus Gjasula eine wilde Schlussphase mit seinem Treffer zum 2:2-Ausgleich für den Außenseiter in der fünften und letzten Minute der Nachspielzeit krönte, brach nicht nur im Hamburger Volksparkstadion riesige Euphorie aus. Auch Freund wurde von den Emotionen übermannt und brüllte euphorisch „Das ist ja Wahnsinn, besser als Sex!“ Bei einigen mag dieser Ausruf für Lacher gesorgt haben, bei anderen aber eben auch für eine Mischung aus Fremdscham und Entsetzen. So oder so: Freunds Auftritt am Mikrofon war mal wieder ein Gesprächsthema.