Düsseldorf. Albanien ist raus - aber nicht gedemütigt, sondern verabschiedet mit Applaus. Für das kleine Land war die EM-Teilnahme ein Erfolg.
Das Aus bei der Fußball-Europameisterschaft, die Gewissheit, wieder aus Deutschland abzureisen, das EM-Quartier in Kamen-Kaiserau zu verlassen, lag nur wenige Sekunden zurück - doch Enttäuschung gab es bei den Spielern und den Fans Albaniens nicht. Keiner der Anhänger, und Zehntausende schauten das 0:1 gegen Spanien, verließ das Stadion in Düsseldorf. Alle applaudierten, sangen, baten um Ovationen. In Deutschland gab es albanische Autokorsos, als hätte die Mannschaft den Titel geholt. Hat sie aber nicht. Dass Albanien teilgenommen hat und vor allem die Art und Weise der sportlichen Auftritte macht das Land trotz des Ausscheidens zu einem Gewinner.
Niemand formulierte den Stolz besser als Trainer Sylvinho (50). Ein Brasilianer, der in seiner aktiven Karriere für Barcelona und Arsenal spielte, später als Co-Trainer bei Inter Mailand und der brasilianischen Selecao arbeitete. Auf den ersten Blick passt einer wie er, der den großen Fußball erlebt hat, nicht zu einem einstigen Fußballzwerg wie Albanien. Mit leuchtenden Augen sprach er nach dem Spanien-Spiel von der Hauptstadt Tirana, von dem kilometerlangen Fußweg von seinem Büro zum Appartement, von dem Respekt, den er dabei spüren würde. Es war diese Verantwortung, die ihn vor dem Turnier kaum schlafen ließ.
Mitgehalten gegen Spanien und Italien
Denn schwieriger hätte die Gruppe kaum sein können: Italien, Spanien, Kroatien. „Albanien ist es nicht gewöhnt, solche großen Turniere zu spielen - und dann noch diese Gegner. Ich habe kaum geschlafen, weil ich gegrübelt habe, wie wir gegen diese großen Mannschaften spielen“, sagte Sylvinho. Doch die ganze Arbeit habe sich gelohnt. „Wir haben nicht drei, vier, fünf Gegentore pro Spiel bekommen, wurden nicht gedemütigt. Wir haben mitgehalten. Die Spieler haben alles auf dem Platz gelassen“, schwärmte Sylvinho, der sich bei der Abschlussfeier vor den Fans zu seiner Mannschaft gesellte, um diese Momente aufzusaugen. Die Albaner hatten vor der knappen Spanien-Niederlage gegen Kroatien einen Punkt (2:2) geholt, und gegen Italien trotz schneller 1:0-Führung mit 1:2 verloren. Sowohl gegen Italien als auch gegen Spanien wäre ein Unentschieden möglich gewesen.
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Dass die Auslosung so ausgefallen sei, finde er im Nachhinein überhaupt nicht schlimm, sagte Sylvinho. „Ich bedaure überhaupt nichts. Das war eine gute Lehre für meine Spieler“, sagte er. Denn auch deshalb könne der albanische Fußball nach der zweiten EM-Teilnahme nach 2016 ein größeres Ziel anpeilen: „Ob wir es schaffen, weiß ich nicht. Aber es muss zur Gewohnheit werden, dass wir bei solchen Turnieren dabei sind.“ Genügend Potenzial sei vorhanden. Von den EM-Stammspielern beispielsweise sind Mario Mitaj (20, spielt für Lokomotive Moskau), Kristjan Asllani (22, Inter Mailand) und Armando Broja (22, FC Fulham) die größten Talente.
„Ich möchte den Fans danken. Hier überall das albanische Trikot zu sehen, ist Gold wert.“
Die Fans, die dreimal Heimspiel-Atmosphäre schufen, gehörten zu den leidenschaftlichsten während dieses Turniers. Sagte auch Sylvinho: „Ich möchte ihnen danken. Hier überall das albanische Trikot zu sehen, ist Gold wert. Albanien ist eine fantastische Fußball-Nation.“ Kapitän Berat Djimsiti hatte schon nach dem Auftaktspiel gegen Italien in Dortmund gesagt: „Ich hatte das Gefühl, dass wir in Albanien sind, nicht in Deutschland.“ Premierminister Edi Rama formulierte das ähnlich: „Das wird im Gedächtnis von zehn Millionen Albanern bleiben.“
Kein übertrieber Satz nach den Eindrücken von Montagabend. Von den Ovationen kurz nach dem EM-Aus.