Herzogenaurach. Im dritten Gruppenspiel zwischen Deutschland und der Schweiz stehen vier Leverkusener auf dem Platz. Vor allem ein Duell hat Brisanz.
Am Montag läuft die Frist für Robert Andrich und Granit Xhaka ab. Bis dahin können sich die beiden Mittelfeldspieler von Bayer Leverkusen noch darüber streiten, wer das schönere Tor geschossen hat. Die zwei Nationalspieler sind von der „Sportschau“ nominiert worden für das Tor des Monats Mai. Andrich (29) traf beim 2:1-Sieg gegen Augsburg am letzten Spieltag per Hacke zum zwischenzeitlichen 2:0 und machte das Kunststück perfekt, die Meistersaison mit Bayer ohne Niederlage zu beenden. Xhaka (31) sorgte eine Woche später im Berliner Olympiastadion mit seinem Fernschuss-Traumtor im DFB-Pokalfinale gegen Kaiserslautern für den zweiten gemeinsamen Titel.
Am Sonntag (21 Uhr/ARD) in Frankfurt treffen sich Andrich und Xhaka im dritten EM-Gruppenspiel zwischen Deutschland und der Schweiz als Gegner. Für die beiden Leverkusener wird es ein besonderes Duell. Eine Saison lang spielten die zwei Sechser bei Bayer Seite an Seite und waren die perfekte Symbiose im defensiven Mittelfeld des Double-Gewinners. „Wir haben ein gutes Verhältnis und verstehen uns auf und neben dem Platz sehr gut“, sagt Andrich im Gespräch mit dieser Redaktion. „Granit war für die Mannschaft sehr wichtig, auch in der Kabine. Er hat eine Siegermentalität und weiß, was für den Erfolg erforderlich ist“, findet Andrich und hätte dasselbe auch über sich sagen können.
Deutschland und Schweiz kämpfen um den Gruppensieg
Das Triple haben die beiden im Finale der Europa League mit Leverkusen verpasst, nun wollen sie bei der EM ihren dritten Titel des Sommers holen. Für die Schweizer wäre das eine Sensation, für Deutschland ist es das große Ziel. Am Sonntag geht es aber zunächst um den Gruppensieg. Der DFB-Auswahl reicht dafür ein Unentschieden, die Schweiz muss gewinnen.
Womöglich wären beide Mannschaften aber gar nicht unglücklich über Platz zwei, denn dann würde man Spanien, der bislang stärksten Mannschaft der EM, in einem möglichen Viertelfinale aus dem Weg gehen. „Wir haben auf jeden Fall Respekt vor den Deutschen“, sagte der Schweizer Kapitän Xhaka vor dem direkten Duell. „Aber wir werden nicht so viel Respekt haben wie die Schotten im Eröffnungsspiel, die Deutschland komplett den Ball überlassen haben.“
Xhaka gegen Schottland aus dem Spiel genommen
Xhaka ist im Schweizer Mittelfeld der Schlüsselspieler. Bundestrainer Julian Nagelsmann könnte bei Andrich nachfragen, wie man seinen Bayer-Partner am besten aus dem Spiel nimmt. Nagelsmann könnte sich aber auch die Wiederholung des Spiels der Schweiz gegen Schottland anschauen (1:1). Da wurde Xhaka vom Schotten Scott McTominay 90 Minuten lang in Manndeckung genommen. „Er hat mir schon nach 20 Minuten gesagt, dass er immer bei mir bleiben wird. Das war clever vom Trainer. Das haben sie gegen Deutschland nicht so gut gemacht“, sagte Xhaka hinterher.
Die Aufgabe der Manndeckung könnte am Sonntag Andrich höchstpersönlich übernehmen. Wahrscheinlicher aber ist, dass die Deutschen wieder die dominantere Mannschaft sein werden und die Schweizer eher versuchen, Toni Kroos aus dem Spiel zu nehmen. Der Dirigent des deutschen Teams spielt in der Nationalmannschaft an der Seite von Andrich den Part, den Xhaka bei Bayer spielt. Das Jahr an der Seite des Schweizers hat Andrich gut getan, um auf die Rolle neben Kroos vorbereitet gewesen zu sein.
Andrich vergleicht Kroos und Xhaka und sieht Parallelen
„Beide haben ein unfassbares Spielverständnis“, sagt Andrich über Kroos und Xhaka. „Toni hat einen unfassbaren rechten Fuß, Granit den linken. Beide können das Tempo bestimmen und die Mannschaft sehr gut leiten“, sagt Andrich über die Parallelen zwischen Kroos und Xhaka. Ähnlich wie in Leverkusen versucht auch Nagelsmann möglichst viele Spieler im Zentrum zu haben, die miteinander kombinieren.
Einer davon ist Florian Wirtz, der zusammen mit Andrich und Xhaka in der vergangenen Saison außergewöhnlich gut harmoniert hat. Gut möglich, dass Xhaka am Sonntag – anders als in Leverkusen – eher die Aufgabe hat, seinen Vereinskollegen im Auge zu behalten. Aber auch mit Andrich wird er sich in den Zweikämpfen duellieren. Schließlich hat der Abräumer im deutschen Mittelfeld auch große fußballerische Qualitäten, wie er nicht nur bei seinem Hackentor gegen Augsburg zeigte. Schon im Februar war er für seinen Schlenzer im DFB-Pokal gegen Stuttgart für das Tor des Monats nominiert. Auch Andrichs Fernschusstor in der Europa League Anfang Mai bei AS Rom hätte es in die Auswahl verdient gehabt.
Das bedeutendere Tor aber machte Xhaka im Pokalfinale, wodurch er auch die besseren Karten hat, die Wahl zu gewinnen. Das würde auch Jonathan Tah freuen, den vierten Leverkusener, der am Sonntag beim Spiel zwischen Deutschland und der Schweiz auf dem Platz stehen wird. „Wir haben schon ein paar Mal geflachst und gelacht, weil Granit am Anfang der Saison oft geschossen und nicht getroffen hat“, sagte Tah vor dem Wiedersehen. „Ich meinte dann, du machst nur die wichtigen Tore. Und wie man gesehen hat, hört er auf mich“, sagte Tah mit einem Lächeln.
Auch der Innenverteidiger freut sich auf das Treffen in Frankfurt mit seinem Schweizer Vereinskollegen. „Granit ist ein überragender Mensch und ein überragender Fußballer. Er hatte großen Einfluss auf unseren Fußball und unseren Erfolg. Er geht voran, übernimmt Verantwortung. Ich schätze ihn sehr“, sagte Tah.
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Am Sonntag wollen die drei Leverkusener im DFB-Team gemeinschaftlich dafür sorgen, dass Xhaka nicht noch einmal ein Treffer der Marke Tor des Monats gelingt. Andrich würde seinem Teamkollegen die Mai-Auszeichnung sicher gönnen – wenn er selbst dafür am 14. Juli im Berliner Olympiastadion womöglich das Tor des Jahres schießt. Titelverteidiger ist übrigens Florian Wirtz. Natürlich auch für Bayer Leverkusen.